Das Gedächtnis ist faszinierend. Woher kenne ich dieses Gesicht? Nun lese ich, dass Kristin Scott Thomas mit Sechzig gern noch auf den Laufsteg geht. Hilft nichts: googeln! Aha, die zuletzt als markante Geheimdienstchefin in der fantastischen Fernsehserie Slow Horses auftretende britische Schauspielerin spielte schon Hauptrollen in honorigen Filmen wie Der Pferdeflüsterer, Der englische Patient und Vier Hochzeiten und ein Todesfall. Auch die YouTuberin, die in einem Video die Vorzüge des Gehens preist, meine ich zu kennen. Klar, vor Jahren sah ich eines über ihr Leben in einem Tiny House. Auch beim Musikhören geht es mir so: habe ich ein Album oder einen Song einmal gehört, wird er auch Jahre später als etwas Schon-Gehörtes wiedererkannt. Wenn ich mein eigenes Gehirn mein Zuhause nenne, dann kann ich meine eigene Geschichte erzählen, sie sogar variieren, ausschmücken oder in Teilen neu erzählen. Hier wird es interessant, denn wenn wir uns dem zuwenden, was Gustav Jung den Schatten nannte, gelangen wir auf Nebenpfade, verlassen die allzu festgetretenen und oft durch Narzissmus und Verdrängung (Amnesie) aufgehübschten Ich-Ideale und betreten Neuland. Für mich waren grosse Schriftsteller ebenso wie beeindruckende Philosophinnen immer solche, die auch in der Lage waren, Negatives zu explizieren. Schopenhauer, Cioran, Milan Kundera, John Steinbeck und aus jüngeren Tagen Sybille Berg. Mein in letzter Zeit maßgeblicher Leitpfaden kommt vom Arzt, Molekulargenetiker und Extremsportler Michael Nehls, der in seinen Büchern darauf hinweist, wie wichtig ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel ist und eine allgemein artgerechte Lebensweise, zu der natürlich Sport und Bewegung gehören – und das in jedem Alter. „Psychotherapie meinetwegen – aber nicht ohne Radsport“ war schon immer mein Credo, analog zu Emile Ciorans unvergesslichem „Das Nirvana ja, doch nur mit Kaffee!“