Mit einem Cover, das nackte Liebende an einem tropischen Strand zeigt, sieht Hareton Salvaninis Album „Xavana, Uma Ilha do Amor“ von 1981 wie ein Porno-Soundtrack aus. Aber die Musik ist weit entfernt von allem Boom-Chicka-Wow – Im Gegenteil, sie ist, bis auf eine Komposition, auf erhebende Weise melancholisch, und endet mit einem umwerfenden Song über die Einsamkeit, den wir auch Caetano Veloso abgenommen hätten.
Der Film wurde von dem in Polen geborenen Zygmunt Sulistrowski gedreht. Er verstand sich sowohl als Ökologe und Filmemacher. Nach einem Besuch in Rio de Janeiro war er von Brasilien begeistert und wandte sich in seiner bescheidenen Karriere einer Handvoll Filmen zu, die er, mit gar nicht so verstecktem Tiefgang, vorzugsweise in exotischen Gegenden drehte. Der im brasilianischen Bauru geborene Salvanini war ein Komponist und Crooner, der Sulistrowskis Bilder weit über das Niveau eines sonnengebräunten Augenschmauses erhob. A perfect match made on the beaches of Ipanema.
Die sinnlichen Melodien und sehnsüchtigen Arrangements – manchmal, wie beim Titeltrack, begleitet von den fernen Geräuschen der lokalen Fauna – hätten gut auch zu zu den Stimmungen avantgardistischer independant movies jener Jahre gepasst. Wenn Salvanini einmal „Xavana“ schreit, ist das mit einer tiefen Angst verbunden, als würde sich ein alternder und musikalisch begabter Strandpenner an seine sorglose Jugend erinnern.
Dieser Film ist schwer ausfindig zu machen, und ich schulde einem befreundeten Cineasten grossen Dank, dass er mir sein Exemplar als alte VHS-Kassette vorführte. Beim Anschauen kamen wir uns wie Entdecker eines verlorenen Schatzes vor. Und erinnerten uns an Godards Spruch, demzufolge Kino eine besondere Art und Weise sei, dem Tod bei der Arbeit zuzusehen. Der oberflächlich als „soft core porno“ schubladisierte Film liefert nicht nur mit seinem Soundtrack eine verblüffende Doppelbödigkeit. Erzählt wird nämlich auch eine Geschichte vom verlorenen Paradies.
Soweit ich das verstanden habe, dreht es sich um Natalie, die die abgelegene Insel Xavana vor der Küste Rios geerbt hat. Die Glückliche! Denkt man. Aber die Legende besagt, dass Xavana eine Bauerntochter war, die sich in einen Jungen verliebte, der ihrem Vater nicht gefiel; sie flohen auf die Insel und lebten dort in Frieden (und, wie man sich vorstellen kann, meist nackt), bis Natalie eines Tages einfach im Meer verschwand. Salvanini nimmt diese Anhaltspunkte für eine üppige, aber düstere Reise her, mit verführerischen Klangfarben und weichen Stimmen, die den Zuhörer so einlullen, dass er auch am liebsten auch gleich ins Meer gehen möchte.
„Xavana, mon amor“ – „really some lowbrow excellence, the movie, seen as a whole:)“ – der unlängst neu rausgebrachte, und exzellent remasterte, Soundtrack (das Vinyl „orange marbled“!) ist klanglich von enormem Reichtum, und kommt, mit all seinem dunkel-wehmütigen Schwingungen, nah heran an die Klasse von Gato Barbieris Soundtrack zu „Last Tango in Paris“.