Mit Debutfilmen bekannter Regieschaffender ist das so eine Sache – man sucht reflexartig nach Vertrautem, in diesem Fall der Handschrift des Regisseurs, die dieser selbst aber noch gar nicht entwickelt hat. Das kann zu Enttäuschungen führen, gibt aber andererseits die Möglichkeit zu beobachten, aus welchen Quellen dieser sich gespeist und wie er sich weiterentwickelt hat und zusehends der eigene Stil entsteht. Detektivarbeit also, irgendwie.
Die tödliche Maria (D, 1993) ist Tom Tykwers erster langer Spielfilm. Diese Maria, eine noch junge Frau, führt ein Aschenputteldasein. Ihr Leben wird getaktet vom Wecker, dem Pfeifen des Wasserkessels, mit dem sie ihrem Macho- Ehemann den Kaffee bereitet und den hochfrequent erfolgenden Maria-Rufen ihres pflegebedürftigen Vaters, wenn der mal wieder zur Toilette muss, eine Paraderolle für Josef Bierbichler. Das Ende ist natürlich ahnbar. Joachim Król als scheuer Nachbar-Märchenprinz, der in der Welt der Worte lebt – als Kontrapunkt zu Marias Welt der Spracharmut – und vor entfesselter Weiblichkeit zurückschreckt bzw zum Ende im Wortsinne von ihr erschlagen wird. Eine fiktive dystopische und wie aus der Zeit gefallene Welt mit märchenhaften Anmutungen.
Und eine im Grunde platte Handlung, die für einen Mittelklassekrimi zwar gereicht hätte, mit einer bestenfalls reaktionären Botschaft; aber entscheidend ist was man daraus macht. Lola rennt ist vom Plot her auch nicht der Brüller – aber wieviel raffinierte Verwerfungen verstand der Tom da einzubauen.
Aus dem verzopften Nachkriegs-Outfit von Maria, mit fast beängstigender Intensität gespielt von Nina Petri, und der Resopal-Kleinbürgerküche dampft der deutsche Fassbinder-Mief. Dazu das Abgründige eines Cronenberg und der quietschvergnügt und so unbekümmert wie reichlich eingestreute Surrealismus eines Bunuel, die Insektensymbolik mit den sumselnden Fliegen eines Polanski, bei denen man sofort das vergammelnde Fleisch aus Ekel vor Augen hat – einziges Zeichen von Vergänglichkeit in einer Situation von beklemmender Statik und Erstarrtheit. Ein Berg unabgesandter Briefe quillt aus einer Kommode als Bild für eine Sehnsucht, die ihr Ziel nicht finden konnte. Anleihen bei den ganz Grossen, nichts Tykwer-Spezifisches, noch nicht die Eleganz der späteren Filme, das leichthändige Verdrehen von Handlungssträngen, noch keine eigene Duftspur – ein Debut eben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …
Zufällig entdeckt letzten Montag im ZDF. Ist sicher noch in der Mediathek.