Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2023 26 Juni

Entschuldigung, es ist nicht aufgeräumt, …

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 12 Comments

 

… kommen Sie ruhig hereinspaziert, ich höre heute drei Schallplatten, die so unheimlich gut sind, dass ich gar nicht mehr aus der Höhle komme und zwischendurch nur für Kaffee oder Sprudel in die Küche husche. Ein Chiropraktiker zauberte mir vor Stunden die Blockade eines Halswirbels weg, und seitdem schwebe ich noch etwas mehr. Die drei Alben haben stilistisch wenig miteinander am Hut, da öffnen sich, auch ohne Aldous und LSD, „the gates of perception“. Du bist DORT – „getting there“ hiess mal mein esoterisches Pfadfinderbuch in ach so fernen Jahren, wo man zum Beispiel lernte, sich unter offenem Himmel nachts ins die Sterne fallen zu lassen. Diese drei Hammerteile sind alle zwischen 1967 und 1976 entstanden – das Jazzalbum habe ich seinerzeit dank einer Besprechung von Richard Williams im Melody Maker entdeckt (der heute auf seinem Blog „The Blue Moment“ an Peter Brötzmann erinnert), und jetzt im Zuge meines kleinen Gary Burton-Fests der letzten Tage auf dem Regal gefischt, Walt Dickersons „Peace“, einst auf Steeplechase Records rausgekommen: Dickerson, Atkinson, und Cyrille (meine kleine Warnung: man sollte Sounds mögen können, die ein Bogen an Bass und Becken erzeugen kann). Das Blues-Album kannte ich nur vom Namen, und weil John Zorn mir 1990 in einem Interview von diesem Meister vorschwärmte, was gleich verrät, dass ich da nicht so der Fachmann bin (umso spannender, wenn eine Bluesscheibe mich dann umhaut, und das tut dieses Teil (es brauchte aber einen zweiten Anlauf, ist auf dem Foto zu erkennen!) und steht nun mit meinen nahezu einzigen – Bluesfavoriten auf dem Gipfel (was vielleicht auch daran liegt dass manche Werke einfach ihr Genre, ich will jetzt nicht sagen, transzendieren, aber doch, genau das trifft es). Meine zwei anderen Blueshimmelstürmer heissen „Folk Singer“ von Muddy Waters (auch ein „audiophiles“ Highlight, Norbert wird es bestätigen, eim Renner auf High End-Messen und Shops – und dann diese eine Bluesplatte, die John Lee Hooker mit Jazzern aufnahm für das Label Impulse, das habe ich auf einer SACD. Musik und Klang sind da auch der reine Wahnsinn. Und die nächste Platte, die dritte Scheibe im Bunde (wusch, sah die mal gut aus, die Sängerin, nicht die Platte!), und jetzt will WeWantSounds fünf Platten der Japanerin, alle aus den Siebziger Jahren, neu rausbringen. Kaji Meiko und „Hajiku Uta“. Hier meine Besprechung von „Hajiku Uta“ in einem Satz: „Put a match in a gas tank – BANG BANG!“. Nachtrag: Nach einem kleinen Walk wird die Höhle durchgelüftet, und eine Balladenplatte aufgelegt, die belegt, dass Balladen eben nicht einfach immer nur Balladen sind, „Ballads“ vom John Coltrane Quartet. 

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12 Comments

  1. Norbert Ennen:

    Ich war in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal auf einer Hifi-Messe und musste feststellen, dass High-End-Geräte in kleinen Hotelzimmern nicht so meine Tasse Tasse Tee sind. Und da die meisten Anbieter nur Streams abspielten, ging ich dann lieber zum dort auch anwesenden Plattendealer und wühlte mich durch die Kisten. In meiner Erinnerung kaufte ich u. a. Albert Heath-Kawaida (mit Herbie am Piano), Sinatra-Only The Lonely als MFSL-Pressung und Electric Prunes-Underground.

  2. Alex:

    Die Schriftart hat so etwas Nostalgisches aus der frühen Computerzeit in den Achtzigern als die Zukunft noch vor uns lag.

