Beim Wiesbadener Konzert von WHISPERS & CRIES dauerten Aufbau und Soundcheck vier Stunden. Am letzten Samstag ging’s weiter mit der Gruppe VOSTOK im Amsterdamer ORGELPARK, einer mit vielen Orgeln gespickten Spielstätte. Die Zusammenarbeit besteht schon eine Weile und segelt jetzt unter dem Namen VOSTOK = Fie Schouten (Bassklarinette, Bassethorn), Giuseppe Doronzo (Baritonsaxofon, Hulusi), Vincent Courtois (Cello), Guus Janssen (Piano, Orgel, Cembalo), Henning Bolte (live painting). Bei manchen Gelegenheiten stöBt auch Louis Sclavis (Klarinetten) dazu.
Fie Schouten ist die prominenteste Bassklarinettistin aus der Zeitgenössischen Musik in den Niederlanden, wo regelmäBig Kompositionen für sie entstehen. In Deutschland arbeitet sie mit der Musikfabrik Köln zusammen, neben dem Ensemble Modern aus Frankfurt das hochkarätigste deutsche Ensemble Zeitgenössischer Musik.
Mit VOSTOK bewegt sich Fie Schouten nun in improvisatorische Ausrichtung. Giuseppe Doronzo ist hier bereits aufgetaucht mit dem Album ASH. Hulusi ist ein chinesisches Blasinstrument. Guus Janssen ist ein zeitgenössischer Komponist, der nach Misha Mengelbergs Tod dessen Stelle als Pianist im Amsterdamer Instant Composers Pool Orchester einnimmt. Das ICP Orchestra wird derzeit vom Schlagzeuger Han Bennink geleitet. Vincent Courtois, einer der umtriebigsten französischen Musiker, dürfte bekannt sein. Er spielt u.a. mit der deutsch-französischen MusikergröBe Daniel Erdmann zusammen, von wo es wieder eine starke Verbindung zur Pianolegende Aki Takase gibt. Gut, und den live-painting-Teilnehmer brauch ich hier wohl nicht mehr extra vorzustellen.
Kurzum, es wurden erst Aufnahmen für ein Album für das aufkommende New Yorker Label RELATVE PITCH RECORDS gemacht und dann ein Konzert gespielt. Die gespielte Musik ist zur Zeit zu einem gröBeren Teil durch Judith Schalanskys ATLAS DER ABGELEGENEN INSELN inspiriert. Der Gruppenname VOSTOK ist auch ein Inselname, entlehnt von einer abgelegnen (unbewohnten) Koralleninsel im südlichen, die nach dem Schiff Vostok (= Osten) ihres russischen Entdeckers benannt ist.
Soweit in gebotener Kürze ein Bild des Kontextes. Zu den Aufwänden und Umständen des live Auftretens, zur Musik und zum Buch von Schalanski demnächst mehr. Heute keine epische Breite und psychologische Tiefe. Dafür erst mal ein paar bildliche Spuren des musikalischen Geschehens.
Da ich beim Zeichnen dem Rhythmus und der Kadenz der Musik immer auf dem FuB folge bzw. auf den Versen sitze, gibt es bei jedem Konzert eine gröBere Produktion von Bildern. Es kann auch mal vorkommen, dass ein szenisches Bild hervorgerufen wird, dass dann Eingang in eine Zeichnung findet. Dabei kann man aber die nötige Spontaneität verlieren und fängt an ‚konstruierend‘ zu arbeiten, was Hand und Geist in einen anderen Modus des Schaffens führt.