Sie stand neben mir in den heftigen Atlantikwellen, hielt sich an mir fest und sagte unvermittelt: “Ich habe überhaupt keinen Busen.“ Ich warf schnell einen diskreten Blick auf ihren nackten Oberkörper und rief in den Wind: „Jaja, das sagen wohl die Männer zu dir.“ Sie nickte und machte sich los, um tiefer ins Wasser zu waten. Ich wartete auf sie und sah, als sie herauskam, dass ihre Nippels steif und groß von ihrem Körper wegstanden. Wenn das mal keine Lolipopeinladung für wache Männerwünsche war. Wir standen noch eine Weile gemeinsam am Ufer und sahen zu, wie eine ältere Frau, sie war nackt, aus dem tobenden Wasser wankte. Offensichtlich hatte sie beide Brüste wegoperiert bekommen. „Was denkst du, wenn du das siehst“, fragte ich die Niederländerin. Sie hob stumm die schmalen Schultern. Die Amerikanerin gesellte sich zu uns und deutete auf die Narbe der Holländerin: „What the hell happened?“ Ich übersetzte auf Englisch: ich hatte eine Lebertransplantation. „Oh, OMG. Look at my body, I had beautiful breasts, they cut them off, I give a shit of boops, I am an old woman.“ Die junge Frau lehnte sich jetzt an mich und flüsterte: „Jetzt mag ich plötzlich meine Brüste.“ Ich begriff sofort und drückte sie leicht.
Als die beiden Frauen sich entfernt hatten, ging ich zu dem öffentlichen Buchfenster. Dort stand nur ein Buch – dieses:
In dem Buch ist eine lange Liste von den Tugenden. Ich schlug die Seiten über TOLERANZ auf. Ich lese, dass wir beim Streit beachten sollten, dass wir ein würdevolles Wesen gegenüber haben. Und dass wir dieses ehren sollen. Dass ein Faktenstreit im Schützengraben lande und nicht zu gewinnen sei. Vielleicht meint dieser Schriftsteller, von dem ich übrigens ein kluges Buch über die unnützen Dinge besitze, mit Ehre= Respekt. Mir gefällt Ehre in diesem Kontext besser.