Von Hamburg-Neugraben bis Buchholz-Steinbeck sind es nur rund 25 km auf dem Heidschnuckenweg, aber die hatten es gestern in sich. In der Fischbeker Heide schlängelt sich der Weg immer wieder von links nach rechts und zurück, das Höhenprofil ist leicht wellig. Nach dem Segelflugplatz wandern wir geradeaus auf der Grenze zwischen Hamburg und Niedersachsen, allerdings geht es nun in die Vertikale immer wieder recht steil rauf und runter, über Stock und Stein auf einem von Baumwurzeln übersäten Weg. Wir kommen ins Schwitzen. Ein etwa gleichaltes Paar kreuzt dauernd unseren Weg. Erst machen sie Rast auf einer Bank in Tempelberg, wir kommen vorüber und grüßen mit „Moin“, sie zurück, dann pausieren wir im Mischwald, sie gehen vorbei etc. Im Wald treffen wir auf drei Generationen einer ukrainischen Familie. Großvater und -mutter mit Tochter und Söhnchen. Die Großmutter hat einen Korb mit Pilzen. Reizker und Maronenpilze (mit Lamellen). Sie spricht gut deutsch, kennt die Pilznamen auf deutsch. Wir gucken beeindruckt in den Korb, was dem kleinen Jungen gar nicht gefällt, er fürchtet, dass wir die Pilze wegnehmen und insistiert, dass es ihre Pilze sind, er scheint verängstigt, guckt mich mit großen Kinderaugen an, ich muss daran denken, wo sein Vater wohl jetzt gerade ist. Später kommt aus einem anderen Waldstück ein mittelalter Mann, die Hände voller Pilze, mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen. C. fragt, ob es Steinpilze sind, er bejaht.
Mittagspause auf einer Bank mit Blick auf den Fernmeldeturm Langenrehm, der Wiesenweg zieht sich langsam links von uns den leichten Hang hinauf. Während unserer Rast kommen mehrere Wanderer vorbei. In Langenrehm ist Halbzeit, wir haben etwa 12,5 km hinter uns gebracht. Die zwei Liter Wasservorrat sind erschöpft. Unser Wasserverbrauch enorm, bei sommerlichen Temperaturen um die 25 Grad und viel Auf und Ab eigentlich nicht so erstaunlich. Mitten im Weiler der ausgedehnte Reiterhof der Familie Lücking, eine Art Abenteuerspielplatz für Kinder mit zwei echten Dampfloks, einem krokodilartigen Holzstamm etc. Wir treffen ein paar Kinder an, die uns in Richtung Reithalle weisen. Dort ist niemand während der Siestazeit. Wir sehen einen Gärtner, der uns den Weg zur Hauswand mit dem Wasserhahn unter dem metallenen Tornister weist. Dadrüber steht „Durstlöscher für Wanderer“.
Am Wegesrand treffen wir zweimal auf als Schutzhütten eingerichtete Bauwagen. Drinnen sieht es gemütlich aus, das Getränkeangebot ist vielfältig.
Am Wegesrand immer wieder Findlinge, meterhohe Steine vom Sand glattpoliert während des Schmelzens der Gletscher in der vorletzten Eiszeit. Das eindrucksvollste Exemplar der nach Karl dem Großen benannte Karlstein in den Schwarzen Bergen vor Rosengarten. Ein rund zwei Meter hoher und noch etwas breiterer Stein mit einigen Furchen, er erinnert etwas an ein Gehirn.
Im Wald kreuzt ein Prachtexemplar von Hirschkäfer unseren Weg. Während wir heute gut 10% der Länge des Heidschnuckenweges durchschreiten, schafft er es in Nullkommanichts den Weg einmal zu queren.
Vor Nenndorf ein infernalisches Tosen, vor uns die A261, unter der wir durchgehen. Danach sogar noch ein Stück, wo sie parallel zum Weg verläuft, kurz vor Dibbersen dann noch neben dem Autobahnzubringer – die Brombeeren am Rande mehr als reif – und dann über die A1, das war es dann heute erstmal mit dem Autobahnlärm. Wobei wir anschließend noch an einer Kiesgrube vorbeikommen, wo reger Lkw-Verkehr herrscht und die Landschaft völlig zerschnitten ist.
Im Wald vor Buchholz-Steinbeck, unserem Etappenziel, treffen wir auf einen Mann mit zwei Hunden, mit dem wir ins Gespräch kommen. Der eine Hund, der aussieht wie ein stämmiger Irischer Wolfshund stellt sich als altdeutscher Hütehund heraus, er braucht gerade eine Pause, legt sich hin, ein eher phlegmatischer Zeitgenosse, der uns an die Berner Sennenhündin erinnert, mit der wir regelmäßig Gassi gehen. Der zweite Hund ein aufgedrehter schwarzer Zwergpudel, der mich sofort adoptiert, sich hochstellt gegen mein Bein und Streicheleinheiten verlangt. Anschließend umtänzelt er den massigen Hütehund und schleckt sein Gesicht ab. Immer wieder schön zu sehen, Zärtlichkeit zwischen Tieren bzw. das, was wir dafür halten.
Gegen Ende werden die schweren Beine wieder etwas leichter, die zusammengeschrumpften Schritte wieder etwas länger, das vor uns liegende Ziel weckt noch einmal letzte schlummernde Kräfte. Insgesamt eine sehr abwechslungsreiche Etappe, ich ärgere mich etwas den Weg, was die vielen vertikalen Amplituden angeht, unterschätzt zu haben, die Wanderstöcke hätten uns gut unterstützen können. Beide Kniee schmerzen jetzt etwas, ich benötige auf jeden Fall noch eine zweite Bandage. Die beiden Stürze am ersten Tag wie meistens harmlos auf weichem Boden und perfekt wie ein Judoka abgefedert. ;-)