Manafonistas

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2023 23 Mrz

„Listige Listen“ – eine Abschweifung mit Ray, Walker und Emmi

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

We start at the end: A good quarter of an hour after the sequence with Zsófia and Ray had been played, that imaginary radio hour would have come to a somewhat puzzling end, with this very piece here (at the bottom – hear while reading, later hear without reading!), which certainly does not trigger any nostalgic reflexes. What’s more, this piece wouldn’t have had much of an introduction. The best thing to do is to put on headphones, provide a scotch & candlelight ambience, and if this „far out“ track from Weirdsville catches or „flashes“ you, then you might go searching. A little hint: this music comes from the future. The title of the album would possibly be a small chapter in a two hundred page narrative about a single radio hour „round midnight“, full of stories, side lines and (rewarding) dead ends. 


Das Management in London vermied es konsequent, „outside the box“ zu denken. Mir wurde also nicht gestattet, in den Klanghorizonten ein anderes Stück von FORVERVOICELESS zu spielen, eines, das nicht zu den zwei freigegebenen Tracks zählt. Ein Witz, denn die „Version“ kann jeder mit einer Vorstellungsübung „hören“, man braucht nur das betörende, verstörende Songalbum auflegen und sich den Gesang wegdenken. FOREVERVOICELESS hat einen anderen Impact als der Liederzyklus, und wer es „Ambient Music“ nennt, möge sich einmal mehr klar machen, wie extrem divers Enos Klangfelder sind – es liegen Welten zwischen seiner Musik für Flughäfen und The Shutov Assembly – und der Musik der Langspielplatte FOREVERVOICELESS.

 

 

 

 


Ohne diese  exklusive kleine Premiere schien es mir wenig Sinn zu machen, die Musik auf der Playlist zu lassen, die meinen Plattenteller seit Tagen blockierte (s. Foto – das Vinyl erscheint am Record Store Day, als DL dann sowieso). Und, tja, ohne Brian kippte die Psycho-Logik der gesamten Tracklist, meine Vorarbeit war für die Katz, ich musste alles auf Anfang drehen. Es gab zwei Knackpunkte, die dafür sorgten, dass ich im Laufe eines langen Abends, befeuert von einem Viertel Liter Rotwein, „The Enchanted Path“ (von  Molly Dookers Weinbergen in South West Wales), eine neue Liste anfertigte, in der kein Stück dem andern glich. Und die alte Liste wie von einer anderen Welt herüber
funkte. 

Zwei Initialzündungen gab es. Die eine war, dass zwei Freunde vorbeikamen, Walker und Emmi, und wir das Listen-Spiel spielten. Nachdem jeder seine momentanen Lieblingsinseln, Lieblingsserien, Lieblingszugstrecken kundgetan hatte (stets mit einer Minute maximaler Bedenkzeit), ging es um unsere drei momentanen schönsten Lieblingslieder auf Erden (und der letzten tausend Jahre sowieso), zwischen Perotin und Portishead. Eben nicht wie aus der Pistole geschossen, aber mit der Spontaneität, die jedes Erinnerungsspiel, jedes projektive Verfahren, einfordern, wurden die Antworten notiert. Nummer Drei war bei mir A Day In The Life von den Beatles, Nummer Zwei Cosmic Dancer von T. Tex, und Nummer Eins Sunny Afternoon von den Kinks. 

Mir war klar, das Lied ist gesetzt, und die zweite Musik, die unbedingt in meine Playlist hinein musste, war das Sologitarrenwerk von Zsófia Boros. Ich hatte erst vor kurzem die „audio files“ erhalten, und während eines Waldspazierganges legte ich mich auf den trockenen Fleck einer kleinen Lichtung (umheben von Felsenbirne und Dirndlstrauch) und hörte alle Stücke von „El Ultima Aliento“. Ich kannte bereits das vorangegegangene Album der Gitarristin für ECM Series, „Local Objects“. Und einmal mehr fragte ich mich, was genau mich an ihrer ruhigen klaren Art des Spiels so unheimlich fasziniert, und einmal mehr blieb ich mir jede lineare Antwort schuldig. Wissen Sie übrigens, was EL ULTIMO ALIENTE  bedeutet… nun, übersetzt heisst das „der letzte Hauch“, oder auch „der letzte Atemzug“. Ich würde Poesie verfassen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. 

