Ich weiss noch genau, wie und wo ich das Album „Saudades“ von Nana Vasconcelos erstmals gehört habe – und dann immer wieder hörte. Es war in den Wochen und Tagen vor der Ermordung John Lennons, ich war gerade in der Souterrainwohnung eines neuen Häuschens am Ausläufer des Hohen Bogens eingezogen, im „legendären“ Dorf Bergeinöden. Meine ersten beiden Bücher waren „Ripley Underground“ von Patricia Highsmith (eine Enttäuschung!) und Henry David Thoreaus „Walden“, eine Offenbarung. Zu den meditativen Strömungen von Thoreaus Erkundungen des Alleinseins in den Wäldern passte meine Umgebung im nördlichen Bayerischen Wald genauso gut wie Nana Vasconcelos‘ unendlich reiche Musik, die sich von jedem klar definierbaren Genre verabschiedet hatte. Ich hatte in jenem Jahrzehnte zwischen 1970 und 1980 fast jede ECM-Platte erworben, vieles per Jazz by Post, auch in meiner Zeit als Gruppentherapeut für Alkohol- und Medikamentenabhängige der Musikdealer meines Vertrauens. „Saudades“ war eine ideale Platte für die Stunden vor Mitternacht – häufiger liefen damals im Herbst und Winter allein Brian Eno mit „Another Green World“, Television mit „Marquee Moon“, Neil Young mit „Comes A Time“, David Bowie mit „Low“ und die Talking Heads mit „Remain In Light“ – denn, natürlich, für einen „Townie“ wie mich war es wichtig, in der Einöde das Tanzen nicht zu verlernen. Lange tanzte ich allein, und später dann tanzten wir zu zweit! Ein knappes Jahr lang lebte ich einer Grauzone, in einem permanenten Rausch, in einem Film, den Francois Truffaut gerne gedreht hätte. Er hätte das mit dem Happy End vielleicht hinbekommen. „Saudades“ heisst übrigens „Sehnsucht“. Come on, Eileen! Jedes Leben schreibt seinen ureigenen Soundtrack.
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