Barbie ist bereits streambar – also gestern pflichtschuldigst reingeguckt, während der Rest der Familie bei Erwähnung des Titels vorsorglich in alle Richtungen der Windrose auseinanderstob.
Man kann dem Film viel vorwerfen – das eine ist die schlechte Aussteuerung zwischen Ton und pushender Filmmusik – aber blöd ist er nicht. Er ist allerdings auch nicht überbordend intelligent; was besticht, ist seine spielerische Leichtigkeit, mit der er fröhlich die Genres und ihre Versatzstücke durcheinanderquirlt: Ein bisschen Teletubbies, ein bisschen Hollywood-Sentiment, ein bisschen Disney-Pädagogikschwurbel, etwas Schöne Neue Welt, ein Schuss Thelma und Louise sowie eine Prise BRIGITTE-Beratungstante, die mittels oft gehörter Platitüden erklärt, wie man ein geglücktes Frauenleben hinbekommt und dass es im Leben nicht nur um Schönheit geht. Meistens bekommt man dergleichen von Leuten gepredigt, die selbst auch nach einer durchzechten Nacht noch hinreissend aussehen und als einzige Schönheitspflege klares Wasser und viel Schlaf brauchen oder das zumindest behaupten. Wieviele Chirurgen sich an ihnen die Skalpelle stumpfgesäbelt haben, erfährt man ja nicht.
So auch hier.
Diese Mixtur verhindert schon Langeweile, wobei sich einige Szenerien und Musiknummern schon in die Länge ziehen in der Hoffnung, dass jetzt auch der Letzte die message kapiert hat.
Es beginnt recht vielversprechend mit einem Zitat aus 2001 – Odyssee im Weltraum, unter den Klängen der Zarathustra-Fanfare, die auch später noch oft bemüht wird, entsteigt Barbie schaumgeboren dem Nirgendwo, während kleine Mädchen ihre langweiligen Babypuppen an Felsen zerschmettern wie weiland die Affen die in Kubricks Epos mit Knochen herumhauen. Das hat was; hier ist zumindest eine Cineastin am Werk die ihre Hausaufgaben gemacht hat. Leider hält der Film diese erfreuliche Ebene nicht lange durch.
Barbie lebt also mit anderen Barbies in einer Art rosafarbenem Legoland, in dem das Matriarchat herrscht und alle permanent Spass haben, auch die Kens, auf eine Buddy-Funktion reduziert und von führenden Ämtern natürlich ausgeschlossen wie sich das im Matriarchat so gehört.
Barbieland ist infantil-narzisstisch strukturiert und frei von oralen, analen und sexuellen Trieben, Püppchen brauchen nichts zu essen und haben keine Genitalien, da fallen schon Konfliktpotentiale weg. Wozu dann ein „Oberster Gerichtshof “ benötigt wird, erschliesst sich nicht so ganz, schliesslich passiert ja nie was.
Der Rest ist rasch erzählt: Die Realität des Menschseins erreicht Barbieland so, wie das Nichts in der unendlichen Geschichte das Land Phantasien bedroht, und Barbie sieht sich gezwungen in die Welt der Menschen zu reisen und ihre frühere Besitzerin zu finden – hier ist es besser sich nicht mit logischen Erwägungen aufzuhalten; das ist genauso müssig wie nachvollziehen zu wollen, warum der Terminator in die Vergangenheit reisen muss, um jemand umzubringen – um zu verhindern, dass dieser bzw diese nachher einen anderen Jemand zeugt oder zur Welt bringt, der sodann in der Zukunft … äh … dings … wurscht! Jedenfalls ist diese Reise halt bitter notwendig. Permanente Hinterfragerei stört den Filmgenuss, hab ich mir schon lang abgewöhnt …!
Also sie reist halt in die Menschenwelt mit Ken, der sich noch in ihren Kofferraum geschmuggelt hat. Dort herrscht natürlich das entfesselte Patriarchat, was wiederum Ken gut gefällt, der sofort zurück nach Barbieland reist, um mit den anderen Kens dort ein solches zu etablieren. Mann entwickelt also Testosteron und die Barbielandbarbies werden einer Gehirnwäsche unterzogen – dieses Motiv wurde wiederum aus The Stepford Wives geklaut – und ertragen das brav. Zum Ende wird Barbie zurückkehren und die alten Verhältnisse wieder herstellen, selbst aber lieber in der Welt der Menschen leben wollen, wo es so etwas wie Gefühle, Beziehungen und einen Körper gibt und die Kens begeben sich auf die Suche nach ihrer eigentlichen Identität und Aufgabe und wollen nicht länger ausschliesslich in Konjunktion mit Barbie ihre Existenzberechtigung finden. Emannzipation.
