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2023 17 Apr

Im Labyrinth des Unbewussten

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Comments off

 
 

Er erinnert sich daran, dass sie in seinem Fotografiekurs war, im Rotlicht der Dunkelkammer. Fotografien der Freundin, die ihr Ex von ihr gemacht hat, und die sie nicht rausrücken will. Eine Serie von Polaroids, die die Freundin von ihm macht, während er schläft. Die Beiden als Künstlerpaar, sie schlendern über Flohmärkte, die Freundin blättert in japanischen Comics aus den 60ern. Die Kamera immer dabei. Fotografien, die die Handlung weiterentwickeln, gehören zu den Schaltstellen in der Graphic Novel-Trilogie „X“, „Die Kolonie“ und „Zuckerschädel“ von Charles Burns, die zwischen 2012 und 2015 in deutscher Übersetzung bei Reprodukt erschien. Im Unterschied zu Black Hole, das eine Gemeinschaftserfahrung beschrieb, konzentriert sich die Trilogie auf die Figur des jungen Dough, der durch Raum und Zeit stolpert und verschiedene Identitäten annimmt. Erinnerungen brechen immer wieder ab, gleiten über in Träume, Visionen – ein Horrortrip. Kalifornien in den 70er Jahren: Punkkonzerte, auf denen cut up-Texte à la W.S. Burroughs das Publikum begeisterten, vorgetragen von einem Mann, dessen Markenzeichen ein Schattenriss seines Haarschopfs auf dem T-Shirt war, und eine Maske. Die Geschichte zieht sich über Jahre hin. Dough hat etwas zugenommen. Was hat sein Leben mit dem seines Vaters zu tun? Der Vater sitzt im Sessel vor dem Fernseher, der junge Dough stellt einen Sender nach dem anderen ein, aber der Vater schüttelt immer wieder den Kopf. Alles scheint egal und keine Entscheidung macht mehr einen Unterschied oder Sinn. Da ist immer wieder sein Zimmer, ein ungeschützter Raum. Wassermassen spülen die Matratze durch dicke Rohre auf einen reißenden Strom. Die Matratze wird zum Floß, hinein in eine Welt, deren Zeichen er nicht deuten kann. Oder die Leiter rauf auf den spärlich beleuchteten Dachboden mit der seltsamen Frau auf der Hinterbühne. Die Magie der Zahl 23, und was sind das für kleine Lebewesen, die sich im Rührei bewegen? [Das Bild durch Anklicken vergrößern.] Auch eine Schallplatte von Brian Eno läuft: Before and after Science.

 
 

 
 

Die letzten Seiten lösen das Trauma auf, das der Anlass war für den Trip, der Dough ins Labyrinth seines Unbewussten geführt hat. Matthias Manthe hat Burns Graphic Novel-Trilogie in seiner TAZ-Besprechung als eine der präzisesten kulturellen Darstellungen männlicher Subjektivität und Verstrickung überhaupt bezeichnet. Das scheint mir überbewertet, da es eine männliche Subjektivität und Verstrickung in dieser Allgemeinheit nicht gibt. Dennoch, es wird Déjà-vu-Effekte geben.

 

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