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Und wieder ist ein Stück Nachkriegs-Filmgeschichte von uns gegangen: Karin Baal, eine blonde Berliner-Wedding-Prollo-Schönheit mit immer etwas trotzig-maulig herabgezogenen Mundwinkeln. Allein wegen dieser Kellerkeim-Ausstrahlung fand ich den Titel „Deutsche Antwort auf Brigitte Bardot“ nie ganz passend, Bardot passte in jedes Glamourambiente, Baal war die Schönheit der zerbombten Strassen, Hinterhöfe und miefigen Treppenhäuser, denen sie auch entstammte. Bardot war nie „eine von uns“, Baal schaffte es in jedem Film, uns nahezukommen. Bardot konnte man anbeten, Baal und ihre Aura von Verlorenheit vermittelte uns immer das Gefühl, man könnte sich jederzeit prima zusammen mit ihr am Tresen ausheulen. Als „Halbstarke“ durfte sie Horst Buchholz küssen – was wir ihr damals nie verziehen haben. Man nannte sie auch „die Queen des deutschen Erbsuppenkinos“. Später spielte sie bei Fassbinder, Wenders, Hauff und Margarethe von Trotta. Die Liste der Filme und Fernsehsendungen ist umfangreich, trotz häufiger Einbrüche aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit, aus der sie nie ein Hehl machte. Eine zutiefst ehrliche Frau, die auch ihr Gesicht im Alter behalten wollte.

Die gebürtige Weddingerin starb am 26.11. mit 84 Jahren in ihrem geliebten Berlin. Tschö, Karin und mach et jut! Falls im Himmel gefilmt wird und man einen gefallenen Engel braucht, bist Du genau die Richtige!

 

This entry was posted on Dienstag, 3. Dezember 2024 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. You can leave a response here. Pinging is currently not allowed.

2 Comments

  1. Jochen:

    Ja, treffend beschrieben, Karin Baal war beeindruckend. Auf eine natürliche Art emanzipiert. Spielte sie nicht auch in Fassbinders „Acht Stunden sind kein Tag“?

    Die Serie hatte mich damals als Jugendlicher (mit Vierzehn) schwer beeindruckt: der menschliche Zusammenhalt unter „einfachen Leuten“ im Arbeitermilieu.

  2. Ursula Mayr:

    Nö, da war sie nicht dabei – nur die Gullaschy ;)

    Fassbinder hat dieses Milieu gern beschrieben, ohne es wirklich zu kennen, entstammte ja eher dem gehobenen Bildungsbürgertum und wurde auf diversen Internaten erzogen. Darum geriet ihm vieles zu artifiziell z.B. bei den Katzelmachern.

    Das ist ein Milieu – vor allem in dieser Generation – in dem man eher unter sich blieb, wenig offen war für alles Andersartige und schon aus diesem Grund Solidarisierungsbewegungen schwer in Gang zu setzen waren.

    Aus diesem Grund war er eher bei den intellektuellen Eliten beliebt und weniger bei denen, die er unter dem Mikroskop hatte, sich aber niemals wirklich mal drunter gemischt hätte und bei dem sie sich auch nicht wiederfinden konnten. Aber das ging ja allen so, die die proletarische Revolution voranbringen wollten.

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