Greta Gerwig war bisher bekannt für Coming-of-age-Filme, hier hätte sie noch ein Betätigungsfeld gehabt, leider erfährt man nichts mehr darüber wie sich die Kerle entwickelt haben.Und leider kann sich der Film nicht so ganz entschliessen, was er sein möchte:
Natürlich erstmal die Cashcow von Mattel – der Konzern ist Coproduzent, karikiert sich selbst und seine CEOs recht witzig im plot (entlang der Darstellungsweise der modern world in Tati’s Playtime ); der Aktienkurs ist zumindest seit dem Rollout des Films und des ganzen Merchandisings um ca 20% angestiegen. Es gibt übrigens jetzt auch Quoten-Barbies zu erwerben: Eine Schwarze, eine im Rollstuhl und eine Curvy-Barbie mit Konfektionsgrösse 36 anstatt wie sonst 34. Wenn das mal kein Fortschritt ist …
Im Film gibts noch ne ganz Dicke und die „komische Barbie“, eine Art Schamanin, die in einer Örtlichkeit wohn, die Böcklins Toteninsel ähnelt, auch ein netter sidekick. Selbst die sehen auch noch im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut aus, by the way.
Sentimentale Filme haben oft wohltuende ironische Brechungen. Barbie ist ein ironischer Film mit sentimentalen Brechungen, die man sich hätte ersparen können, dann wäre der Film um einiges pfiffiger:
Barbie zu einer alten Dame auf der Parkbank: Sie sind wunderschön!
Die alte Dame entgegnet gerührt: Ich weiss! Man entdeckt wahre menschliche Schönheit.
(Schluchz!)
Oft gestellte Frage: Ist Barbie feministisch?
Einfache Antwort: Ein Film in dem alle Frauen auch nach dem Abschminken immer noch phantastisch aussehen, ist schon per se nicht feministisch. Ein Film, in dem auf Teufelin komm raus ständig über Schönheit gequatscht werden muss, auch nicht.
Der im Film dargestellte Feminismus ist ein Barbiefeminismus: „Du kannst werden was Du willst!“, als neuer Schlachtruf, als gäbe es keine äusseren und inneren Begrenzungen in der Realität. Das glitzert auch bei wohlwollendster Betrachtung doch etwas arg rosa.
Am Ende folgt Barbie den Spuren des Wilden aus Brave New World, der in einer permanent narkotisierten Umwelt ein menschliches Leben mit echten Gefühlen und einem echten Körper anstrebt. Mit dem Unterschied dass der Wilde sich erhängt und Barbie zum Gynäkologen will. Was immer der dann auch tun soll …
Der Film lebt vom Wortwitz, Situationskomik und einer Hauptdarstellerin mit hinreichend Talent zum Komischen, über weite Strecken trägt sie den Film allein neben einem etwas schaumgebremst wirkenden Ryan Gosling, für den Komödien ab einem gewissen Winkel an Schrägheit nicht mehr das richtige Metier sind. Da wirkt er mehr wie Hans Pfeiffer mit 3 „f “ !
Also 2 Std. recht gut unterhalten und viel gekichert.
Ebenso oft gestellte Frage: Ist Barbie ein Spiegel unserer schönheitstrunkenen Spassgesellschaft?
Man hats versucht – und wenn man sich die moralisierenden Tendenzen erspart hätte, wäre es eine leicht-lockere Persiflage auf selbige geworden, gerade in ihrem Auf-die-Spitze treiben. Natürlich erzählt er etwas über Geschlechterspezifität – unabhängig von der Erziehung: Ich kenne kein Mädchen, das Barbie nicht mag und keinen Jungen, der Barbie mag. Nicht mal Ken. Unabhängig vom Erziehungsstil.
Er erzählt etwas über Schönheitswahn – und wer glaubt, dass dies ein Phänomen unserer Zeit ist, irrt sich. In meiner Sammlung von Mädchenbüchern ab 1900 tummeln sich auf dem Cover die gleichen elfenhaften Geschöpfe mit wallendem Haar. Damals gabs Korsetts, später hat frau die Magersucht erfunden und die Medizin die Schönheitsoperationen, das ist das einzig Neue dran. Und wie sahen sie Königstöchter in den Märchen unserer Kindheit aus? Etwa stämmig, mit Sommersprossen und brauner Stoppelfrisur??
Die im Film dargestellten Gesellschaftsformen erzählen auch von der Infantilisierung der Welt (oder war sie schon immer infantil?), den politischen Auseinandersetzungen, die den Spuren von Sandkastenkriegen folgen und den Racheaktionen von kränkbaren Personen, denen man das Sandeimerchen weggenommen hat oder die zumindest meinen, es wäre ihres gewesen, das sich ein anderer angeeignet hat und es um jeden Preis wieder zurückhaben wollen. Und Jahre damit verbringen, am gleichen Eimerchen zu zerren. In der Realität siehts halt leider ganz anders aus als auf dem Spielplatz – die ausagierten Affekte dürften die gleichen sein.
Somit hat Barbie durchaus einen Wiedererkennungswert.
Wünschen wir ihr das Beste beim Leben auf diesem durchgeknallten Planeten. Ansonsten kann sie – im Gegensatz zu uns – ja wieder zurück.