„Jedem seine Ergriffenheit, jedem seine Ernüchterung“
Richtig überzeugt an diesem Kinoerlebnis haben mich eigentlich nur die Kameraführung und mein halber Haschischkeks. Natürlich weiss ich, dass man mich nun für einen unverlässlichen Rezensenten halten wird, aber das Risiko gehe ich ein. Ich widme diesen kleinen Text Uschi M., in Erinnerung an unsere Würzburger Filmpantomimen, auch dann, wenn sie den Film ganz toll oder schwer beeindruckend finden sollte, wofür ich aber a bisserl Phantasie brauche (mir das vorzustellen). Ich empfand den Film insgesamt um einiges langweiliger als interessant. Dass der Herr Petzold seinen Ozu und Rohmer kennt, und Tschechov sowieso, kann man an der Filmerzählung ablesen, auch an aktuelle Interviews. Aber, was nützen im Gesamturteil herrlich ruhige Kamerafahrten, wenn ein guter Teil des Drehbuchs, als Humoreske vielleicht gedacht, als Klamotte rüberkommt?!
Mich erstaunen die vielen Lobeshymnen, scheinen sie doch alle locker wegzustecken, dass unser Schriftsteller mit temporärer Schreib- und Ideenblockade allzu lang seine Verklemmungen zur Schau stellt. Das ist wirklich nur begrenzt witzig. Ich kann mir bestens vorstelle, wie der Herr der FILMANALYSE hier quer durch den marxistischen Boulevard der Entfremdung stromert, bietet der Film doch – ünrigens sehr bieder gestrickt – ein Gleichnis an über unser Leben in dieser kranken Welt. Und diese Parabel wird zwar hübsch bebildert, aber seltsam leblos mit zu vielen schrulligen, verpeilten Protagonisten gefüllt. Auch Paula Beer kann da nicht viel retten. Noch schlimmer, auf Dauer bekommen speziell die versammelten Jungs, auch der später auftauchende Redakteur, den trockenen Charme holzschnittiger Stereotypen.
Martina hat ja recht, wenn sie folgendes beobachtet: „Gepflegt wird in ROTER HIMMEL auch die Tradition, eine Geschichte zu erzählen, ein Gedicht aufzusagen und ein altes Fahrrad mit zu vielen Einkaufsnetzen zu behängen.“ Die Lust an den liebevoll gestalteten Details gehört zur Plusseite eines Films, und trägt, in der Summe, dazu bei, den dritten Stern zu retten. Eine dieser Stories in gemeinsamer Runde erzählt ja unser Bisexueller, und die ist leider so bescheuert, dass man erst lacht, und dann doch die Stirn runzelt. Und dann die grosse Erzählung mit dem Titel „Club Sandwich“. Ja, der Titel ist schon der einzige Brüller. Als Matthias Brandt seinem zähen Schützling etliche Passgen daraus vorliest, merkt man rasch, was das für ein Hirnfick ist. Leider auch nicht wirklich witzig, und vielleicht gar dem Dicken in Wenders Edellangweiler „Falsche Bewegung“ gewidmet, der ja auch, wahrscheinlich eine Selbstparodie Handkes, brunzblöde Lyrik widerkäut.
So weit, so schlecht. Und als dann schliesslich das Drama seinen Lauf nimmt, findet der Miesepetrige zu einem ruhigeren Erzählen und steigert seine literarische Performance – im nächsten Werk (ein Reifungsprozess!) – zumindest auf eine 3+ in der Sparte Primanerprosa. Jeder Zuschauer ahnt im übrigen schon früh, das unser Spezi heimliche Gefühle für die Schöne hegt, aber selbst als die launigen Streiche des Sexus dazu führen, dass das Objekt der Sehnsucht nachts in seiner Butze hockt, passiert nichts. Geh mir weg, so eine schnarchige Episode – da stand gewiss eine Szene aus Eric Rohmers „moralischen Erzählungen“ Pate. Und so dümpelt der Film, bei aller formellen Geschlossenheit, bei aller klugen Konstruktion, durch seltsam inspirationsloses Dialoggestrüpp – ein paar Schmunzler, ja, die Sache mit dem Gulasch, aber auf Strecke gesehen, nö, keine Sogkraft. Und dann dieser eine Song: „In My Mind“ … diese drei Worte werden wieder und wieder mantraartig vorgetragen, Achtung: Subtext (!) – und wir ahnen: alles Kopfsache! Ach, wirklich, echt jetzt?! Nein, ein geheimnisvolles Raunen ist diesem Film nicht zueigen. Ein zweites Mal würde ich mir das nicht geben, ganz sicher nicht! Da war mein halber Keks spannender!