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2023 27 Jun

Geschichten, die das Meer erzählt (5)

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 

Sie stand neben mir in den heftigen Atlantikwellen, hielt sich an mir fest und sagte unvermittelt: “Ich habe überhaupt keinen Busen.“ Ich warf schnell einen diskreten Blick auf ihren nackten Oberkörper und rief in den Wind: „Jaja, das sagen wohl die Männer zu dir.“ Sie nickte und machte sich los, um tiefer ins Wasser zu waten. Ich wartete auf sie und sah, als sie herauskam, dass ihre Nippels steif und groß von ihrem Körper wegstanden. Wenn das mal keine Lolipopeinladung für wache Männerwünsche war. Wir standen noch eine Weile gemeinsam am Ufer und sahen zu, wie eine ältere Frau, sie war nackt, aus dem tobenden Wasser wankte. Offensichtlich hatte sie beide Brüste wegoperiert bekommen. „Was denkst du, wenn du das siehst“, fragte ich die Niederländerin. Sie hob stumm die schmalen Schultern. Die Amerikanerin gesellte sich zu uns und deutete auf die Narbe der Holländerin: „What the hell happened?“ Ich übersetzte auf Englisch: ich hatte eine Lebertransplantation. „Oh, OMG. Look at my body, I had  beautiful breasts, they cut them off,  I give a shit of boops, I am an old woman.“ Die junge Frau lehnte sich jetzt an mich und flüsterte: „Jetzt mag ich plötzlich meine Brüste.“ Ich begriff sofort und drückte sie leicht.

Als die beiden Frauen sich entfernt hatten, ging ich zu dem öffentlichen Buchfenster. Dort stand nur ein Buch – dieses:

 
 

 
 

In dem Buch ist eine lange Liste von den Tugenden. Ich schlug die Seiten über TOLERANZ auf. Ich lese, dass wir beim Streit beachten sollten, dass wir ein würdevolles Wesen gegenüber haben. Und dass wir dieses ehren sollen. Dass ein Faktenstreit im Schützengraben lande und nicht zu gewinnen sei. Vielleicht meint dieser Schriftsteller, von dem ich übrigens ein kluges Buch über die unnützen Dinge besitze, mit Ehre= Respekt. Mir gefällt Ehre in diesem Kontext besser.

 

This entry was posted on Dienstag, 27. Juni 2023 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

4 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Der Ansatz gefällt mir auch sehr gut – nur: Das ist wieder so ein Buch, wie wir es neulich schon mal hatten: Für die geschrieben, die das Beschriebene ohnehin schon gut kennen, praktizieren und gut hinkriegen. Die, dies bräuchten, lesen es nicht. Also wieder ein Produkt für die Akademiker-Intellektuellen-Blase.

    Ich werde den Teufel tun, einen spazierstockfuchtelnden alten Herrn, der eine Araberin mit zwei verängstigten kleinen Mädchen in der Fussgängerzone anbrüllt, sie solle sich dahin schleichen, wo sie hergekommen ist, als würdevolles und respekteinflössendes Gegenüber zu behandeln.

    Warum gibt’s nicht mehr Bücher für solche Situationen, die genauso häufig sind einschliesslich Massnahmen zur Selbstverteidigung wenn der Spazierstock näher kommt? Das würde ich sofort lesen. Nachdem es die nicht gibt, gucke ich in der Zeit lieber Reality-TV, dann weiss ich, wie das Prekariat oder die Impulskontrollgestörten so ticken, das nützt mir auch beruflich mehr. Auf Augenhöhe streiten kann ich – bilde ich mir ein – aber mit dieser zunehmend entfesselten Aggression in der Gesellschaft umgehen – das müssen wir lernen. Aber das ist für viele dann wieder degoutant und pfui …

  2. Michael:

    Der erste Teil ist eine tolle Story vom Meer, und aus der Hüfte erzählt! Das dann präsentierte Buch ist zwar Banane, aber wahrscheinlich ein schmunzelnder Wink (ohne ZaunpfHl) in Bezug auf einen schwelenden Streit auf dem Blog, in meine Richtung. Angekommen, ich ziehe eh die Schärfe der Worte dem Faustrecht in der Prairie vor. Meistens jedenfalls 😉

    A propos Prairie: ich liebe die beiden Tv Serien a 10 und 8 Folgen, auf Paramount plus, zubuchbar auf Prime – die da heissen 1883 und 1923, entworfen von dem grandiosen Taylor Sheridan. Die Stimme aus dem Off – von Isabella May – ist der Wahnsinn und die reinste Tranceinduktion.

  3. Lajla:

    Wir wissen seit Knigge, was sich gehört und wie wir uns benehmen sollten. Nun hat dieser adelige Schreiberling, der mit der ehemaligen Punkerin und jetzt AFDlerin ( Thurn und Taxis) verkehrt,dessen Buch am kanarischen Strand von irgendwem zurückgelassen worden war, mich doch nachdenkend gemacht. Aus dem langen Tugendkatalog hatte ich das Kapitel „ Toleranz“ gewählt, weil auf der Insel diese Tugend kaum praktiziert wird. Ich frage mich, ob in einer bäuerlichen Gesellschaft, die von Bananen, Kartoffeln, Mais und Fischfang lebt, möglicherweise ein anderer Anstandskanon existiert. Zum Beispiel das Teilen von Nahrung und MundzuMundinformation, das Geben ohne Gegenleistung, die EgoLüge und der ProfitBetrug.Der Ehrenkodex ist auf jeden Fall ein anderer. Úrsula hat hervorgehoben, dass dieses Buch nur für eine bürgerliche Elite interessant sei. Sehe ich auch so. Immerhin hat es mich inspiriert und mich über die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung nachdenken lassen.
    Jetzt in der Heimat angekommen. Düsseldorf zeigt sich sommerlich.

  4. Ursula Mayr:

    Ich lebe hier auch in einer bäuerlichen Umgebung und es regiert hier schon ein ganz anderer Wertekodex. Man merkt die Tradition vieler Jahrhunderte in der man mit sehr harter Arbeit der Natur die Nahrung abringen musste – das macht auch hart. Die Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen sind denen der Menschen vorgeordnet, darauf wurde früher gar nicht geachtet. Es herrscht starkes Statusdenken – Grossbauern gegen “ Kleinhäusler“. Mit Andersartigkeit kann man schwer umgehen, das Bedürfnis die Welt kennenzulernen ist kaum vorhanden – gut – man kann ja auch gar nicht weg, die Kühe versorgen sich nicht selbst. Wenn mal Urlaub möglich ist sucht man auch Ähnliches auf – Südtirol oder den Bodensee. Grosstädte machen eher Angst. Der Familienzusammenhalt ist gross, auch im Negativen – es bleibt zusammen was sich nicht guttut. Die Themen sind stark materiell geprägt – Erbschaftsstreitigkeiten, Renovierung vom Hof, Anbaumassnehmen, Themen der Dorfgemeinde, der Milchpreis. Im Fernsehen guckt man Tierfilme und Volksmusiksendungen, in der Zeitung ist der Lokalteil am Wichtigsten. Man ist krank, aber wenn die Kasse nicht alles bezahlt ist mans nicht mehr, auch wenn sichs nur um kleine Beträge handelt die man zubuttern müsste. Wenn die Kinder heiraten – am besten in die unmittelbare Nähe – dann muss sofort ein Haus dastehen – Mietwohnung ist pfui, man kann doch nicht hausen “ wie die Türken“.


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