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2024 27 Jul

Delicate Bitches

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags:  | 11 Comments

 
 

Under the Bridge gehört zu den TV-Serien, die durch eine ruhige Erzählart brillieren. Und deshalb freut es mich, doch noch hineingefunden zu haben nach anfänglichen Widerständen – im Gegensatz zu der vielgelobten Serie The Bear. Was bitteschön soll sehenswert sein an einer aufgeheizten Küchenatmosphäre, in der sich alle permanent anschreien? And so I dropped it with a kick. Nee – unter, über und rund um die Brücke läuft’s anders. Einige Teenies aus der amerikanischen Unterschicht wollen Mafia spielen, dabei kommt es zum Tod (unter der Brücke) eines Mädchens, deren Eltern indischer Abstammung zu den Zeugen Jehovas gehören. Die Tochter nimmt Reissaus aus dieser ebenso gottesfürchtigen wie lebensfeindlichen Welt (das eine schliesst das andere oftmals nicht aus, im Gegenteil). Doch ihre Buddy-Bitches erweisen sich als fataler Rettungsanker. Die Serie lehnt an einen Roman an, dessen Autorin in der Serie eine Frau spielt, die in ihr Heimatdorf zurückkehrt, um genau diesen Roman zu schreiben (the trick of the tail). Sie ist noch immer in lesbischer Liebe ihrer Jugendfreundin zugetan, die als Cop mit der Aufklärung des Todesfalls zu tun hat. Beide sind darin verwickelt. Die Spannung der Serie bleibt erträglich – umso besser, denn der Geist kann sich entspannt der Entwicklung von Handlung und Charakteren hingeben. Vielfach ruhige Bilder, Rückblenden, Gespräche, kein unnötiges Puschen mit Reiz-Effekten. Schöne Bilder: I love Amerika, but yet was never there. Jaja, die Drehorte, gern geht man auf televisionäre Reisen. Der Soundtrack ist so gut (beispielsweise auf der Schulabschlussfeier), dass man sich an alte Verliebtheiten zurückerinnert und dabei jeweils den Monoschalter auf Stereo stellt. Auch eine Art Switch (while watching the bitches): es leben die Kontraste.

 

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11 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Durchaus verdiente Schauspieler, wie es scheint.

    Und wie wirst Du mit der Gewalt fertig?

  2. Jochen:

    Erstaunlich gut, Uschi. Hier wird weniger die Gewalt selbst als vielmehr deren strukturelle Bedingungen dargestellt. Zentrales Thema dieser Serie ist nämlich, inwieweit diese (jugendliche) Straftäter nur bedingt schuldfähig sein lassen.

  3. Ursula Mayr:

    Ich habe mir gerade mal wieder Clockwork Orange angesehen – vertrage derartiges schlechter als früher, obwohl ich den Film für genial halte.

    Um die strukturellen Bedingungen von dergleichen musste ich mich früher als Therapeutin natürlich auch kümmern, vielleicht bin ich da jetzt weniger dazu bereit.

  4. Jochen:

    Verstehe. Stanley Kubick war ja damals Kult – erst Clockwork Orange, dann Barry Lyndon

    Diese Serien haben eine Feinzeichnung der Charaktere, die Filme (zeitlich) nicht leisten können.

    Bestenfalls sickert man ein in den Stoff … und ist dann happy: der berüchtigte Flow.

  5. Ursula Mayr:

    Das heisst „angefixt!“

  6. Jochen:

    The bingewatcher’s high ;)

  7. Olaf Westfeld:

    Was könnte sehenswerter sein als eine aufgeheizte Küchenatmosphäre, in der sich alle permanent anschreien? Nur gut, dass Du bei The Bear nicht bis zur Weihnachtsfolge gekommen bist, dagegen sind die Folgen davor wie Ringelpiez mit Anfassen.

    Ein Hoch also auf die unterschiedlichen bingewatcher‘s Höhenflüge und Flows.

  8. Ursula Mayr:

    Man sickert ein … schöne Formulierung. Ich dachte immer, es ist umgekehrt.

  9. Jochen:

    Nun habe ich auch die letzten zwei Folgen gesehen. Ich wollte darüber schreiben, solange ich noch mittendrin bin, bevor das Vergessen wieder drüber wischt. Die Serie geht doch weit tiefer, als ich das im Text zeigen konnte. Zwei Qualitätsmerkmale zeigen sich immer wieder: die Anlehnung an wahre Begebenheiten und an Romanvorlagen. Hier kommt beides zusammen.

    Zudem interessiert mich das Thema transgenerativer Traumata seit längerem. Tiefes Verständnis, sogar zwischen Täter und Opfer sind möglich, wenn die fatale Wiederholungskette bewusst wird und das Trauma aufgelöst wird. Verzeihen geschieht dann ganz leicht, fast schon nebensächlich.

  10. Ursula Mayr:

    Ja, muss denn unbedingt verziehen werden?

  11. Jochen:

    Nein, definitiv nicht!

    (es geschieht von selbst, die Vorwürfe lösen sich auf, man ist nach vorne orientiert …)


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