Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2017 5 Jan.

Vierhändig mit Erroll Garner

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | 18 Comments

MHQ: Einige Manafonisten haben noch Platten nachgereicht, die sie nach den Nikolaus-Listen entdeckt haben, du auch?

 

Michael: Ja, genau eine, welche gerne und vorzugsweise verrissen wird und mich fasziniert in ihrer Urkraft, und auch weil ich noch nie gehört habe, dass, eigentlich mein Unlieblingsinstrument Nr. 2, die Mundharmonika so grossräumig klingen kann wie eine Kirchenorgel, mein anderes Unlieblingsinstrument Nr. 1. Ach so, Neil Youngs PEACE TRAIL heisst die Scheibe. Ich höre sie nur laut. Youngs Gesang ist magisch, die Texte balancieren das Politische und das Private. Die Ursuppe der Rockmusik. Für Canyons. Und um einigen Amerikanern das Brett vorm Kopf zu entfernen. Leider Utopie. Keltners Drumming ist grosses Understatement.

 

MHQ: Du hast keine Lieblingsmusik für Orgeln?

 

Michael: Gott bewahre! Wenn man dieses Pfeifenarsenal in der Kindheit als Unterdrückungsinstrument der katholischen Kirche erlebt hat, mit all diesen Angstmachern, die sich damals Pädagogen nannten und noch den Muff der Nazis inhaliert hatten, gibt es, für mich jedenfalls, keine Chance, Messiaen zu mögen, oder sonstwas … ich fand auch Jarretts Orgelmusik aus Ottobeuren langweilig (selbst ohne meine Antipathie gegen das Instrument), ausser: vor Jahren erschien die Platte einer Orgelspielerin, die ich lang schon vergeblich suche. Ich habe nur über sie gelesen. Die Frau, deren Namen ich auch vergessen habe, spielt die Orgel in der Kirche wie einen kleinen Klangkörper, lässt jedes Auffahren, den ganzen Dröhn- und Erhabenheitsmist, aussen vor, aber man hört, wie jemand den Kirchenboden wischt, Hundegebell draussen. Wenn mir jemand dieses Album besorgt, ich spiele es sofort in meiner Februarnacht …

 

MHQ: Mutieren die Manafonisten jetzt zu einer Klartraum-Gruppe? Du hast eine „Apotheke“ aufgemacht, de Bücher bereit gestellt, und mit Uli Koch einen weiteren Spezialisten fürs Thema ins Team geholt.

 

Michael: Nein, die meisten von uns haben andere Schwerpunkte. Ich weiss, dass Martina sich den Klassiker von LaBerge besorgt hat. Ich werde sicher den einen und anderen Klartraum haben, demnächst, und erzählen, denn eine neue Forschungsphase ist angebrochen, mit den Neurotransmittern und Nootropica. Am Anfang stehen aber immer ein gutes Einführungsbuch, das einfache Steigern der Traumerinnerung, und die klassischen Übungen. Viele denken, ja, das sei sicher mal ganz nett, und sehen nicht, dass sich durch einen einzigen guten Klartraum das Leben hinterher anders anfühlt. Es ein wenig verändert. Ingo würde ich es sehr empfehlen, er ahnt nicht mal, was er da für seine Filmprojekte an Inspiration rausholen kann. Und warum sollte Rosato nicht Lust haben, Erroll Garner zu sich zu rufen, und vierhändig mit ihm, bei vollem Bewusstsein, Klavier zu spielen. Small Talk incl. Das ist jetzt kein Witz: das macht der luzide Traum tatsächlich möglich. Man blockiert sich leicht selber mit falschen Einschätzungen. Genug der Promotion :)

 

MHQ: Welches wird die zweite interessante Neuveröffentlichung des Jahres?

 

Michael: Keine Ahnung, vielleicht The XX, ich liebe ihre zwei ersten Alben, das Soloalbum des Sängers langweilte mich dann auf Anhieb. Vielleicht The Flaming Lips, die ich evtl. In Berlin in Huxleys Neuer Welt erlebe, am 24. Januar. Das neue Album soll selbst bei harten Fans Verwirrung auslösen, klingt doch schon gut :) – und neue Soundtracks sind immer für Überraschungen gut. Was den Jazz betrifft, freue ich mich auf ein Duo aus Piano und Saxofon / Blassklarinette. Ein Lieblingsformat von mir. Das Album von Aki Takase und David Murray erscheint im Februar bei Intakt in Zürich. Ralph Towners Sologitarrenalbum kenne ich schon, wunderbar laid back, so tief entspannt wie einst J.J. Cale auf der Veranda. „My Foolish Heart“ kommt aber auch erst Anfang Februar bei ECM raus.

