EINSAMKEIT EINES ALTERNDEN STONES-FANS
Er latscht in den Diskshop und gleich
auf die Platte los, die er will, die neuen Stones.
Um ihn rum, Kopfhörer um die Ohren,
die 10 oder 15 Jahre jüngeren Typen,
die längst was anderes hören.
Die reglosen Gesichter
regen ihn auf,
diese Einsamkeit unter den Kopfhörern!
Er nimmt die Platte und
fühlt sich nicht sehr einsam.
Er weiß nur, er überschaut
den Plattenmarkt nicht mehr –
Diplom-Physiker, da habe ich andre Sorgen –
und weiß nicht, was ihn noch verbindet,
mit der, sagt er ironisch, nächsten Generation,
höchstens eine Demonstration, ein Joint,
etwas von dieser Mode.
Er sieht das Cover an:
gefällt mir eigentlich gar nicht, den Mick
solltest du wirklich langsam abschreiben,
aber sein Sound, den hat keiner mehr erreicht.
Und Mick sagts selber: Du wirst
irgendwann zu deiner eignen Parodie.
Dieser Satz geht ihm durch den Kopf,
während der vier Schritte zur Kasse, irgendwann
wirst du zu deiner eignen Parodie.
Erinnerungen kommen hoch:
die Stones im Hyde-Park damals,
da war ich mittendrin, da hat sich was
bewegt mit uns. Jetzt
fühlt er sich beobachtet. Jetzt
fühlt er sich überlegen: die hängen hier rum,
bei dieser immer schlechteren Musik,
leiden vielleicht an ihren Trips oder
an Langeweile, aber ich,
und er zahlt, steckt den Bon ein,
was hab ich alles mitgemacht
und weiß jetzt, was zu tun ist, ich!
So ein Gedanke, er sieht sich nochmal um,
ist das nun die berühmte Erfahrung des Alterns?
Und geht aus dem Laden
und geht zum Arzt, die Rückenschmerzen,
und abends die neue Platte mit
neuen Enttäuschungen, die
Vergangenheit ist Vergangenheit –
und nicht vorbei.
F. C. Delius