Er war gerade sechs Jahre alt geworden, als er zum ersten Mal allein in die Innenstadt fahren durfte. Zunächst galt es zur Straßenbahnhaltestelle zu schlendern und dann zu hoffen, dass eine alte Straßenbahn kommen möge, die mit den Holzsitzen und der langen Lederschnur unter dem Straßenbahndach, an dem der Schaffner kräftig ziehen musste, um ein schrilles Läuten auszulösen, was dem Fahrer bedeutete, dass er nun abfahren durfte. Diese alten Bahnen, die 1959 manchmal noch durch Hannover fuhren, hatte er ins Herz geschlossen. Und tatsächlich, an diesem Tag kam die betagte Bahn mit der Nummer 5. Er kaufte beim Schaffner eine Kinderfahrkarte und los ging es bis zum Aegidientorplatz. Dort führte sein Weg zunächst zu einer Filiale der Firma MOST. Bis 1999 konnte man bei MOST edle Süßigkeiten kaufen, Ende der fünfziger Jahre, da gab es die Firma schon 100Jahre, bekam man zumindest hier in der hannoverschen Filiale für ein paar Groschen ein große Tüte Süßigkeiten-Bruch. Weiter führte der Weg des Jungen an den Mercedes-Benz-Ausstellungsräumen vorbei, magisch angezogen von den wunderschönen Autos, konnte er sich von den Schaufenbstern kaum lösen. Dann am Theater-Am-Aegi entlang – das Theater sollte 1964 in Flammen aufgehen und ein riesiges schwarzen Loch hinterlassen, was den Jungen stets in Schrecken versetzte – in die Maschstraße. Hier gab es nicht viel Interessantes zu schauen, außerdem war diese uninteressante Straße auch noch sehr lang, bis sie dann schließlich in die Meterstraße mündete. Hier, auf dem Gelände einer Schule waren die Übungsräume des Knabenchor Hannover, dem der Junge nun angehören sollte, untergebracht. Er hat das Singen im Chor gemocht, sehr sogar, aber die Fahrt und der Weg dorthin und wieder zurück, nach Hause, das war für ihn einfach nur großartig und er freute sich immer darauf, allein unterwegs zu sein.
Jahrzehnte ist das her, aber sein weiteres Leben hat der ehemalige Chorknabe seinen Knacbenchor Hannover niemals aus dem Blick verloren. An zahlreichen Veröffentlichungen hat er sich über all die Jahre erfreut, aber 2017 wurde er besonders hellhörig, da hat der Knabenchor Hannover eine ganz ungewöhnliche CD herausgebracht: ”New Eyes on Martin Luther” mit Jeanette Köhn, Nils Landgren, Magnus Lindgren, Eva Kruse, Johan Norberg, Knabenchor Hannover und Capella de la Torre . Jörg Breiding leitet inzwischen den Chor und er hatte während des Projektes ”New Eyes on Martin Luther” auch die Aufgabe, so unterschiedliche Ensembles musikalisch zusammenzuführen; also das von Katharina Bäuml an der Schalmei geleitete Capella de la Torre, die Gruppe Nils Landgren and Friends und schließlich seinen eigenen Chor. Der NDR hat das Konzert in Hannover mitgeschnitten und auf Act-Records veröffentlicht. Herausgekommen ist eine großartige Platte. ACT-Music schreibt auf seiner Produkt-Info-Seite u.a.: „The three ensembles just dived into the music without pre-conceptions. The traditional German folksong “Die Gedanken sind frei” is here performed with a percussive flute solo, and Landgren’s smooth voice on top of a funky rhythm. Sometimes he joins Capella de la Torre with a trombone solo and when all musicians play together it sounds as if the music was originally written with this in mind. It moves seamlessly between genres and what you can hear is the sound of really skilled musicians together – and just having fun.“