 

MHQ: Welchen Thriller liest du gerade?

 

Michael: Keinen. Ich muss mich erst noch von Stephen Dobyns grossartigem „Das Fest der Schlangen“ erholen. Im Frühjahr soll es ja ein neues Ray Davies-Album geben, „Americana“ – ich habe mir sein gleichnamiges Buch besorgt, und reise mit ihm jetzt vorwärts und rückwärts durch die Jahrzehnte seiner amerikanischen Träume, Traumen und Ernüchterungen. Ein bestürzend ehrliches Buch, ein genauer Chronist politischer Niedergänge, und zwischendurch Geschichten vom „Perfect Riff“. Kleiner Leserausch für den grössten Kinks-Fan der Manafonisten, neben Lajla, Gregor … (lacht) Ich muss los, die Sonne kommt, eine Stunde über den Berg gehen, slowly, slowly! Dick eingepackt mit Schal und Mütze.

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18 Comments

  1. Lajla:

    „Americana“ – sind Buch und CD von Ray Davies?

  2. Michael Engelbrecht:

    Das Buch ist von Ray Davies.

    Die CD soll genauso heissen, und im Frühjahr erscheinen.
    Es ist anrührend, die tausend Einsamkeiten des Ray Davies zu erleben, lesend. And, gosh, he has something to tell. No big mouth. Always low key, is that the word … low key?

  3. Michael Engelbrecht:

    Speaking of the perfect riff:

    https://m.youtube.com/watch?ebc=ANyPxKrwy4pywVFVOvT-JkQKu3BlEOkIomUKp_rWzuzezgavTDdsGJGInyy7VSTrfjSKcvC2tfsxBJv0XmVyOpjg0EwfcrZTVA&v=-2GmzyeeXnQ

    Copy and paste…

  4. Norbert Ennen:

    Apropos Orgel:

    Auch nicht mein Lieblinginstrument, ABER:

    Scott Walker’s Frühwerk
    Colosseum-Valantyne Suite
    Steve Reich-Four Organs

    sind Ausnahmen.

  5. Michael Engelbrecht:

    O ja, Norbert, diese Ausnahmen sind immer very special.

    Wie die Schallplatte, von der ich nahezu alles vergass …

  6. Michael Engelbrecht:

    Ich glaube gerade erinnert mich zum ersten jemand an VALANTYNE SUITE, ich hatte die Platte als Teenager,
    Aber ich kann mich täuschen, War das Stück auf DAUGHTER OF TIME?

  7. Norbert Ennen:

    VALENTYNE SUITE stammt von der Platte gleichen Titels.

    https://www.discogs.com/Colosseum-Valentyne-Suite/master/37488

  8. Michael:

    Genau, die beiden Platten hatte ich von der Band!

  9. Rosato:

    Orgelspielerin

    Worüber hast du gelesen? Klar, über sie
    sie, die Orgelspielerin?
    sie, die Platte?
    Hast du sie und sie gehört?

    Ich kenne nur eine relativ bekannte Orgelspielerin namens Almut Rößler, von der ich eine Platte besitze mit Orgelmusik von Messiaen. Ich werde sie die Tage anhören und auf Kirchenbodenwischen und Hundegebell achten.

  10. Michael Engelbrecht:

    Found it:

    „Solo organ works in modern music are extremely rare, and especially improvised performances, such as this one by Irish harpist Áine O’Dwyer. She was given access to the pipe organ in St Mark’s Church in Islington, UK, „while the cleaners were at work“, hence the title of the album.

    I am not an organ fan, I don’t like the pompous and dramatic multiphonic dynamics of it, of this first kind of acoustic synthesizer, the overpowering and religious connotations of the instrument, reminiscent of the so dreaded realm of falsehood, fakery and kitsch of childhood church experiences.

    Yet to O’Dwyer’s credit, she plays the instrument quietly, slowly and reverently, using the church’s space as an inspiration. The ambient sounds of the church, not only cleaners, but also visitors and children give the overall sound a special dimension, one that is not out there in the stratosphere and even higher heavens, but one that is close to earth, contrasting sharply with the surroundings.
    I like it a lot, despite my bias against the instrument.“

    (freejazzblog.org)

  11. Michael Engelbrecht:

    Ich glaube, das Album heisst MUSIC FOR CHURCH CLEANERS.

