Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2023 17 Juni

Alle Seelen

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 

Ein Karneval, ein Abschied aus Fleisch und Blut.
Hiessens auferstanden von den Toten.
Wyman-Elvis! Ruft unseren Gurrel,
Und zählt die Asche, wo er blutete:

Beim ersten ein karmesinroter Nebel,
beim zweiten die Schlaflosigkeit.
Beim dritten ein zerbrochenes Stelldichein,
beim vierten die Einsamkeit.

Schaurig in den Blättern der Liebsten.
Schlimm in den Tränen des Soldaten.
Als der Riddle Fluss trauert:
Wyman-Elvis verschwindet…

Nur in einem Fleischwulst
Hängengeblieben am Farn der Hirschzunge,
Und nur durch ihre eigene Gänsehaut
Weiß sie, dass er irgendwann zurückkehren wird

 


Wer die Stimme sehr  mag, findet natürlich leichter Zugang zu dem Album. Denn sperrig ist auch die Musik allemal, kaum weniger als die Texte. Öffnungen, Ausgänge, Fenster, macht jeder ausfindig, der sich auf diese „Dunkelkammermusik“ einlässt. Und hilfreich ist es, zuvor, vor dem ersten Hören, oder auch danach, alle Texte durch „deepl“ zu schicken, und dann Original und Übersetzung (oder nur die Übersetzungen) Text für Text auf sich wirken zu lassen. Gewiss funktioniert die Annäherung auch, wenn man der Musik unvorbereitet begegnet. Man schnappt Wort- und  Satzfetzen auf, alles bleibt bruchstückhaft, aber das sind die Texte ohnehin. Man kann „deep listening“ mit und ohne Textmeditation praktizieren. So oder so dringt man tiefer vor. Allein den Text oben zu lesen, schreckt ja fast ab. Aber es eine grosse Freude zu erleben, wie sich allmählich  die kleine grosse Welt dieses Albums mehr und mehr öffnet.

 

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4 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Natürlich hat auch deepl Grenzen, wenn es um die Übersetzung poetischer Texte geht, in diesem Fall ist es ein Stück des bald erscheinenden Albums von P J Harvey, eine Reise in ihre Kindheit in Dorset. Texte aus ihrem Büchlein ORLAM haben hier mehr oder weniger verwandelt Gestalt angenommen.

  2. Jochen:

    Interview (2022)

  3. Alex:

    Ach ich dachte schon, Du wärst unter die Poeten gegangen, Michael. ;-) Bei Hiessens bin ich ausgestiegen. Das schien dann so wie ChatGPT, das ja gerne Sachen erfindet, bevor es zugibt, keine Ahnung zu haben, sehr menschlich übrigens. In ein Wort übersetzen, das es in der Zielsprache gar nicht gibt. Oder ist mein Deutsch zu beschränkt? ;-)

  4. Michael Engelbrecht:

    Nun, PJ Harvey ist ein ganz zauberhaftes Album gelungen, auf der Ebene der Texte und der Musik und ihres Zusammenwirkens. Sie verwendet lokalen Slang hier und da, der Engländer in Dorset-fernen Regiomen zum Schwitzen bringen würde, in manchen Momenten, Wörtern, oder Zeilen.

    Polly gelingt es, mit ihren Texten diese alte Welt aufzuschliessen, jenseits konventioneller Lebensnacherzählung. Um in diesen Empfindungsraum des Sprachlich-Kaum-Fassbaren, des Vor-Sprachlichen, mitunter auch des Verdrängten vorzudringen, ist die Einängigkeit das erste, was geopfert werden muss.

    Aber es gibt eben immer wieder diese kleinen sinnstiftendem Momente, shocks of recognition, die dem Hörer (wie der Sängerin) Stück für Stück bei der Rückeroberung verlorener Zeiten / Memories assistieren. Und genau das leisten auch Flood und John Parish an ihrer Seite.

    Diese Räume werden grösser mit jedem Hören, und das Verblüffende: du machst dich so als Hörer auch auf eine Reise in die eigene Kindheit und ihren enormen Reichtum, der später im Rückwärtsblick glattgebügelt wird. Die üblichen Stories. Die, die man gerne erzählt. Aber das A N D E R E ist viel spannender. Und ein bisschen gefährlicher.

    Auf andere Weise zurück in alte Räume, das gelingt nicht minder fabelhaft und ebenso radikal/ungewöhnlich Josephine Forster auf Domestic Sphere. Und das Fass mit dem aktuelllen Doppelalbum von Lana del Rey mache ich hier gar nicht erst auf ((das mir näher und näher kommt – am besten in den vier Kapiteln der Vinylausgabe!!)


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