    Ich kenne keine der drei Platten, bin aber schon nach zehn Sekunden mittendrin in der ersten, ein ganz anderer Vibraphonstil als Burton, nicht so virtuos, eher offen und frei fließend mit den sich darum wie Planeten bewegenden Instrumenten, deren Bahnen allerdings nicht den Keplerschen Gesetzen folgen, sondern eher den erratischen Trajektorien von unzähmbaren Subjekten.

    Blues habe ich schon immer geliebt, vor allem, dass er so down to earth ist und gleichzeitig das Irdische transzendiert und zwar auf eine so simple, direkte Art. So richtig traurig fand ich ihn eigentlich nie. Eher körperlich, heftig, nicht zimperlich. Wobei ich in meiner grenzenlosen Beschränktheit jetzt nicht kapiert habe, um welche Bluesplatte es sich handeln soll, auf dem Bild sehe ich wieder nur On Land. Wobei es scheint was mit einer Katze zu tun zu haben.

    Wenn Du Ballads magst, dann versuche es doch mal mit Meditations.

  3. Michael Engelbrecht:

    Ballads stiess erst vor kurzem zu mir. Ich dachte es wäre zu handzahm, ein Irrtum. Von Coltrane habe ich tatsächlich sonst alles aus seiner Impulse Zeit irgendwann auf Platte und oder cd gehabt. Also auch Meditations. Ich habe über die Jahre ein gutes Gefühl dafür entwickelt, wann ich welche Scheibe von ihm am besten höre, mit dem grössten Impact, der bei mir nichts mit Religiosität, aber schon mit Interconnectivity, love & surrender zu tun hat (wieder als deep human quality, ohne spirituellen Überbau). Für Meditations bin ich derzeit nicht in der stimmung, wohl aber für die drei Alben Ballads, Crescent und Blue World (letztere erst vor Jahren rausgekommen, unendlich reeeeeeeeelaxed und trotzdem voller Power.)

    Du musst auf das Bild klicken und dann müssen sich deine Augen ans Dunkel gewöhnen und dann kannst du es erkennen.

  4. Michael Engelbrecht:

    @ Norbert: was audiophile Platten angeht, da habe ich meine ganz persönliche Meinung. Ich kriege schon immer ne Krise, wenn irgendwo wieder Brothers In Arms läuft. Ich meine das nicht arrogant, mir geht die Musik einfach auf den Sack. Und das sage ich als jemand, der die erste Dire Straits Platte liebte, von der zweiten zwei Songs, und dann nichts mehr, bei allem Respekt für den feinen Soundtrack von Local Hero.

  5. Alex:

    Mit Brothers in Arms auf dem Cassettenrecorder bin ich bestimmt einige Wochen lang 1985/86 eingeschlafen. Das Album hat bei mir damals mit 22 und permanent unglücklich verliebt ziemlich eingeschlagen. Mein bester Freund war zudem ein richtiger Fan. Der Klang von Mark Knopflers Gitarre war schon was Besonderes. Und der nicht sehr musikalische, knarzende Gesang tat sein Übriges.

  6. Norbert Ennen:

    Ich kenne niemanden, der Brothers In Arms mag. Unabhängig davon gibt es jede Menge sehr schöne audiophile und auch bezahlbare Platten wie z. B. von Labels wie Speakers Corner, Craft etc…

    Außerdem ist „Audiophil“ ein weit dehnbares und teilweise auch negativ aufgeladenes Label. Als es den Begriff noch gar nicht gab und irgendwelche Hifi-Spacken noch nicht rumnervten, wurden Platten aufgenommen und gemastert, die man aus heutiger Sicht als audiophil bezeichnen kann (Kraftwerk-Autobahn, Can-Tago Mago, Television-Marquee Moon, die drei ersten von Wire u. v. a.

    Aber du kennst jetzt schon einige die BIA mögen, oder mochten. Mr. Stunning auch, mit allem Respekt wiederum, für viele, auch für ihn eine der soundmässig überragenden Alben aller Zeiten…

    ich höre das anders…

  7. Michael Engelbrecht:

    https://www.analogplanet.com/content/albert-king’s-all-time-classic-stax-records-debut-lp-born-under-bad-sign-good-blues-can-get

    Falls im Dunkeln kein Licht aufgeht:)

    ……

    Brothers in Arms ist eine der beliebtesten platten zum Anlagentesten. In Hifiläden etc. Ich mochte die Musik dieses Albums von Anfang an nicht, verbuche das unter reiner Geschmackssache.

