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2017 16 Aug

Jazz, A bis Z – Claudio Monteverdi

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | Tags:  | 2 Comments

Claudio Monteverdi wurde am 15. Mai getauft, ein Datum, das zu merken mir leicht fällt. Im Jahr 1567 war das. Sein Geburtsdatum ist unbekannt. In diesem Jahr gedenkt man des 450. Tauftages dieses Komponisten. Es ist noch keine 100 Jahre her, dass man sich an diesen Großen der abendländischen Musik erinnert und seine Musik auch wieder aufführt. Carl Orff bearbeitete um 1923 Monteverdis Favola in Musica L’Orfeo. Nur wenige mehr machten sich ebenfalls verdient um Monteverdi. Erst mit Nikolaus Harnoncourts Schallplattenaufnahme des L’Orfeo aus dem Jahr 1969 begann die wahre Renaissance des Claudio Monteverdi.

 

Monteverdi und Jazz? Jazz vor 400 Jahren? It don’t mean a thing (if it ain’t got that swing). Also durchgefallen (schon deswegen). Musikalische Gegenfrage:

 

 

Ist das Jazz? Ist das Klaviermusik des 20. Jahrhunderts in freier Atonalität? Ist das auskomponierte oder spontan improvisierte Musik? Letzteres müsste man wissen, denn man hört es der Musik nicht an. Jazz & Improvisation gelten als untrennbar. Im Großen und Ganzen stimmt das, wobei verschiedene Methoden des Improvisierens erkannt werden können: die freie Fantasie ohne Vorlage (Jarretts Solokonzerte), das Orientieren an einer Akkordfolge (Blues-Schema, Rhythm Changes, Harmonien eines Songs), in der Frühzeit des Jazz das Ausschmücken und Verzieren der Melodie.

 

I was embellishing around the melody. At that time (Anm.: vor 1920) I wouldn’t have known what they meant by improvisation. But embellishment was a phrase I understood.

Buster Bailey (1902-1967)

 

Zu Monteverdis Zeiten pflegten die Sänger diese Form der improvisierten Variation, ja man erwartete, dass sie diese als Diminution bezeichnete Technik vollendet beherrschten. Besucht man in unseren Zeiten Konzerte mit Sinfonischer Musik, mit Kammermusik oder Klavierabende, wo vorwiegend Werke der Klassik, Romantik und der gemäßigten Moderne aufgeführt werden, gewinnt man den Eindruck, dass Klassische Musik und Improvisation nicht zusammen gehören. Abgesehen vom singulären Fall der Pianistin Gabriela Montero scheint Improvisation im Konzertleben, das am klassisch-romantischen Repertoire ausgerichtet ist, ausgestorben zu sein. Wagt es ein Künstler, aus diesem Werkkanon auszubrechen, muss mit einem Eklat gerechnet werden.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass Bach, Mozart, Beethoven großartige Improvisatoren waren, nicht die einzigen in ihrer Zeit. Im Solokonzert (für ein Soloinstrument und Orchester) gab es in der sog. Kadenz für den Solisten die Möglichkeit, neben seiner Virtuosität auch die Fähigkeit über das thematische Material des Satzes zu fantasieren, vorzuführen. Doch schon Beethoven schränkt ab seinem 4. Klavierkonzert diesen Freiraum ein.

Wie kann man Monteverdi und den Jazz näher zusammen rücken? Dem Madrigal Zefiro torna aus der Sammlung Scherzi Musicali liegt ein ostinater Bass zugrunde, die Ciaccona. Es gibt zahlreiche solcher Bassformeln in jener Zeit. Sie heißen Passamezzo, Romanesca oder Folia. Letztere ist hochberühmt und wurde von Vangelis in der Filmmusik zu Conquest Of Paradise aufgegriffen. Diese ostinaten Bässe entstammen vielfach der volkstümlichen Tanzmusik jener Zeit und sind die Grundlage für Improvisationen in einer schriftlosen Musizierpraxis.

Im folgenden ist eine Introduction zu Monteverdis Zefiro torna zu hören, die nicht im Notentext steht, sondern vom ausführenden Ensemble als (vermutlich vorbereitete) Improvisation gestaltet ist.

 

 

Von Gianluigi Trovesi erschien 2007 bei ECM das wunderbare Album Vaghissimo Ritratto, auf dem unter anderem auch Werke aus der Renaissance in „sehr vagen Bildnissen“ dargeboten werden. Und hier improvisiert der italienische Jazzmusiker über ebendiese Ciaccona. Das Beispiel ist einem anderen Album entnommen.

 

 

Improvisieren über einer ostinaten Formel könnte ein Grundprinzip vielerlei irdischen Musizierens sein.

 

 
 
 

       

 
 
 

Im April 2017 erschien bei ACT Music Monteverdi in the Spirit of Jazz, ein Album, das mehrere Tracks von Richie Beirachs bereits 2003 veröffentlichem Album Round About Monteverdi enthält.

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