  12. Michael Engelbrecht:

    Die nachfolgende Orgelmusik hätte ich auch gerne gehört. Sie stammt aus einer (umgebauten) sog. Entweihten Kirche, in der ein Priester Suizid begangen hat. Aus einem Gespräch mit Brian Eno, 1990 …

    ME: … . I found it very interesting that when I read the liner notes to DISCREET MUSIC, it was really a similar story, because you told you tend to be not a performer, but someone who is surrounded by sounds. And it was a very analogic story to your early experiences …

    BE: Quite interesting. I never thought of that before. It’s true. Well there’s actually a very good connection, which I hadn’t realized before: For the last 15 or 20 years of his life, he was building an organ himself. And he built it in the house, he didn’t build it on a frame. He just would put the pipes on the ceiling and hang some more pipes over on that wall, and in the end, the whole organ was all around him. It had over 600 pipes (laughs). And when he died, they just broke it up, because they sold the house, when he died. It was a great shame. But he had made an organ that he could sit inside, actually, that’s what it was. It was all around him.

  13. Michael Engelbrecht:

    Viel lieber als die Vogelmusik von Olivier M. zu hören, würde ich deine Klartraumstory lesen über deine Begegnung mit Erroll Garner lesen, du könntest ihn ja am Meer treffen, und bitten, etwas aus CONCERT BY ThE SEA neu zu interpretieren.

    Hoppla, es gibt eine Reihe von Messiaen-Stücken, die von Vogelstimmen inspiriert sind. Eher für Piano als für die Orgel, glaube ich. Aber auch nichts für mich.

  14. Olaf:

    Finde ja die beiden veröffentlichten XX Stücke sehr vielversprechend und mag gerade deren etwas cheesigen Mainstreamradioappeal (den es ja auf den beiden ersten Alben so nicht gibt …).

    Mochte aber auch das Soloalbum sehr gerne. Anyway: von Eno abgesehen, die erste konkrete Veröffentlichung 2017, auf die ich mich freue.

  15. Michael Engelbrecht:

    Ich habe Wayne Coyne zweimal getroffen, und er ist ein richtig guter Typ.

    Die Konzerte der Flaming Lips in Köln und London waren Highlights. In den letzten Jahren sind sie workaholics geworden, und sowas wie Remakes a la Dark Side of the Moon höre ich mir nicht mal an. THE TERROR war bizarr, dunkel und verstörend. Und jetzt … ich bin gespannt. Ich bin ganz früh vor Ort, in HUXLEYS NEUER WELT, Hasenheide. Bei den Flaming Lips stehe ich gerne recht weit vorne!

    Gerne empfehle ich alle Jahre wieder eine packende Doku über die Band aus Oklahoma City. THE FEARLESS FREAKS.

    @ Olaf: die ersten zwei Alben von The XX waren inspiriert, auch von den Young Marble Giants. Unterkühltheit und „passion“, von Twentysomethings, mit den schwarzen Bässen, chapeau!

  16. radiohoerer:

    Hallo zusammen !

    Zum Thema Orgel ist mir das hier eingefallen. Sehr interessantes Projekt.
    http://spire.org.uk
    Dort spielen zeitgenössische Musiker auf der Orgel und anderen elektronischen Geräten.
    Sehr hörenwert !
    Und dazu auch noch eine Veröffentlichung:
    https://theeternalchord.bandcamp.com/album/spire-live-fundamentalis
    Und hier noch ein Mitschnitt von 2016 mit Illustrer Besetzung:
    Spire Ensemble: Fennesz, Philip Jack,Simon Scott, Charles Matthews & Claire M Singer.
    https://www.mixcloud.com/NTSRadio/organ-reframed-spire-14th-december-2016/
    Viel spass beim anhören !

  17. Michael Engelbrecht:

    Die Orgel ist ein weites Feld, ich bezog mich allein auf die Kirchenorgel. Ungefähr das Gegenteil ist die kleine, sogar beschädigte Mini-Orgel, die John Taylor auf Jan Garbareks PLACES spielt, lang, lang ist es her.

  18. Michael Engelbrecht:

    @ Rosato: falls du je einen luziden Traum hast, und Klavier spielen willst mit Erroll Garner … das Filmchen, bei dem er MISTY spielt, bringt dir sein Aussehen, seinen Habitus, seine Art zu spielen, bestens in Erinnerung, abrufbar nun für eine Überraschung in langen Traumphasen am frühen Morgen …


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