    Andere beliebte audiophile referenzplatten wie diese dänische Live Jazz Combo, und andere gefielen mir durchaus, wenn ich das abseits des Hifi MessenZirkus gehört habe… ich war auch nur einmal da und dann geheilt.

    für stephan mathieu und mich gab es eine besondere „Referenzscheibe“, die etwas zu avantgarde war, um auf High End Messen als Lockmittel zu dienen: el corazon von Don Cherry und Ed Blackwell. Aber da faszinierte zuerst die tolle Musik…

  8. Michael Engelbrecht:

    @ Norbert: 90 % Übereinstimmung. 🥁🥁🥁

    Da kann man natürlich gerade von ECM viele hinzufügen.

    Von Dis (Garbarek / Towner) bis sonstwohin…

    Und, ach ja, die ersten drei von Wire. hammermusik.

  9. Alex:

    Albert King, da hätte ich drauf kommen müssen. Ein ziemlicher Gitarrengott, der mich im Vergleich zu BB King aber nie so richtig gepackt hat. Bei Albert fehlt das animalisch Wilde, das einem bei John Lee Hooker und in seiner obsessiven Form auch bei Robert Johnson so in die Eingeweide fährt.

  10. Michael Engelbrecht:

    Bei Göttern bin ich generell skeptisch:) b.b. king hat mich immer kalt gelassen. So gut er auch unzweifelhaft ist.

    Ich höre auf diesem Album so viel, und kann es gar nicht auf den Punkt bringen. Immer ein gutes Zeichen. Ich brauche auch sicher keine weitere Platte von Albert. Diese Band hier ist fabelhaft.

  11. Alex:

    Götter mögen auch keine anderen Götter neben sich, kennst Du diese Geschichte? https://faroutmagazine.co.uk/albert-king-jimi-hendrix-the-blues/

    Und @Norbert zu Brothers in Arms, war das nicht lange Zeit die meistverkaufte Platte überhaupt? Also entweder kennst Du nur wenige Leute, oder sie haben alle einen recht ausgefallenen Geschmack… ;-)

  12. Michael Engelbrecht:

    In einer Ubahnstation (Earls Court) befindet sich das Graffitti:

    ENO IS GOD

    Ja, dachte ich, endlich mal einer, der weiss, was Sache ist🤣

    A propos Brian Eno, jetzt ist die Stimme auf eine Weise gealtert, das ich seinen Vortrag immer noch sehr mag, aber das, was dazu führte, dass sie meine Lieblingsstimme war, hat sie nicht mehr. Und tatsächlich waren die Gesangsorgane von Brian Eno und Robert Wyatt fast immer meine absolute favourite voices.

    So, Szenenwechsel, Albert blockiert den Plattenteller. Auf jeden Fall ist Born Under A Bad Sign eine dieser Platten, die man am liebsten in voller Lautstärke abspielen möchte – und genau das ist der Lackmustest, bei dem das komplett analoge Remastering-Verfahren wirklich glänzt. Als ich meine Anlage hochgefahren habe, um ordentlich Luft durch die Lautsprecher zu pumpen, gab es keine rauen Klangkanten – das Album hat einfach wahnsinnig gerockt (wenn ihr mir erlaubt, einen Satz von Duke Ellington frei zu zitieren).Diese neue Craft-LP klingt und fühlt sich an wie ein altes Stax-Album. Die Craft-Version klingt so, wie Born Under A Bad Sign klingen sollte. Und ich mag die Atmosphäre des Stax-Aufnahmestudios, die auch auf dieser neuen Ausgabe durchkommt. Zum Beispiel ist der absolut mitreißende Fuzz-Bass bei „Oh, Pretty Woman“ ziemlich krass! Wow, nun, ähem, die letzte zwei Absätze sind fast durchweg ein Zitat aus Mark Smotroffs Besprechung. Love it.


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