Von Mäusen und Menschen. Das war Steinbeck. Von Eseln und Pferden. Das ist der Juni bei den Manafonisten. Bei prime kann man sich EO ausleihen. Das Geniale an diesem Film, der einem kleinen Esel quer durch Europa folgt, ist, dass – und WIE – es seinen felligen Helden als Spiegel benutzt, um uns den Zustand der Welt in all ihrer Schönheit, ihrem Schmerz und ihrer unbeschreiblichen Traurigkeit zu reflektieren. Skolimovskis Film kann immens berühren, auch wenn man erstmal leicht unter Walt Disney-Regressionsverdacht gerät. Der Pole kennt ganz sicher den anderen grossen Eselfilm der Kinogeschichte, von Robert Bresson, der nicht weniger erschütternd ist – da hiess das geschundene Tier Balthasar.
The Horse – in Matthew Herberts neuem Album trägt das Pferd keinen Namen. (Ein Mann, den sie Pferd nannten, mein erster Western im Kino:)) Fraglos eines der besten Alben in der Vita des Briten, ist es eine musikalisch verzweigte, abenteuerliche Klangreise durch, nun ja, Pferdewelten. Ob man nun selber lebenslange Erfahrungen mit Mustangs hat, sich an den schmerzenden Hintern erster Reitstunden erinnert, oder diesen grossartigen Tieren vor allem in Filmen und Serien nahegekommen ist, von Fury bis zum Pferdeflüsterer, spielt keine Rolle. Matthew Herbert liess im Vorfeld aus Pferdeknochen neue Instrumente bauen, die das traditionelle Instrumentarium zwischen Elektronik, Jazz, Feldaufnahmen, und Kammermusik bereichern – die Musik ist so umwerfend gut, dass es einen leicht aus dem Sattel heben könnte, und für die Klanghorizonte im Juli gesetzt. Erstaunlich, was auf Modern Recordings alles so rauskommt, von Daniel Lanois‘ magischem Klavieralbum bis hin zu Rickie Lee Jones existenziellem (!) Trip durch das Amerikanische Songbook. Mein alltime favourite album von RLJ ist übrigens „The Magazine“.
Ziemlich französisch geht es zu auf den Alben von Vincent Courtois (Henning hat sich in die Musik von „Nothing Else“ verliebt und schrieb die interessanten liner notes) und Jean Charles Richard. Letzteres (reiner Traumstoff!) erschien schon 2022 – Jo stiess zufällig auf dieses Juwel des Labels La Buissonne, das man als eine provencalische Version von ECM betrachten kann. Die andere Archiventdeckung hat schon zehn Jahre auf dem Buckel und liegt nun auch in feinem Vinyl vor, Sturgill Simpsons High Top Mountain. Wer Waylon Jennings und John Prine mag, wird hier eine Entdeckung machen. „The most outlaw thing that I’ve ever done was give a good woman a ring”. Ein Countryalbum, das mit Witz und Melancholie überzeugt. Lajla und Lucinda könnten grosse Fans des Albums sein!
Bleibt ein weiteres Highlight der Saison aus dem Hause Suhrkamp: ein grossartiger Berlinroman (Hamburg auch!), ein sprachliches Feuerwerk, ein adrenalingefüllter Kriminalroman mit Tiefgang und Speed, mit richtig guten Typen und so einigen Toten. Nomen est omen: „Die Guten und die Toten“, von Kim Koplin (wer immer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt).
Wir hatten unvergessliche Tage in Berlin, und die Lektüre des Romans lässt en passant (im fliegenden Galopp) so viele Strassenzüge, Hinterhöfe, Museen, Regierungsgebäude – und nicht zuletzt den limitierten Charme von Parkhäusern – neu aufblitzen. Hier und da, bei unseren Streifzügen machten wir uns auf die Filmplakate von „Roter Himmel“ aufmerksam, und mussten dann stets schmunzeln – „hochgejazzt“ war das Zauberwort.
Gerade sehe ich, Platz 4 der aktuellen Krimizeit Bestenliste, und ne schöne Inhaltsangabe, die wenig preisgibt: „Leila skatet, lernt neue deutsche Worte und schläft im Parkhaus, wo ihr Vater Saad Nobelschlitten bewacht. Nihal, Boxerin und Kommissarin, checkt dort die Leichen saudischer Killer und mag Saad immer mehr. Erst recht, als dieser auf einer Marihuana-Plantage sein Leben verteidigen muss. So rasant wie zart.“