Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal in der alten Heimat eine Schallplatte gekauft habe. Der letzte Tonträger war vielleicht Du kannst mich an der Ecke rauslassen, eines der schönsten deutschsprachigen Alben, steht aber zwischen den CDs und ist 2008 erschienen. Ich erinnere mich auch daran, das zweite Album von Calexico kurz nach der Veröffentlichung bei Shock Records zu kaufen, oder Original Rockers, die ich aus einem Stapel zog, nachdem ich schon hunderte Alben in einem Second Hand Shop durchgeschaut hatte. Aber das war vor Jahren, Jahrzehnten, … so lange hatte ich in dieser Stadt, in der ich häufig bin, keine LP gekauft bis wir uns zu viert, eine sitzt noch in ihrem Kinderwagen, gestern in den kleinen und schon gut gefüllten Schallplattenladen kurz vor dem Markt drängten. Wir waren an diesem verregneten Samstagmittag alle schon etwas hangry, merkten zum Teil noch den schweren Primitivo vom Vorabend, so dass ich nur schnell durch das ECM/Japo Fach guckte, während der Besitzer des Ladens sich mit einem anderen Kunden über das Rolle mit Hip Hop Album von Afrob unterhielt. Love, Love habe ich noch nie so günstig gesehen, nach einem Blick auf das Vinyl wusste ich warum, bei zwei anderen Alben stimmten jedoch Qualität und Preis: Für €35,- trug ich Gnu High und Nan Madol in ein Café, wo wir unsere Laune besserten, ins Elternhaus, schließlich in einem Auto und zwei Zügen nach Hause. Am Samstagabend reichte die Energie nur noch zum Glotzen (8 Frauen in der ARD Mediathek), dafür hat mich die Musik heute über sonntägliche Landschaften getragen.
Auf der Innenhülle von Nan Madol sind ein Name (vielleicht „Babock“, die Schrift ist nicht ganz deutlich) und ein Datum (22. 12. 78) in verblichener blauer Tinte geschrieben. Ich glaube nicht, dass diese Schallplatte oft lief, dafür ist das Vinyl zu gut erhalten; gleiches gilt zum Glück für Gnu High. Da ich in der letzten Woche mehrmals Travel von The Necks gehört habe, drängen sich mir Vergleiche auf. Musikalische Momentaufnahmen von einer hohen Dichte, kleinteilige rhythmische Partikel, ein klanglicher Wildwuchs, in dem viele Stimmen miteinander plaudern, das Ganze oft mit Brummen und Summen grundiert. Auf dem Album von Edward Vesala finden sich mehr melodische Themen, fast schon folkloristisch-liedhafte Einflüsse, als bei The Necks, die noch tiefer in den reinen Klang einzutauchen scheinen (wobei es ja auf dem neuen Album dieses tolle Stück gibt, wo der Klangstrom fast schon reggaehaft konturiert wird).
Gnu High – die erste ECM LP von Kenny Wheeler, das letzte Album, auf dem Keith Jarrett als Sideman mitwirkte – Kreise, die sich öffnen, Kreise, die sich schließen. Zu den beiden gesellten sich im Juni 1975 noch Dave Holland und Jack DeJohnette vor die Mikrophone des Generation Sound Studio in New York, wo Tony May und Manfred Eicher die Musik (3 Stücke, 40 Minuten) aufnahmen. Pure Champion Sound, massive. Am Ende von Heyoke gibt es eine längere Passage – es ist nur das Schlagzeug zu hören, vor allem zischen die Becken – der unsere Hündin höchst aufmerksam gelauscht hat. An dem Rest der Schallplatte hat Ella dann unverständlicherweise keinerlei Reaktion gezeigt. Sehr bemerkenswert an dieser Arbeit ist, wie genau die Musiker aufeinander hören, wie sie Pausen setzen, sich wechselseitig immer wieder die Bühne überlassen, um wenig später gemeinsam die Sterne vom Himmel zu holen.
Was mich noch ein bisschen umtreibt: nachdem ich einem Freund schrieb, welche Platten ich mir gekauft habe, antwortete er, dass ich „ein sehr vorhersehbarer Plattenkäufer“ sei. Wie gut, dass es bald wieder ein neues Album der Sleaford Mods gibt. Oder ich kaufe mir Hounds Of Love, etwas von PJ Harvey, Common One, oder… mal sehen.