Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2023 6 Aug

Breaking the Waves

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 8 Comments

„Die Beseitigung des Egos in den Äußeren Hebriden“. – Rings a bell? Kleiner Tipp: Es ist mehr als acht Jahre her und hat mit dem Blog zu tun. Tatsächlich war es ein Arbeitstitel oder schon der Titel unseres einst geplanten Buches der Manafonisten. Ein Projekt, das die damalige Crew ein paar Wochen oder Monate begeistert hat, bis  es von der Tagesordnung verschwand. Über das Stichwort „Hebriden“ in der Suchfunktion habe ich Teil 2 und Teil 3 einer organisatorischen Mail vom Juni 2015 gefunden. Die Äußeren Hebriden liegen im Nordwesten Schottlands. Ein Gespür für diese Region vermittels Lars von Triers Film „Breaking the Waves“: Gras, Wind und Meer bilden die Koordinaten einer archaischen Landschaft und  eine ziemlich frische Brise kommt hinzu. Der Untergang der jungen, frisch verheirateten Bess Anfang der 70er Jahre wird in sieben Kapiteln und einem Epilog erzählt, die jeweils mit einem Kapitelbild eingeleitet und einem Rocksong der sechziger und siebziger Jahre untermalt werden. Das sind die Songs (im Film werden sie nur jeweils etwa eine Minute angespielt):

 

Mott The Hoople: All the Way to Memphis
Python Lee Jackson: In a Broken Dream
Jethro Tull: : Cross Eyed Mary
Procol Harum: A Whiter Shade of Pale
Leonard Cohen: Suzanne
Elton John: Goodbye, Yellow Brick Road
Deep Purple: Child in Time
David Bowie: Life on Mars

 

This entry was posted on Sonntag, 6. August 2023 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

8 Comments

  1. Olaf Westfeld:

    Dunkel erinnere ich mich – damals ja nur Mitlesender dieses Blogs – an das Projekt, fand das schlüssig und gut.
    Bevor ich (fast) nur noch tendenziell leicht schmonzettige Filme und Serien geschaut habe, hatte ich eine andere Phase. Da bin ich zum Beispiel in die Lars von Trier Filme ins Kino gegangen, u.a. auch in Breaking The Waves. Großer Film, noch einmal möchte ich den aber nicht sehen. Sehr gut gefallen hatte mir damals auch „Geister“, die Krankenhausserie von Lars von Trier – gibt es dazu nicht sogar ein Remake oder eine Fortsetzung oder so? Muss ich gleich mal googeln…

  2. Lajla:

    2016 versuchten Michael und ich nach Barra ( Äußere Hebriden) zu fliegen. Michael blieb noch mit Ian, ich war mutig genug, den Anflug auf den gefährlichsten Flughafen zu wagen.

    Hier der Link zum Erinnern kopiert:

    „Sie ging die Nicolsonstreet entlang, im Ohr palästinensische Musik. Shana Moussa sang Reminiszenzen aus einer freien Lebenszeit, Hosam Hayek spielte auf seiner Oud: Stranger in my homeland. Wie immer versetzte sie sich Vorort in andere Welten, schottische Pfeifen hätte sie jetzt garnicht ausgehalten. Unter dem Arm trug sie die gewichtige Biografie von Ray Davies, yeah: A complicated Life. Sie hatte sich das Buch in der Edinburgh City Library ausgeliehen. Sie würde es mit auf Barra nehmen. Mit diesen 754 Seiten wäre sie für endlose Regentage gewappnet. Sorge machte ihr das Gewicht des Buches. In die Twin Otter durften nur 6 Kilo mitgenommen werden. Sie hatte noch die Songs von Robert Burns im Gepäck und natürlich die raumeinnehmenden Gummistiefel.
    She knew „that the tiny plane would drop through the thick cloud buffeted by winds which had blown their way across the Atlantic. It had perhaps climbed no more than 2000 ft since it left Glasgow, 50 Minutes earlier, so by now it seemed it must be skimming the tops of the waves as it gently sank towards the invisible island ahead. One marveled at the wonders of modern radar and navigation systems and prayed they were every bit as good as they were cracked up to be …“

    Hatte sie gebetet?

