Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2023 15 Mai

Querbeet im Juni (die Kolumnen)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 3 Comments

 

Von Mäusen und Menschen. Das war Steinbeck. Von Eseln und Pferden. Das ist der Juni bei den Manafonisten. Bei prime kann man sich EO ausleihen. Das Geniale an diesem Film, der einem kleinen Esel quer durch Europa folgt, ist, dass – und WIE – es seinen felligen Helden als Spiegel benutzt, um uns den Zustand der Welt in all ihrer Schönheit, ihrem Schmerz und ihrer unbeschreiblichen Traurigkeit zu reflektieren. Skolimovskis Film kann immens berühren, auch wenn man erstmal leicht unter Walt Disney-Regressionsverdacht gerät. Der Pole kennt ganz sicher den anderen grossen Eselfilm der Kinogeschichte, von Robert Bresson, der nicht weniger erschütternd ist – da hiess das geschundene Tier Balthasar.

The Horse – in Matthew Herberts neuem Album trägt das Pferd keinen Namen. (Ein Mann, den sie Pferd nannten, mein erster Western im Kino:)) Fraglos eines der besten Alben in der Vita des Briten, ist es eine musikalisch verzweigte, abenteuerliche Klangreise durch, nun ja, Pferdewelten. Ob man nun selber lebenslange Erfahrungen mit Mustangs hat, sich an den schmerzenden Hintern erster Reitstunden erinnert, oder diesen grossartigen Tieren vor allem in Filmen und Serien nahegekommen ist, von Fury bis zum Pferdeflüsterer, spielt keine Rolle. Matthew Herbert liess im Vorfeld aus Pferdeknochen neue Instrumente bauen, die das traditionelle Instrumentarium zwischen Elektronik, Jazz, Feldaufnahmen, und Kammermusik bereichern – die Musik ist so umwerfend gut, dass es einen leicht aus dem Sattel heben könnte, und für die Klanghorizonte im Juli gesetzt. Erstaunlich, was auf Modern Recordings alles so rauskommt, von Daniel Lanois‘ magischem Klavieralbum bis hin zu Rickie Lee Jones existenziellem (!) Trip durch das Amerikanische Songbook. Mein alltime favourite album von RLJ ist übrigens „The Magazine“. 

Ziemlich französisch geht es zu auf den Alben von Vincent Courtois (Henning hat sich in  die Musik von „Nothing Else“ verliebt und schrieb die interessanten liner notes) und Jean Charles Richard. Letzteres (reiner Traumstoff!) erschien schon 2022 – Jo stiess zufällig auf dieses Juwel des Labels La Buissonne, das man als eine provencalische Version von ECM betrachten kann. Die andere Archiventdeckung hat schon zehn Jahre auf dem Buckel und liegt nun auch in feinem Vinyl vor, Sturgill Simpsons High Top Mountain. Wer Waylon Jennings und John Prine mag, wird hier eine Entdeckung machen. „The most outlaw thing that I’ve ever done was give a good woman a ring”. Ein Countryalbum, das mit Witz und Melancholie überzeugt. Lajla und Lucinda könnten grosse Fans des Albums sein!

 
 

 
 

Bleibt ein weiteres Highlight der Saison aus dem Hause Suhrkamp: ein grossartiger Berlinroman (Hamburg auch!), ein sprachliches Feuerwerk, ein adrenalingefüllter Kriminalroman mit  Tiefgang und Speed, mit richtig guten Typen und so einigen Toten. Nomen est omen: „Die Guten und die Toten“, von Kim Koplin (wer immer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt).

Wir hatten unvergessliche Tage in Berlin, und die Lektüre des Romans lässt en passant (im fliegenden Galopp) so viele Strassenzüge, Hinterhöfe, Museen, Regierungsgebäude – und nicht zuletzt den limitierten Charme von Parkhäusern – neu aufblitzen. Hier und da, bei unseren Streifzügen machten wir uns auf die Filmplakate von „Roter Himmel“ aufmerksam, und mussten dann stets schmunzeln – „hochgejazzt“ war das Zauberwort.

Gerade sehe ich, Platz 4 der aktuellen Krimizeit Bestenliste, und ne schöne Inhaltsangabe, die wenig preisgibt: „Leila skatet, lernt neue deutsche Worte und schläft im Parkhaus, wo ihr Vater Saad Nobelschlitten bewacht. Nihal, Boxerin und Kommissarin, checkt dort die Leichen saudischer Killer und mag Saad immer mehr. Erst recht, als dieser auf einer Marihuana-Plantage sein Leben verteidigen muss. So rasant wie zart.

 

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3 Comments

  1. Alexander Fritz:

    Ich finde bei den Filmempfehlungen sollte Das Lehrerzimmer nicht fehlen. Seit dem Club der toten Dichter habe ich nicht mehr so einen mitreißenden Film über eine der ödesten Perioden im Leben gesehen, die Schulzeit. Bereits der Anfang, wo eine Matheaufgabe gestellt wird, hat mich umgehauen. Da geht es direkt um Didaktik und Verstehen und nicht um Pauken. Und wie Leonie Benesch die unglaublich motivierte, junge Sport- und Mathelehrerin spielt, die ich mir natürlich sofort nachträglich als eigene Lehrerin vorgestellt habe, ist atemberaubend. Sie lässt sich nicht verbiegen, führt einen Kampf, den sie eigentlich nicht gewinnen kann, und versetzt sich immer wieder in die Schüler hinein. Die Rahmenhandlung mit dem Diebstahl und ihrem Lösungsversuch exemplifiziert die Gnadenlosigkeit von Gruppendynamik am Beispiel des Systems Schule. Das betrifft ebenso Teile der Schülerschaft, als auch die verschiedenen Lehrertypen, die man alle schon mal gesehen hat, und wo die Unsympathen überwiegen. Das Verhalten der Eltern ist besonders unrühmlich, eventuell etwas zu klischeehaft. Auch das Ende fand ich etwas seltsam, da ging ein halber Stern verloren. In den 98 Minuten langweilte ich mich keine Sekunde. Wir guckten den Film auf der Berlinale mit Regisseur und Darstellern und Teilen der Crew im meiner Ansicht nach schönsten Kino Berlins, im Zoopalast. Der Applaus danach war frenetisch und wollte nicht enden. Selten, dass ein Filmpreis so gerechtfertigt war wie in diesem Fall.

  2. Michael Engelbrecht:

    Im Zooplalast war ich 1981, mein einziger Besuch des Berliner Festivals. Ich erinnnere ein Riesenkino, ähnlich wie die Lichtburg (?) in Essen… in letzter sah ich aber sah ich gar keinen Film, dafür John Cale Paris 1919 aufführen, und Laurie Anderson…

  3. Alexander Fritz:

    Richtig, das ist ein ziemlich großes Kino mit vielen Plätzen. Aber du hast auch eine große Beinfreiheit und viel Platz in den bequemen Sesseln. Den ersten Film, den ich dort ebf. auf der Berlinale sah, war „Miles Ahead“, ein tolles Biopic über die Zeit Ende der Siebziger, wo Miles Davis aufgrund von Drogen- und anderen Problemen mehr oder weniger untergetaucht war.


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