 

 

 

 


Das Cover finde ich dermassen verlockend, wegweisend (manche mögen es für etwas schlicht halten, sogar für kitschig, ein Foto wohl, dass durch eine Bearbeitungs-App geschickt wird, und dann très chic ausschaut, aber das ist mir sowas von schnuppe, solange ich bei dem Anblick zerfliesse).  Hätten Emmi und Walker und ich  die Listen der drei momentan schönsten Cover des Jahres durchgespielt, wäre Zsófia bei mir dabei gewesen, genauso, wie die Cover der  neuen Alben (im Gatefold-Format) von Aksak Maboul und FOREVER VOICELESS.  Die undankbare Nummer Vier wäre an Paul St. Hilaire gegangen: schlagen sie das Gatefold von Tikiman Vol. 1 auf, und Sie erhalten einen sehr sinnlichen Crashkurs über die Geheimnisse der Dub-Ästhetik!

Die anderen Bausteine der neuen Playlist fügten sich rasch zueinander, und, um nicht gross abzuschweifen, nur noch dies: wer einen wahrlich versunkenen Schatz der „fusion era“ der frühen Siebziger heben möchte, sollte in den Niederlanden, bei den den beiden Freunden Werner und Klaus von Aguirre Records, vorstellig werden, und sich diese hinreissende Schallplatte besorgen, die einst bei Dogtown Records in Philadelphia verlegt wurde.

 



Es gibt ja durchaus eine gar nicht so geheime Liste kleiner Wunderwerke, aus den Pionierjahren der fusion music, zwischen solch ikonischen „Burnern“ wie „In A Silent Way“ und „Black Market“ ….  denken wir nur 
an „Under The Sun“ vom Human Arts Ensemble oder an „Zawinul“ von  Zawinul, an „The Jewel On The Lotus“ von Bennie Maupin. Schluss damit, sonst entfaltet sich im Nu die nächste magische Liste. Wie gesagt, an Khan Jamals „Drum Dance To The Motherland“ geht kein Weg vorbei. Aguirre Records is waiting for your kind orders.

Jedenfalls bin ich Ihnen noch den kurzen Sinn der langen Rede schuldig: schlussendlich wurde mir klar, dass ich auf FOREVER VOICELESS nicht wirklich verzichten möchte, setzte den Track wieder an seine alte Stelle, und sofort poppte die ursprüngliche Playlist auf. Daher ist es einfach nur ein Gebot des fair play, hier die drei grandiosesten Stücke zu nennen, aus der Playlist, die nun NICHT eingesetzt wird, als da wären „De rêve et pluie“ von Zsófia Boros, ein paar schwebende Momente von  Khan Jamals Trommeltanz fürs Mutterland, und „Sunny Afternoon“ von The Kinks.

Stellen Sie sich nur mal die Wirkung vor, welche dieses schönste Lied aller Zeiten entfaltet, wenn man abends auf der Couch sitzt, und jeder Gitarrenton von Zsofia einem schon fast vorkommt wie der kühne Bestandteil  einer japanischen Fesselungstechnik für den Hörsinn –  und dann, aus dem Nichts (und berühmter noch als Herbie Flowers‘ Basslinie auf „Walk On The Wild Side“ und das Solosaxofon auf Gerry Raffertys „Baker Street“), die absteigende Basslinie aus Ray Davies‘ sonnigem Nachmittag erklingt. Wir sind ja nicht in einer Stunde voller „golden oldies“, auf Erinnerungsseligkeit getrimmt, wir werden also kalt, oder besser, heisskalt erwischt!

 

 

 

 

Eine gute Viertelstunde, nachdem die Sequenz mit Zsófia und Ray gespielt worden wäre, hätte jene imaginäre Radiostunde ein einigermassen rätselhaftes Ende genommen, mit genau diesem Stück hier, das bestimmt keinerlei nostalgische Reflexe auslöst. Noch dazu hätte dieses Stück auch keine grosse Einführung bekommen. Am besten setzt man Kopfhörer auf, sorgt für ein Scotch  & Candlelight-Ambiente, und wenn dieser „far out“-Track aus Weirdsville einen einfängt oder „flasht“, dann begibt man sich vielleicht auf die Suche nach diesem Album. Ein kleiner Tipp: diese Musik kommt aus der Zukunft. Der Titel des Albums wäre womöglich ein kleines Kapitel in einer zweihundert Seiten langen Erzählung über eine einzige Radiostunde „round midnight“, voller Stories, Seitenstränge und (lohnender) Sackgassen.

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