    There is no god and we must get
    Our comfort where we find it:
    In the rising yell of a laden jet
    And a bright contrails behind it.

    (from Iain Banks poem: After Burns)

    Sie wanderte an den scharfen Küstenlinien entlang, nur der Gneiss hatte allen Erosionen standgehalten. Sie war von den Schönheiten der Natur geblendet, halluzinierte Kühe mit Schaffellköpfen und weisse Pferde mit Einhörnern. Am Abend versuchte sie sich mit Whisky aufzuklaren, doch die harten Takte der schweren Akkordeons der lokalen Vatersay Band trieben sie zurück in ihr B&B. Sie hörte sich noch ein arabisches Musikstück von DAM Feat. AMAL MURKUS an: „If I Could Go Back In Time“.

    2 Comments
    Lajla Nizinski:
    Donnerstag, 14. Januar 2016 um 15:54

    Landung auf Barra (Video)
    Lajla Nizinski:
    Donnerstag, 14. Januar 2016 um 21:20

    Das Buch über Ray Davies ist sehr empfehlenswert. Es werden nicht nur die Kinks und insbesondere Ray beschrieben, sondern es werden die einzelnen Songs in der Entstehung ihres sozialen und emotionalen Umfelds beschrieben.(„Don’t forget to dance“ ist z.B. eins meiner Lieblingslieder. Ray schrieb es, als er in the mood war, Opern zu schreiben.) Außerdem werden die Erzrivalen, die Rolling Stones und die Beatles mit ihren jeweiligen Tophits in Vergleich zu den eigenen gesetzt. Auch die anderen Musiker aus den 60ern und 70ern werden erwähnt. Deswegen hat mir dieses Buch besser gefallen als X-Ray.“

  3. Martina Weber:

    Those were the days… aber auch nicht ohne schwierige Diskussionen ;)

    Letztlich hat sich die Idee mit dem Buch der Manafonisten aus verschiedenen Gründen nicht realisiert, und einer davon war die ernüchternde Erkenntnis, dass Texte, die ganz wunderbar auf einem Blog funktionieren, andere sind, wenn man sie sich in einem Buch vorstellt.

    Ich dachte, die gefährlichsten Flughäfen seien in Nepal. Dort gibt es die häufigsten Abstürze, weil die Landeplätze derart im Nebel liegen.

    Von der Krankenhausserie (Riget) von Lars von Trier gab es 2022 etwas Neues. Ich kenne diese Serie nicht, aber viele andere Filme von Lars von Trier (Nymphomaniac, The Director’s Cut, Melancholia, Antichrist, Dogville), und gerade „Dancer in the Dark“ bestellt, was schon länger auf meiner Liste steht, und was du, Olaf, wahrscheinlich in deiner Kinozeit damals gesehen hast.

  4. Alexander Fritz:

    Das war der letzte Film von Lars (von) Trier, den ich gesehen habe und so wird es hoffentlich auch bleiben. Dass das schon 27 Jahre her ist, hätte ich jetzt nicht gedacht. Mit dem Setting mit der Frau, die sich auf Wunsch ihres nach einem Unfall gelähmten Mannes prostituiert, kann ich absolut nichts anfangen. Diese angebliche Liebe ist so vollkommen over the top, eine emotionale Achterbahn mit dem Ende als traurigem Schlusspunkt. Als hätte der Regisseur Freude daran, seine Zuschauer zu manipulieren, der Film eine Qual. Habe gerade mal Lars (von) Triers Biografie auf Wikipedia gelesen. Der Mann – inzwischen hat er Parkinson – hat eine psychische Störung. Dessen irre Phantasien muss ich mir nicht mehr reinziehen. Mich machen solche Filme wütend. Aber eventuell bin ich ja auch zu bieder und zu einfach gestrickt. Just my two cents…

    P.S. Den Soundtrack hatte ich völlig vergessen, jetzt wo ich die Titel nachlese, wundert es mich allerdings nicht. Das ist außer Suzanne nicht meine Musik.
    P.P.S. Na ja stimmt nicht ganz, A Whiter Shade of Pale ist natürlich ein Klassiker, Bach ziemlich überzeugend in Pop umgesetzt. Allerdings eine Unverschämtheit, dass Trier diese wunderschöne Musik für seinen monströsen Film missbraucht.

