Finnen von Sinnen
(Eilenberger)
Musikverrückt sind sie sicher. Erst Ende des 19. Jahrhunderts haben die Finnen die Anerkennung ihrer schwierigen Sprache erhalten, davor ging nur Schwedisch. Und wenn die These stimmt, dass der Mensch erst durch die Sprache zu singen begann, dann können sie ihrem intellektuellen Nationalhelden, Johan Vilhelm Snellman wirklich dankbar sein. Dieser Philosoph, ein Hegelianer, machte sich im 19. Jahrhundert viele Gedanken über die finnische Persönlichkeit und deren Nationalcharakter. Seine These war: nur mit einer gemeinsamen Sprache lässt sich etwas bewirken. Als Finnisch Amtssprache wurde, änderten einige ihren schwedischen Namen ins Finnische. Für mich ist das Schwedische, jetzt als Zweitsprache, eine große Hilfe in der öffentlichen Logistik.
Im Sommer ist Finnland für Musikliebhaber sehr attraktiv. Natürlich ist Janne Sibelius all around. Aber dieses Mal achtete ich auf andere Musikii. Im traditionsreichen Café Kappeli sitze ich immer gerne. Ihm gegenüber ist eine Bühne aufgebaut, auf der gerade das ESPANLAVA Festival läuft. Das ist ein von Kulturleuten organisiertes Jazzfestival mit hochkarätigen Jazzmusikern. Der Eintritt ist frei. Als ich vorbeikam, spielte gerade der finnische Bassist Jukka Havistoo. Ein großes Talent. Ich blieb auf den musikalischen Stühlen sitzen.
Ich besuchte Rauma, eine kleine Stadt im SW von Finnland. Aufgrund ihrer toll erhaltenen Holzhäuser wurde sie ins Weltkulturerbe aufgenommen. Jedes Jahr im August gibt es hier das FEEL GOOD BLUESFESTIVAL. Es ist eines der größten Festivals in Finnland. Hier hatten große Musiker bereits ihren Auftritt: Canned Heat, John Sebastian, Erja Lyptinen, die Finnin ist auch dieses Jahr wieder on stage. Aktuell spielen außerdem Robert Finley und die große Blueslady Nora Jean Wallace.
90 km nach Norden liegt die Jazzhauptstadt PORI. Im Juli findet dort seit 1966 eins der am besten bekannten Jazzfestivals statt. Es dauert mehrere Tage, der Eintritt zu den über die Stadt verteilten Konzerte ist frei. Über eine Fussgängerbrücke gelangt man vom Zentrum zur Hauptbühne, die auf der “Jazzinsel” Kirjurinluoto liegt. In den vielen zurück liegenden Augustii trafen sich hier die Maestros of the Music: B.B. King, Miles Davis, Carla Bley, Oscar Peterson, Terve Rypdal, Herbie Handcock. Auf dem Catwalk erlesenster Jazzmusik durften dann auch Nonjazzer auftreten: Björn, Nora Jones und in diesem Sommer Robbie Williams.
In dem herrlichen Jazzcafé Pori hatte ich in einer Zeitschrift geblättert und aus GUITAR diese Noten abfotografiert. Monatlich erscheint dieses Heft und monatlich werden 3 Gitarrenstücke zum Nachspielen veröffentlicht. Ich wählte den Song “You never give me your Money“ von den Beatles aus, weil John Lennon lays down some funky rhythm guitar … . Das letzte Foto widme ich Robert Robertson. Ich fand es in einer Biografie über Levon Helm. Die beiden waren wie Zwillinge, heißt es da.
Wenn man in Finnland Gelegenheit hat, fernzusehen, dann fallen die vielen Musiksendungen auf. Hunderte Finnen sitzen irgendwo zusammen und singen “all sång”. Die Energie dieses Rudelsingens springt ja geradezu über aus dem Bildschirm, wie damals die Flying Toasters im Störprogramm.