Vorab: ich bin kein Brecht-Fan, menschlich gesehen finde ich den Typen nicht den Brüller, schätze aber durchaus seine Lyrik und viele seiner Machwerke. Eines der weniger bekannten – durch Michas Ratequiz habe ich mich daran erinnert – ist die Piratengeschichte Bargan lässt es sein – ein absolut schräger Titel, der im Endeffekt nichts aussagt. Oder alles … Platz für Phantasien; wie immer wenn nichts ausgesagt wird, entsteht ein füllbarer Raum.
Germanisten haben sich übrigens interessiert dieser Geschichte angenommen, im Netz geistern reichlich Seminararbeiten dazu durch das Virtuelle auf der Suche nach einem Leser. Eine Geschichte über die Liebe, wie sie oft sein kann – keine weisse Wolke unter einem Pflaumenbaum, nicht süss und romantisch, mit zarten Schmetterlingsflügeln gegen die Bauchwand pochend wie ein werdendes Kind oder am Kiel der Titanic entflammend, sondern wild, böse, unbezwingbar, und nicht selten tödlich – und sie lässt einem keine Wahl.
Bargan lässt nicht sein, was er besser sein lassen sollte, ein Mann „eine Anstrengung Gottes, geboren den Himmel zu erobern“ – er lässt sich von der Liebe zu einem asshole ruinieren. Das ist fesselnd zu lesen und zu hören – es existiert eine geniale Hörspielfassung, gelesen von Ulrich Wildgruber, begleitet von Sturmgebraus auf hoher See als Synonym für tosendes Gefühlsleben.
Und die Gedanken wandern zurück zu den Lebensfragen, die in der Jugend an uns nagten und immer noch nicht gelöst sind, weil nicht lösbar: warum verliebt man sich nicht in den netten Kerl, bei dem alles passt und mit dem man ein wundervolles Leben im Gleichklang der Interessen führen könnte? Warum macht es einfach nicht zoom, und alles ist gut? Warum bleibt es beim besten lebenslangen Kumpel? Stattdessen zoomt es dann zuverlässig beim grössten Vollpfosten der ganzen Uni, mit dem man nicht einmal ein speed-date bis zum Glockenton überstehen könnte, ohne ihm eine zu semmeln, wenn – ja wenn – einem nicht Amors Pfeil die Pelle penetriert hätte?
Sind wir ein Opfer von Triggern früherer Bindungen? Ein Spiel von jedem Druck der Luft? Streiche, die uns die Neuropsychologie spielt? Einem Hereinbrechen von etwas Transzendentem in unsere Rationalität? War man in einem früheren Leben in Leidenschaft verbunden? Sonstige Atavismen …? Und ist das Ganze gut so wie es eben ist oder wärs sonst langweilig – ohne ein Mysterium, das bleibt wenn alle anderen sich zusehends in den Zeitläuften und ihrem wissenschaftlichen Fortschritt auflösen? Weiss jemand was!?