Bedauerlicherweise konnte ich den von Uli so einladend beschriebenen Abend nicht miterleben. Beim zweiten Manasoirée war ich dabei und da wiederholte sich zum Glück das tiefe gemeinsame Zusammensein, nicht zuletzt wegen dem liebevoll gestalteten Essen und dem musikalischen Vortrag. Es wurde auch über das Schreiben auf dem Blog gesprochen, was mich dazu veranlasst hat, meine derzeitige Lektüre – zum Thema passend – hier einzustellen.
Der Schriftsteller und Ethnoanalytiker Hans- Jürgen Heinrichs hat einige interessante Literaten interviewt, dabei ist er stets von der Frage ausgegangen: Wie schreiben Sie?
Elfriede Jelinek
Elfriede Jelinek setzt sich ab von den Autoren, die etwas bloß „im Schnee nachspüren“; sie dagegen oszilliere, springe hin und her zwischen verschiedenen Sprachrhythmen und Sprecherpositionen und beharre nicht auf ihrer Position. „Ich habe immer das Gefühl, dass sich die Bücher selber schreiben und dass nicht ich es bin, die das schreibt.“ (S. 316)
Friederike Mayröcker
Am Anfang steht meist etwas Erlebnishaftes. Es war so bei „brütt“, dass ich auch da wieder nicht gewusst habe, wohin es gehen wird, und mit etwas begann, das ich dann völlig gelöscht habe. Ich habe dann wieder ganz anders begonnen und viele Seiten geschrieben, die ich als null und nichtig erkennen musste. Dann fing ich neu an und da ist es besser gegangen. Es ist sicher etwas Erlebnishaftes dabeigewesen. (S. 65)
Gerhard Roth
Ein Zeitrahmen ist für mich notwendig, wenn ich schreibe, da ich sonst psychische Probleme bekomme. Ich zerfalle sozusagen. Ich löse mich auf, wenn ich mir nicht selbst eine Zeitvorgabe stelle, die ich aber nicht zwingend einhalten muss. Ich kann an verschiedenen Orten schreiben. Ich brauche keinen bestimmten Platz, keine bestimmte Uhrzeit. (S. 84)
Georges-Arthur Goldschmidt
Mir ist es selten passiert, dass ich genau das schreibe, was mir so vorschwebt. Ich habe eine Idee, oder ein Bild kommt mir und das behalte ich in mir tagelang, und dann, wenn ich das niederschreibe, dann kommt völlig was anderes. Ich habe nie eine Zeile geschrieben, die ich schreiben wollte, es kommt einem immer anders. (S.126)
Paul Nizon
Wenn ich wirklich ernsthaft und entsprechend motiviert an einem Fischzug bin, dann habe ich von einem gewissen Punkt an das Gefühl, dass ich dieses Lebewesen in seiner Artikulation oder auch in seinen ersten Pulsierungen kennenlerne. Und dann geht es darum, es möglichst ganz an Land ziehen … Wenn nach der langen Inkubinationszeit oder dem Bebrüten die Gangart und die Tonart gefunden worden sind, so dass das Ding in den ersten Passagen sprachlich zu funktionieren beginnt, dann nehme ich diese Passagen auf Tonband auf und spiele sie mir vor. Das ist eine Technik, die mir erlaubt, mich nicht selber lesen zu müssen, weil ich Schwierigkeiten habe, mich selber zu lesen, ich habe dann immer das Bedürfnis wegzulaufen. (S.176)
Nathalie Sarraute
Was mir wichtig ist, schreibe ich im Café. Dort fühle ich mich wohl. Dort empfinde ich nicht die Einsamkeit, die manchmal so groß wird, wenn ich allein in einem Zimmer eingeschlossen bin, inmitten der Bücher. Ich habe Angst, mit dem Schreiben anzufangen … in einem Café habe ich das angenehme Gefühl auf Reisen zu sein. (S. 190)
E.M. Cioran
Ich schreibe nur, wenn ich deprimiert bin, im Zustand der Verlassenheit und der Verzweiflung. Aber indem ich geschrieben habe, habe ich mich doch davon befreit. Für mich ist nur das Schreiben eine reale Therapie. (S. 215)
Breyten Breytenbach
Schreibzwang habe ich sehr wenig. Was manchmal passiert: ich erwache frühmorgens mit einer Phrase oder einem Wort, und das ist wie ein Signal, wie ein herunterhängender Faden von einem Kleidungsstück, und man zieht daran … was bei mir jedoch häufiger ist -etwas sehr Frustrierendes -, dass man sich eine Notiz macht, einen Satz notiert, ein Wort, ein kleines Bild, und man dann zu etwas anderem übergeht. Am nächsten Morgen greift man es wieder auf oder weiss dann nach drei Tagen nicht mehr, was man damit machen soll. (S. 287/288)
Hans Werner Henze
Es ist so, dass ich nur frisch gewaschen und mit frischer Wäsche an den Schreibtisch gehen will und kann. Sonst stimmt etwas nicht, ist in Unordnung. Es muss alles ungeheuerlich ordentlich sein. (S. 305)
Ich empfehle das Buch von Hans-Jürgen Heinrichs auch wegen seiner wunderbar direkten, grenzenlosen Fragen an die bekannten Schriftsteller.