  5. ijb:

    @Alexander
    Als hätte der Regisseur Freude daran, seine Zuschauer zu manipulieren,

    Also, ja, ohne Frage! Ich habe mich früher sehr intensiv mit Lars von Triers Schaffen befasst, eben auch, weil er, so hat es mal jemand beschrieben, „das Kino so lange zu biegen versucht, bis es bricht“. Er hat eigentlich in allen seinen Filmen eben diese Manipulation immer auch sichtbar gemacht, nie verheimlicht. Darin besteht letztlich seine singuläre Position im zeitgenössischen Kino.
    Alle seine Filme haben neben der extrem konstruierten Handlungsebene immer diese formale Ebene, in der das Erzählte am laufenden Band reflektiert, hinterfragt, in Frage gestellt, gebrochen, teils sogar aufgelöst wird.

    Das Verrückte an seinen Filmen ist, dass, selbst wenn sie noch so unfassbar offensichtlich konstruiert sind, nicht mal mehr glaubwürdige, realistische Figuren haben, sondern sogar ausgestellte Figuren-Typen vorführen, dass ein großer Teil des Publikums dennoch emotional mitgeht, also mit den Figuren leidet (meist sind es Frauenfiguren). Die Quasi-Trilogie „Breaking the Waves“, „Dancer in the Dark“ und „Dogville“ ist da exzellentes Anschauungsmaterial, denn die drei Filme erzählen letztlich jedes Mal genau die gleiche, simple – und extrem offensichtlich (auf den Effekt hin) konstruierte – Story, nur jedes Mal mit leicht anderen Mitteln, jedes Mal noch abstrahierter; gemein ist den drei Filmen aber, dass die Handkamera in ihrer pseudo-dokumentarischen Ästhetik eine scheinbare Emotionalität und Spontaneität vorgaukelt; dabei ist das extrem, bis ins letzte Detail geplant und konstruiert – und wird in jedem der drei Filme auch auf andere Weise gebrochen, d.h. als Erzählmittel überdeutlich sichtbar gemacht. In „Breaking the Waves“ geschieht das u.a. durch die ungewöhnlich langen Kapitel-Zwischenbilder mit der erwähnten Musik; die stehen z.T. bis zu zwei Minuten lang; das ist extrem fürs Erzählkino. In „Dancer in the Dark“ gibt es dann diese wahnsinnig artifiziell gestalteten Musicalsequenzen, und in „Dogville“ ist ja der komplette dreistündige Film auf einer leeren Theaterbühne gedreht, also noch deutlicher kann man das Sichtbarmachen und letztlich das Brechen der pseudorealistischen, manipulativen Erzählelemente ja nicht mehr machen.
    Der „Gag“ an der Sache ist aber (und darauf will Lars von Trier, letztlich in allen seinen Filmen, eben hinaus), dass die Filme dennoch sehr erfolgreich sind, und das Publikum emotional voll drauf anspringt. Und das, obwohl jedem mitdenkenden Zuschauer ja sowas von klar ist, dass uns hier eine total konstruierte bis hanebüchne Geschichte aufgetischt wird.

    Deshalb finde ich die Kritik, Lars von Trier habe Freude daran, seine Zuschauer zu manipulieren, letztlich total missverständlich. Denn er macht genau diese, in jedem(!) Erzählkinofilm stattfindende Manipulation (Hitchcock hat mit Truffaut ein ganzes Buch lang genau darüber gesprochen) so sichtbar und offen wie kaum jemand sonst (Michael Haneke wäre noch ein Beispiel; für den ist die Frage auch immer sehr wichtig, aber er macht es anders, subtiler als Lars von Trier; in vielen Fassbinder-Filmen kann man das Prinzip ebenfalls klar erkennen, oder bei Petzold, ganz aktuell und sehr raffiniert übrigens auch bei „Oppenheimer“).
    Der Normalfall im „Mainstream“-Erzählkino (und in Serien ebenso) ist allerdings, dass Regisseuren die „Freude an der Manipulation“ selbst sehr bewusst ist (denn, wenn sie nicht funktioniert, funktioniert der Film / die Serie ja nicht), sie diese Manipulation aber nicht sichtbar machen.

