Im Rahmen meiner „50 States Tour“ bin ich nun in Oklahoma angelangt, einem der wenigen Staaten, die ich zuvor noch nicht besucht hatte. Und dabei fiel mir besonders auf, wie wenig ich tatsächlich bislang über dieses Land wusste. (Womit ich in Deutschland bzw. Europa sicherlich keinen Einzelfall darstelle.) Klar, anhand des markanten Umrisses könnte ich Oklahoma stets problemlos erkennen, und auch die Hauptstadt kann wohl jeder auch ohne Vorwissen benennen. Doch darüber hinaus war mir Oklahoma bislang eigentlich fast ausschließlich als Heimat der Flaming Lips ein Begriff. In der deutschen Wikipedia-Ausgabe werden erstaunlicherweise weder die Flaming Lips noch Wayne Coyne in der „Liste von Persönlichkeiten des US-Bundesstaates Oklahoma“ geführt. Dafür immerhin Chet Baker, J.J.Cale, Woody Guthrie, Lee Hazelwood, Chuck Norris und ja, auch William Bradley „Brad“ Pitt. Als Band werden immerhin Hanson genannt. Haha! Der Regisseur Ron Howard wurde übrigens in der Kleinstadt Duncan geboren, wo ich im Moment diese Zeilen verfasse.
Also wollte ich endlich mal einen Ausflug in den Big Bend National Park einbauen und fuhr die vier Stunden von El Paso, der nächsten größeren Stadt, über Alpine, der letzten Ortschaft vor einer knapp 200km-Strecke zum Visitor Center des Nationalparks. Nach den Sommerferien sind dort mittlerweile nur noch sehr wenige Besucher unterwegs (auf der Rückfahrt kamen mir über knapp zwei Stunden Fahrt gerade mal zwei Autos entgegen — aber umso mehr Tiere, die die Straße überquerten), so dass man wirklich noch in die großen Weiten der amerikanischen Landschaft fährt. Ein außergewöhnlich schöner Ort ist dieser Nationalpark. Und wie schön, dass man auch heute, in Zeiten von Überall-Internet und stetiger Erreichbarkeit noch so weit hinaus fahren kann. Eine Autopanne möchte man da auch nicht haben.
In Texas findet man irgendwie alle Klischees wieder – aber auch einiges mehr. Faszinierend sind die Steinadler (Golden Eagles), die überall im Land umherkreisen. Kein Wunder ist er so etwas wie der Nationalvogel und prangt auf dem Great Seal of the United States. Auch durfte ich in Texas die Bekanntschaft mit den ernst dreinblickenden State Troopers auf dem Highway machen, die, als sie mich dabei erblickten, wie ich nach einer Ausfahrt kurz anhielt, um mein Fotostativ aus dem Kofferraum nach vorne zu holen, mit Fragen konfrontierten und letztlich eine Verwarnung ausstellten. Das war offenkundig ein Akt der Willkür, denn während sie die Begründung lieferten, ich hätte am Stop-Schild nicht haargenau am Schild, sondern erst zehn Zentimeter dahinter angehalten, taten zahlreiche andere Autofahrer quasi direkt neben uns genau dasselbe, eben weil man am Schild nicht um die Ecke sehen konnte.
Wie dem auch sei, sie befragten mich dazu, welche Art von Filme ich in Deutschland mache, wozu ich das Stativ auf dem Beifahrersitz installierte (Erläuterung: Ich mache z.B. Zeitrafferaufnahmen von meinen Fahrten auf den Straßen, die ich den beiden Polizisten natürlich direkt unter die Nase hielt. Antwort: „I get dizzy only from watching this. … How did you call this? … Time lapse, never heard that.“), warum ich die Autobahn überhaupt verlassen hätte, wo ich herkäme, wo ich hinwolle und ob ich irgendwas im Auto hätte, das ich dort nicht haben dürfe („Do you have anything in your vehicle which you shouldn’t have in there?“). Ich frage mich tatsächlich noch immer, welche Antwort er eigentlich zu hören hoffte.
Später erklärte mir jemand (a real Texan), dass höchstwahrscheinlich mein kalifornisches Kennzeichen die beiden Texaner dazu veranlasst hatte, mich unter die Lupe zu nehmen, „because Texans hate Californians“. Leider habe ich versäumt, die beiden um ein Erinnerungsfoto zu bitten. Immerhin betonte der größere der beiden, die wie aus einem Film entsprungen schienen, zum Abschluss noch einmal, wie man am Stop-Schild zu halten habe. „That’s how it is done here in Texas.“
Apropos Film: Wunderbare Musik zum Fahren hier ist die Soundtrack-CD Hell or High Water, dem starken Film von Taylor Sheridan, der schon das Sicario-Drehbuch geschrieben hat (das ja ebenfalls weitgehend in West-Texas, sowie in El Paso und Juarez spielt). Auch ohne Kenntnis des Films ein sehr empfehlenswertes Album! Taylor Sheridans Regiedebüt (spielt diesmal in Wyoming), für das er in Cannes den Regiepreis bekam, muss ich nachdrücklich empfehlen, Wind River, mit einer großartigen Musik von Nick Cave und Warren Ellis, kommt demnächst in Deutschland ins Kino. Mein „Lieblingsfilm“ in Cannes in diesem Jahr. Sehr bewegend.
Auch hörte ich bei Fahrten durch die Sonora-Wüste viele Aufzeichnungen der „Klanghorizonte“ (einige habe ich schon häufiger auf Autofahrten gehört), sehr passend etwa die Stunden vom 19. August, mit Joseph Shabason usw. Nicht zuletzt deshalb erwarb ich vor wenigen Tagen auch Father John Mistys Pure Comedy, da es in einer Special Edition für unschlagbare $7,99 bei CVS in Dallas stand. Noch besser ist, meiner Meinung nach, allerdings das neue, fantastische Album von The War On Drugs, A Deeper Understanding. Die perfekte Musik für Autofahrten durch Das Weite Land.