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2024 8 Juni

Das Fremde ist vor allem bunt … oder so …

von: Ursula Mayr Filed under: Blog | TB | 15 Comments

 

1950!

Die Trümmer waren verräumt, der Hungerwinter von 1946 durchgestanden, die Währung stabilisiert, das Grundgesetz festgeklopft und das gestrauchelte Kind Deutschland (ein Euphemismus, ich weiss, aber so sah man sich damals) begann mithilfe der amerikanischen Militärregierung wieder auf eigenen Beinen zu stehen und die Wirtschaft und Infrastruktur zu stabilisieren. Man konnte sich wieder sattessen. Erst kommt das Fressen und dann … Wünsche begannen wie Luftblasen an die Oberfläche zu steigen – ein bisschen Schönheit, Sonne, Abenteuer, Erotik, Romantik und vor allem Freiheit und Mobilität, ein bisschen schamhaft, aber neugierig mal über den Zaun peilen. Aber wie erfüllbar, wenn die umgebenden Länder jahrelang als Feindes – und Besatzungsland umdefiniert waren und deren Bevölkerung als minderwertige Rassen – und man dort ohnehin persona non grata war?

Das braucht eine grössere Portion an mindchanging, um wieder angstfrei ein Bein auf fremden Boden setzen zu können, ein bisschen Schönfärberei, ein bisschen Exotisieren, den einen oder anderen Euphemismus, ein bisschen Stereotypisieren und schon stellt sich der Sehnsuchtsmodus ein und die Fliehkräfte siegen über die Kohäsion – aber gleichzeitig und heimtückischerweise gebiert das eine wiederum distanzschaffende Abwehroperation: Wir wollen uns unsere Bilder vom Fremden selbst machen und nicht vom wirklich Fremden überrannt werden, wir wollen zumindest die Deutungshoheit behalten über das, was vor kurzem noch verpönt war. Zigeunerinnen galten als fragwürdig, aber schön und sexy, Indianer leben im Feindesland, aber sind, keine Sorge, gutaussehend und von edler Gesinnung – eine Art geistige Kolonisierung fremder Länder durch ein Volk, das immer noch genau bestimmen wollte, wie die Welt zu sein hat und sie sich nach seinem Bilde schuf und Bedingungen stellte, um sie wieder für sich begehbar zu machen. Und Hulamädchen sind prima – Erotik hilft immer bei dergleichen Umformungen, das ist ein prima Gleitmittel.

 
 

 
 

 
 

 
 

 
 

 
 

 
 

Jedenfalls kriegte man damals fast Augenkrebs bei soviel Alibibuntheit.

Und bei Karl May, der in diesen Jahren filmisch reüssierte, reiste der schwer deutschtümelnde Old Shatterhand zu den Indianern, um alles auszumerzen, was nicht seinen teutonischen Idealen entsprach – eine Old-Shatterhand-look- alike-Neukolonisation sozusagen, da gings dann schon wieder los mit der wohltönenden Weltverbesserung und dem ganzen Mief. Und nur der nahezu perfekte und ihm am ähnlichste Winnetou wurde von ihm adoptiert, der hatte ja auch einen deutschen Lehrer – ebenso wie Old Shatterhand aus Sachsen stammend – da fremdelts sich gleich viel weniger und sogar die Indigenen konnten jetzt mit einem weiteren Sachsen persönlich wachsen und am deutschen Wesen genesen – als ob sie vorher krank gewesen wären. Ob das ganze dann als pädagogisch wertvoll gesehen werden kann, möge jeder selbst für sich entscheiden – über die massiv-unterschwelligen homoerotischen Sexual-Messages hat sich ja Arno Schmidt bereits ausgelassen, eines der amüsantesten Bücher die ich je gelesen habe. Hitler war jedenfalls bekennender Karl-May-Fan. Friedrich Wilhelm auch. Wen wunderts?

 
 

 
 

Und wieder formte man sich die Welt nach seinem Bilde …

Warum erinnert mich die diesjährige gutgemeinte Biennale (Foreigners everywhere) hier jetzt bloss an diese Zeit? Übertreib ich mal wieder? Wäre ja eine meiner besten Eigenschaften …

 
 

 
 

 
 

 
 

 

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15 Comments

  1. Jörg R.:

    Ach, Nscho – Tschi! 💔

  2. Ursula Mayr:

    Gesundheit!

  3. Ursula Mayr:

    Nix Nscho – Tschi, das sind Ribanna und Winnetou vorm Christbaum. Tschuldigung wegen der Curser im Bild, mach ich morgen weg. Heute nicht so mein Tag.

  4. Anonymous:

    Diese „Buntheit“, die Dich stört, wurde aber von den Künstlern selbst so gestaltet.

  5. Ursula Mayr:

    Umso schlimmer!

    Nein, es gibt auch genug andere Exponate, aber trotzdem hat mich diese Buntheit zuerst erschlagen. Das Fremde ist nicht bunt, es ist zunächst einfach einmal – fremd. Das können wir dann schwarz anpinseln – ein verbreiteter Modus. Wir können es rosa anpinseln und herumtönen, dass Deutschland bunt ist und das ganz klasse ist – dann wird die Enttäuschung gross sein, wenn der Lack der fröhlichen Farbigkeit abplatzt, weils so einfach halt doch nicht ist. Zu schnelle Umarmungen und Bewerfen mit Stofftieren schlagen oft ins Gegenteil um. Damit ist niemandem gedient.

  6. SmallHans70:

    s.2015 Bananen am Bahnhof verteilen !

  7. Ursula Mayr:

    Ist ja auch nix dagegen zu sagen, wenn man diese geplagten Menschen freundlich begrüsst. Aber mich macht das immer misstrauisch – dieser Überschwang … da erkenn ich zu deutlich das Bedürfnis nach Event und kollektiven Gefühlsräuschen.

    War genauso mit Lady Di – hat vor ihrem tragischen Tod eigentlich niemand besonders gekratzt, danach war der grösste Teil der westlichen Welt am Heulen und der Buckinghampalace verschwand unter einem Blumenmeer.

  8. SmallHans70:

    Ja klar ist ein freundlicher Empfang gut; noch besser und pragmatischer wäre ein persönlicher Begleiter für jeweils 5 Personen durch den deutschen Behörden Dschungel gewesen. Aber das ist wohl zu Deutsch!

    … und nicht zu vergessen zur Lady Di!! Das ewige Gejammere von Chris de Burgh mit Candle in the wind! Vorsichtshalber habe ich immer ein paar Handtücher vorm Fernseher gelegt, um die rauslaufenden Tränen aufzufangen, falls ich nicht rechtzeitig umschalten konnte.

  9. Anonymous:

    Korrektur:

    Elton John war gemeint!

  10. Ursula Mayr:

    Schon klar!

  11. Ursula Mayr:

    Zu kollektiven Gefühlsräuschen demnächst mehr. Auch so ein Produkt der 60er – wenn ich da so an die Beatles-Konzerte denke.

  12. Jochen:

    Heisst ja auch „Beatlemania“.

  13. Ursula Mayr:

    Warn Film, oder?

  14. Jochen:

    Nein, die damalige Beatles-Euphorie wurde so genannt.

    Nicht nur die Sonne ist Zeuge – auch Wikipedia.

  15. Ursula Mayr:

    Ach, Alain Delon … seufz!


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