Ich hatte zwar überlegt, über mein Erlebnis auf einer finnischen Sommerbühne zu berichten, allerdings war der Plan meiner Trägheit zum Opfer gefallen, bis ich Lajlas feinen Text über die musikverrückten Finnen und ihre Festivals gelesen habe. Da ziehe ich doch gerne nach: Im Juli hatte ich zum zweiten Mal die Gelegenheit, dass Odysseus Festival auf der Insel Lonna in der Bucht vor Helsinki an zwei von drei Tagen zu besuchen.
Lonna ist klein – ich vermute, man würde keine 10 Minuten brauchen, sie zu umrunden. Darauf befinden sich mehrere Gebäude, in denen ein Café, ein Restaurant, natürlich ein Saunabereich und eben eine Art Veranstaltungszentrum untergebracht sind. Zwei rote Backsteingebäude (mit jeweils einer Bühne) stehen parallel zueinander, zwischen Ihnen waren eine Bühne und ein Barbereich aufgebaut. Auf dieser Bühne ist es sicher nicht ganz leicht zu spielen, die Musiker sind dem kühlen Ostseewind ungeschützt ausgesetzt. Für die Zuschauer ist es magisch, einen freien Blick auf das Wasser zu haben. Es kommt dann auch zu skurrilen Situationen: So war das Ronald Langestraat Trio (Barroom Jazz from Outer Space) irritiert, als plötzlich und unvermittelt der Großteil des Publikums die Mobiltelefone zückte, um einen Dreimaster zu fotografieren, der gerade hinter ihnen segelte. Es gab noch eine ganz kleine Spielstätte, auf der ich eine Formation namens „Phardah“hörte, die Musik von Pharoah Sanders sehr beseelt und virtuos interpretierten.
In den Seitengebäuden herrschte eine intime Atmosphäre. Am Samstag sah ich zunächst Teppo Mäkynen (einen meiner Lieblingsmusiker) und Petter Eldh als „Eldhrok“ gut gelaunt Jazz, Hip-Hop und elektronische Musik verschmelzen, am Ende des Abends verzauberten Jeremiah Chiu und Marta Sofia Honer mit einem analogen Synthesizer, einer Geige und Feldaufnahmen ihr Publikum. Am Sonntag spielte Petter Eldh in einem der Seitengebäuden als „Post Koma“ noch ein Solokonzert, dass ich deutlich besser fand als electronic pioneer Carl Stone, doch nicht ganz so gut wie die zähflüssigen und überwältigenden Klangtexturen von Fennesz.
Auf der großen Bühne haben mich drei Konzerte begeistert: am Samstag Abend brannte die Marthe Lea Band – Entschuldigung – ein Feuerwerk aus Free Jazz und Nordischer Folklore ab. Sehr hohes Energielevel, unglaubliches Konzert. Deren Schallplatten waren hinterher leider ausverkauft, ich muss mir irgendwie eine aus Norwegen bestellen oder von F. mitbringen lassen. Am Sonntag war das Valteri Laurell Nonett der perfekte Start in meinem Tag. Die Musiker erzählten sich gegenseitig Geschichten, hielten Dialoge, spielten sich die Bälle zu. Rebirth Of The Cool. Es war eine Freude, genauso wie der Gig von Linda Fredriksson, die mit einem Program aus ihrem ja auch hier geschätztem Album Juniper das Festival beenden durfte.