  6. ijb:

    Also dieses Reflektieren des Erzählens / des Manipulierens selbst ist in ausnahmslos jedem Film von Lars von Trier eines der zentralen Themen, und es ist wiederum erstaunlich, wie viele verschiedene Möglichkeiten er über seine lange Filmografie da schon „gefunden“ und durchexerziert hat und welche drastischen Mittel er dabei z.T. ausprobiert hat. Letztlich würde ich sagen, sein Anliegen als Regisseur ist, uns deutlich zu machen, wie einfach wie manipulierbar sind. Und da nutzt er gelegentlich ja Elemente, mit denen er das Publikum provoziert, und zuverlässig passiert es dann auch, dass sich Menschen davon provoziert fühlen und sich darüber aufregen – in erster Linie natürlich über die total simplen Frauenfiguren, die er da oft ins Zentrum der Geschichten stellt (und sie quälen lässt, durch eine frauenfeindliche Story, durch eine Welt missbrauchender, destruktiver Männer schickt, um uns letztlich so unsere frauenfeindliche Realität vorzuführen); dabei wird in der (zuverlässig aufkommenden Verärgerung) nur gerne übersehen, dass die Männerfiguren bei ihm auch keineswegs komplexer sind. That’s the whole point.

  7. ijb:

    Hier ist übrigens ein Auszug aus einem Essay über die Kapitelbilder in „Breaking the Waves“:

    https://www.grin.com/document/306393

    Zitate daraus:
    Außerdem schreibt [Manfred Pfister] dieser „Form der Episierung eine anti-illusionistische Funktion“ zu, die eine Identifikation oder Einfühlung des Rezipienten in die Figuren erschwert und somit eine distanzierte, kritische Haltung begünstigt. Das vermittelnde Kommunikationssystem erlaubt überdies eine „direktere Steuerung des Rezipienten, die der kritisch-didaktischen Intention entgegenkommt.“

    Ich habe den Film damals beim Kinostart im Kino in Stuttgart gesehen, und ich erinnere mich, welche unglaubliche Wirkung der damals in der Filmwelt hatte und wie er sehr viel diskutiert wurde. (Und die Musik hat mich (wahrscheinlich auch, weil ich die durch die Generation meiner Eltern von Kind auf kannte), in dem Film nachhaltig berührt und ist mir immer stark in Erinnerung geblieben.) Lars von Trier vor vor diesem Film ja nur einem Cineastenkino bekannt, durch seine in Cannes jeweils hochgeschätzten, sehr artifiziellen früheren Filme. Mit „Breaking the Waves“ wurde er von einem großen Publikum wahrgenommen – eben weil auch weil er das Artifizielle raffiniert in diese pseudo-realistische Erzählung verpackt und nicht zuletzt mit dieser populären Musik emotional stark aufgeladen hat.
    Das war damals ein wichtiger Film fürs europäische Kino, auch weil daraus letztlich die „Dogma“-Bewegung hervorging, eben jene, die unter dem scheinbaren Authentizitäts-Ding mit bestimmten kinematografischen Stilmitteln (u.a. die Handkamera – es gab zuvor keinen (bekannten) Film, der solche Bilder mit einer solchen 35mm-Handkamera in Cinemascope brachte) eine Welle bestimmter, simpler emotionaler Erzählungen lostrat. Der Film war damals ein ganz singuläres Ding innerhalb der Arthaus-Kino, sowohl in formaler Hinsicht als auch mit dieser starken selbstreflexiven Ebene.

  8. Olaf Westfeld:

    Danke für die Einordnung, Ingo. Genau diese Trilogie ist es, deren Filme ich damals sah – und noch einige andere Dogma Filme, womit wir ja auch wieder bei Thomas Winterberg und „Der Rausch“ sind. Ich erinnere es auch so, dass in den 90er viele erzählerisch kreative Filme entstanden sind – unzuverlässige Erzählungen, zeitlich versetzt, aufgefächert, gegen den Strich gebürstet – das habe ich damals alles gerne gesehen und war ständig im Kino – und habe lange VHS Abende gemacht. In Berlin gab es diese tolle Videothek, ich glaube Videodrom, da war ich ständig.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz