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2023 9 Apr.

Cry me a River

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 3 Comments

Semana Santa in Sevilla

 

Wenn die Bruderschaften öffentliche Buße tun und das Volk nicht weiß, ob es schweigen oder in den Partymodus schalten soll, dann freut sich Hartmut Rosa, dass der kirchliche Raum einen erweiterten Kommunikationsrahmen erhält. Tatsächlich wird viel zusammengestanden und geredet, nur wenn das Kreuz mit dem leidenden Christus vorbeigetragen wird, ist die Menge still und bekreuzigt sich. Von den Balkonen hört man einen Flamenco angelehnten Klang, Saeta heißt dieser religiöse Gesang. Hier befindet man sich im Herkunftsgebiet des Flamenco. Die Nachbarstadt von Sevilla, Jerez de La Frontera, verehrt zum Beispiel das ganze Jahr 2023 hindurch die große, etwas strenge Künstlerin Lola Flores. Wie tief katholisch die Menschen in Sevilla sind, zeigt sich an der Anteilnahme an dem Leiden Christi. Es herrscht andächtige Stille, wenn die Träger mit den großen, meist goldenen capillas vorbeiziehen und die religiöse Musik zusammen mit den Nazarenern den Weg weisen.

 

 

 

 

 

Natürlich schlagen sich solche Jahrhunderte alten Traditionen auch in der lokalen Kunst nieder. Weltberühmte Maler lebten hier im 17. Jahrhundert.  Allen voran Francesco de Zurbaran, den ich sehr verehre, wegen seiner makellosen hell / dunkel Malerei. Von ihm hängt ein eher feierlich aussehender Jesu am Kreuz im hiesigen Kunstmuseum. Murillo ist der andere berühmte Sohn aus Sevilla. Er malte im Stil von Zurbaran, nicht ganz so lichtgewaltig, auch menschlicher, immer aber unter dem göttlichen, gnädigen Blick / Segen. Velasquez, auch weltberühmt, ist mit Küchenbildern zu bewundern. Er war sichtbar von Caravaggio beeindruckt, z. B.  von dessen Obstkorb.

 

 

 

 

Obwohl Sevilla gerade zu ihren aktiven Schaffenszeiten eine reiche Stadt geworden war – sie war der Drehplatz des Gold und Silberhandels mit den Kolonialländern – so waren doch die Künstler sehr arm geblieben. Zurbaran hatte zwar den Einfall, seine Bilder per Schiff in die missionierten Länder zu bringen, da dort Gotteshäuser ausgestattet werden mussten, jedoch machte er bittere Erfahrungen mit seinem Überseedeal. Seine Bilder verschwanden.

In dem Stadtteil Triana geht es trotz tausender Besucher der Semana Santa gemütlich zu. Hier kehrt man in kleine Bars und Cafés ein, die in wunderschönen ganzflächig gekachelten Häusern untergebracht sind. Triana‘s Flair wird durch den Fluss Guadalquivir erhöht, ich könnte sofort hierherziehen. Porto am Douro oder Glasgow am Clyde (Hi Ian!) sind solche Städte, die Siedlerwünsche in mir hervorrufen. Augenscheinlich ziehen mich Flüsse an. Ich wohnte gerne am Rhein, an der Weser, an der Dreisam, an der Havel und besonders an der Elbe. Dass soviel Wasser einen Atlantik ausmachen, ist eine gegenwärtig anhaltende Freude für mich.

Wenn man die Besucher der Semana Santa vergleicht mit den Besuchern in der Stierkampfarena, fällt auf, dass es die hiesige, overdressed Mittelschicht ist, die an beiden Events teilnimmt.  Es hat ein Geschmäckle, es sind Kirche und Kapital, die beides schätzen und unterstützen. Wie weit entfernt sie von den neuesten Gedanken der amerikanischen Philosophin Martha Nussbaum sind. Sie will, dass Tiere Rechte erhalten. Das Töten der Stiere ist auf den Kanaren verboten, in Sevilla bzw. ganz Andalusien wird der Stierkampf als Brauchtum gefeiert. Es ist Tierquälerei. Es ist bewusstes Töten.  Das gab’s auch in den Missionen.  Da waren es Menschen.

 

Allen ein friedliches Osterfest.

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3 Comments

  1. Jochen:

    Feliz semana santa, señora!

    PS. „Reif für die gottlose Gesellschaft?“ (Taz)

  2. Lajla Nizinski:

    Danke Jochen. Habe noch ein paar Gedanken angehängt.

  3. Jochen Siemer:

    Martha Nussbaum ist ein interessanter Tipp – dem werde ich mal nachgehen …


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