Manafonistas

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2023 21 Apr

Auf ins Alhambra, Jungs!

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | 7 Comments

 

 

Ich  möchte euch einladen, mit mir durch die Zeit zu reisen und an diesem Abend des Jahres 1961 in einem Club namens Alhambra einzukehren. Besorgt euch einfach die Platte, die bei Waxtime vor Jahren neu aufgelegt wurde. Verdunkelt den Raum. zündet eine Kerze an, und wartet, dass es losgeht. Lasst den Blick schweifen, schaut euch um, ob ihr die eine oder andere scharfe Braut entdecken könnt. Ihr selber gehört zu den Beatnicks, und es ist Zeit für neue Abenteuer. (Offensichtlich ist das hier eine Jungssache, sorry!) Das Konzert, das an jenem denkwürdigen Tag stattfand, an dem einige von euch noch nicht auf der Welt waren, und wahrscheinlich auch nirgendwo sonst, und das  Jazzgeschichte schreiben sollte, zeigt, was dieses Klaviertrio von Ahmad so besonders machte. Die Musik ist weder dem Hard-Bop noch dem West Coast Jazz zuzuordne. Das liegt natürlich am minimalistischem – oft eigenwilligen – Zugang des Pianisten zum Jazz, bei dem er es schafft, klassischen Stilistiken gleichermaßen zu huldigen und zu trotzen. Aber man kann auch behaupten, dass es das Ergebnis von Jamals geografischer Lage ist. Der Hard-Bop-Sound gehörte nach New York, und der Westküsten-Sound war in Kalifornien verwurzelt. Irgendwo in der Mitte lebte und spielte Jamal in seinem Club in Chicago: eine Stadt, eine Zwischenwelt, die schon immer Einflüsse aufgriff und verwandelte, die von den Küsten herüberwehten. Es handelt sich nicht nur um eine Live-Performance, sondern um die klangliche Dokumentation eines Abends im Alhambra. Bei Liedern wie „Love For Sale“ und „Isn’t It Romantic“ hört man das Klirren von Martinigläsern im Hintergrund, das gedämpfte Geplapper des Publikums und die Rufe der Band untereinander, während sie im Rhythmus mit den Füßen stampfen. Die Musik ist da, aber auch die Umgebung, in der sie aufgenommen wurde. Es ist eine Platte, die Bilder von Männern in Anzügen und Frauen in Kleidern heraufbeschwört, die um Cocktailtische versammelt und von Zigarettenrauchwolken umnebelt sind, während die Band ihnen von einer abgedunkelten Bühne aus ein Ständchen bringt. Okay, ich trage Jeans. Die Atmosphäre ist entspannt und frei von Hemmungen – eine offene Fliege, die unter dem Kragen hängt; ein gedämpftes Licht, das die Kerzen an der Bar erhellt; eine weitere Runde Drinks, die einen von leicht beschwipst zu gemütlich angeheitert führt. Es ist eine Nacht voller Jazz, Cocktails und Romantik, die für immer in Ahmad Jamals Alhambra weiterlebt, und man kann sich einfach dazugesellen, mit Scotch und Candlelight.

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7 Comments

  1. interaktionist:

    Wow, danke für diesen wunderbaren Tipp!

  2. Michael Engelbrecht:

    Henning braxhte mich auf die Spur, vor ein Tagen, hier auf dem Blog in seinem Nachruf auf Ahmad. Ich besorgte mir das Teil, wow!

  3. Ursula Mayr:

    Wieso Jungs?

  4. Michael Engelbrecht:

    Das ist mein manchmal durchkommender Macho-Faktor, Uschi… eine kleine Kerouac-Buddy-Fantasie😉… ich hatte mir vorgestellt, da als junger Beatnik aufzulaufen und ein Abenteuer zu suchen, neben der Musik.

  5. Olaf Westfeld:

    Da würde ich auch abhängen wollen ;-) Habe von Ahmad nur vor Jahren mal The Awakening gehört – gibt es jetzt auch wieder auf Platte, habe schon damit geliebäugelt.

  6. Henning Bolte:

    Ein wunderbares explizites Beispiel für Hör(er)Dramaturgie. Danke. Mehr zum Konzept später mal. Sehr schön die athmosphärische Schilderung. Nur das mit dem Scotch war im Alhambra nicht drin.

    Was mich in Bezug auf Ahmad Jamal wundert: es wird jetzt das Hohe Lied gesungen, aber Konzerte von Jamal scheint es in Deutschland nicht viel gegeben zu haben. Bis jetzt nichts gefunden, aber ich werd noch weiter recherchieren.

    Für Frankreich sieht es komplett anders aus. Dort wurde er live immer wieder gefeiert und man fällt über die Konzerte, auch auf Youtube.

  7. Michael Engelbrecht:

    Henning, in einer Sache irrst du: natürlich wurde da im Alhambra kein Scotch ausgeschenkt, den brachten wir damals gerne in Flachmännern mit, und das wurde toleriert.


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