In den Träumen, die ich erinnerte, gab es zwei Sequenzen, die sich häufig wiederholten: zum Einen die Panik, kurz vor dem Abitur völlig unvorbereitet zu sein und der schockierenden Tatsache gegenüberzustehen, nicht ein einziges Mal in all den Jahren meinen Hausaufgaben selbst gemacht zu haben und nun gnadenlos geprüft zu werden. So muss Odysseus sich gefühlt haben in so mancher Meeresenge. Meistens war der folgende Tag die deadline, es gab also nichts aufzuholen. Ähnlichkeiten mit realen Vorkommnissen sind nicht rein zufällig: ein Prüfer meinte mal, da habe wohl der „liebe Gott“ mitgeholfen. Summa summarum fand man sich so manche Nacht senkrecht, schweissnass und hellwach im eigenen Bettgemach, sortierte sich dann aber recht schnell: „Huiuiui, nochmal gutgegangen!“. Ganz das Gegenteil dies: mittels Autosuggestion konnte man fliegen, konnte jeder Bedrohung flugs entweichen und das mit grosser Lust. Man hob ab, nur bei nachlassender Gedankenkraft verlor man an Höhe. Der Wunsch zu fliegen ist ja ein menschlicher Archetyp. Ich hatte den Traum jetzt lange nicht mehr, nicht nur diese Potenz schien sich abzuschwächen, irgendwann aus irgendwelchen Gründen. Was aber bis heute bleibt, ist eine Verwandtschaft zu jenem Erleben, dass in den flow von Wahrnehmungen führt. Man muss den Sprung vollziehen, weg vom begrenzten Tellerrand. Dann stellt man mit Erstaunen fest: das Leben wird trotz kurzzeitiger Perspektiv-Verengungen plötzlich wieder zum reizvollen Parcours. Es ist wie auf dem Jahrmarkt: „Schau mal dort, und hier will ich noch rein!“ Dabei verliert und gewinnt man sich zugleich. Es ist so einfach, wie die Simple Minds es singen: „First you jump, then get wings.“ Der Soziologe Dietmar Kamper schrieb dazu: „Das Leben lebt nicht. Man muss zaubern können.“ Und der unvermeidliche Martin Heidegger sprach vom Rettenden, das bei Gefahr stets mitwächst.