Also, Jochen sollte sich das Buch noch heute besorgen, das müsste ihn doch interessieren, es geht um Gitarren und um einen Musiker, Liebhaber von Vintage-Gitarren, der in einem Gitarrenladen aushilft, er braucht Geld, sein Name Thomas Dupré. Eines Tages darf er nach Schottland fahren, Ziel ist ein nobles Landhaus am Loch Ness, sein Chef hatte ihn beauftragt, dort die berühmte Goldtop, eine Les Paul von 1954, zu überbringen, ein reicher Kunde hatte sie gekauft. Dort angekommen, bleibt unserem Helden zunächst das Herz stehen, stand da nicht Jimmy Page vor ihm? Wie sich herausstellt: nein, aber es war ehemals das Haus von Jimmy Page, das schon. Ein gewisser Lord Charles Winsley begrüßt Thomas, bittet ihn herein und zeigt ihm später seine atemberaubende Gitarrensammlung:
… hier eine weiße Broadcaster, die bestimmt zu den ersten zählte, die Leo Fender gebaut hatte; da eine Stratocaster in dem wunderbaren Lake-Placid-Blau aus der Mitte der fünfziger Jahre; und dort der Traum von Sammlern auf der ganzen Welt: eine Les Paul Standard von 1959 mit der atemberaubenden geflammten Decke. Letztere mochte so um die 500 000 Dollar wert sein. Direkt darunter hing eine Gretsch White Penguin, weiß und goldfarben …
In einer geheimen Kabine bewahrt der Lord noch zwei besondere Gitarren auf, die Thomas später auch betrachten darf, eine Flying V und die Explorer. Das Herzstück der Sammlung fehle allerdings, so Lord Winsley, der Heilige Gral der Vintage-Gitarren, die Gibson-Moderne, sie wurde dem Besitzer gestohlen.
Thomas Dupré wird nun beauftragt, diese Gitarre zu suchen oder zumindest zu beweisen, dass es sie gab, damit die Versicherung zahlen würde. Ein Roadmovie beginnt; spannende 400 Seiten prallgefüllt mit Musik- und Musikergeschichten sowie Erzählungen von sagenumwobenen Gitarren.
Grègoire Hervier schrieb das Buch Vintage, erschienen 2017 im Diogenes Verlag.
Eine weitere Leseprobe: Thomas darf sich einige Stunden mit der Sammlung des Lords beschäftigen und dessen Gitarren und Verstärker ausprobieren:
Endlich traf ich eine Entscheidung und griff ganz vorsichtig nach der Gretsch, auf der ich zunächst nur schüchtern herumschrammelte. Sie war ein Gedicht, und als ich ein bisschen beherzter zugriff, vibrierte sie nur so vor Lebendigkeit. Es war an der Zeit, einen Verstärker anzuschließen. Ein Vox AC30 wollte unbedingt ausprobiert werden und fing an zu summen, kaum dass er Strom hatte. … Als erstes ertönten die Beatles mit dem guten alten Day Tripper … Das brachte mich zu While My Guitar Gently Weeps und I Want You. Weiter ging es mit dem Solo von Oh Sweet Nothin´von Velvet Underground, und dem Thank You von Jimmy Page während seines BBC-Konzerts. Dafür brauchte ich eine Les Paul´59, was sich ganz gut traf, und warum das Ganze nicht mit dem Marshall-Amp spielen, der sich zu langweilen schien, so ganz allein in der Ecke …
Später im Buch erfährt unser Held, Thomas, von einem sagenumwobenen Musiker, der auf einer Single-Platte das Stück Half Moon Blues auf einer Gibson-Moderne gespielt haben soll. Sein Name: “Li Grand Zombi“, mit bürgerlichem Namen hieß er Harold Clay. Ein Musikstück mit dem Titel “Li Grand Zombi“ findet sich auf der Platte Versus von Branner Griswell aus dem Jahre 2015 (aber hat das etwas mit unserem Blues-Musiker zu tun? Wohl eher nicht.). Den Half Moon Blues kann man sich auf YouTube anhören (original song by John Richards).