Manafonistas

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Archives: Februar 2023

2023 19 Feb.

beiläufig

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beiläufig  ©️FOBo_

 

In den Neunziger Jahren sass ich mit Konrad  Heidkamp in der NDR-Kantine an der Rothenbaumchaussee. Er war mittendrin in der Produktion einer zehnteiligen Radioserie über das Leben und die Musik von Nina Simone. Und erzählte mir von seinen Entdeckungen im Archiv. Ich bekam eine kleine Geschichts-  und Geschichtenstunde serviert. Tonbänder Ja, natürlich werde er ihre Version von „House of the Rising Sun“ spielen, sagte Konrad, als wir ein paar Songs durchgingen, die aus der LP „Nina At The Village Gate“. Das waren noch die Zeiten mit  Michael Naura, Hannelore Raukuttis und Tobias Hartmann. Eine Wiederholung wäre wunderbar, irgendwo im Archiv schlummern die alten analogen Tonbänder. Wo fängt man  an, wenn man Lust auf Nina Simone hat? Fast jeder hat Lieblingssongs im Ohr, wenn er den Namen hört, und fast allen, die Dokumente ihrer Live-Auftritte kennen, ist die Intensität, die Präsenz dieser Frau, in bester Erinnerung. Sie konnte unter die Haut ihrer Lieder schlüpfen, und stellte sie nie einfach nur in den Raum.  Fragen sie mal Nick  Cave!   Oder greifen Sie zu dem Buch, das sein langjähriger Weggefährte Warren Ellis geschrieben hat… Oder sehen Sie sich auf Apple + die  Doku „Summer of Soul“ (1969) an. Oder besorgen Sie sich die Märzausgabe von UNCUT! (m.e.)

 

 

 

 

„CAN you feel it?“ fragte Nina Simone die 40.000 Menschen, die sich auf einem schlammigen Fußballplatz in St. Jude, Alabama, einem Vorort von Montgomery, versammelt hatten. „Can you see it?“ Das waren Zeilen aus dem Song „Mississippi Goddam“, den sie geschrieben hatte, aber an diesem Abend im März 1965 klangen die Fragen, die sie stellte, eher optimistisch. Normalerweise begleitete sich Simone bei „Mississippi Goddam“ selbst am Klavier, aber es war unmöglich, ein so sperriges Instrument in das schlammige Feld zu schleppen, so dass ihre einzige Begleitung an diesem Abend ihr vertrauter Gitarrist und lebenslanger Mitarbeiter Al Schackman war, der ihren Gesang mit jazzigen Riffs untermalte. „Wenn wir als Duo spielten, waren wir nicht an den Rhythmus von Bass und Schlagzeug gebunden“, sagt Schackman heute. „Wir konnten in jede Richtung gehen. Das war für mich ein Highlight, mit Nina zu spielen. Mississippi Goddam‘ ist ein ziemlich tiefgründiger Song, mit einer unheimlichen Unterströmung. Er klingt so fröhlich, aber dann fällt er in eine Moll-Tonart ab, mit Hunden, die an deinen Zehen knabbern.“

Diese Hunde hatten sie schon den ganzen Tag geknabbert. Simone, Schackman und ihr Ehemann und Manager Andy Stroud waren mit einem kommerziellen Flug nach Montgomery geflogen, aber der Gouverneur hatte den Flughafen mit Feuerwehrautos blockiert, so dass sie nach Jackson, Mississippi, umgeleitet werden mussten. Unerschrocken charterten sie ein kleines Flugzeug für die letzte Etappe ihrer Reise. In Alabama standen sie unter ständiger Bewachung durch Bundesmarshalls. „Wir mussten durch eine Polizeikette laufen, um zur Bühne zu gelangen“, sagt Schackman, „und Nina schrie nur: ‚Geht mir aus dem Weg! Sie war unglaublich.“

In den Wäldern jenseits der Felder befanden sich Mitglieder des Klan und sogar örtliche Ordnungskräfte, die alle bereit waren, Ärger zu machen, wenn sich die Gelegenheit ergab. Schackman erinnert sich an ein noch viel bedrohlicheres Zeichen, als er seinen Verstärker und seine Gitarre aufstellte: „Die Bühne war aus Sperrholzplatten gebaut. Ich suchte nach einem Platz zum Anschließen. Einer von Belafontes Musikern sagte mir, ich solle unter dem Vorhang nachsehen. Ich hob ihn hoch und sah all diese Särge! Die Bühne war auf Holzsärgen aufgebaut, die ein örtliches schwarzes Beerdigungsinstitut gespendet hatte. Ich erzählte Nina davon, und sie sagte, diese Särge seien für die ganzen Hinterwäldler.

Vielleicht war es das Holz all dieser Särge, das „Mississippi Goddam“ an diesem Abend noch kraftvoller klingen ließ. Wie die Bühne selbst war auch der Song auf den Toten aufgebaut: Simone hatte ihn nach der Ermordung von Medgar Evers und dem Bombenanschlag auf die 16th Street Baptist Church in Birmingham geschrieben, bei dem vier junge schwarze Mädchen, nicht viel älter als ihre eigene Tochter, getötet wurden. Als sie das Lied 1964 in der Carnegie Hall vorstellte, sagte sie einleitend: „Dies ist ein Show-Tune, aber die Show ist noch nicht dafür geschrieben worden“. In Alabama machte Simone deutlich, dass die Show in Märschen, Demonstrationen und Konzerten geschrieben wurde.

 

 

 

 

(Am Vorabend von Simones 90. Geburtstag zeichnete Stephen Deusner in der März-Ausgabe der Zeitschrift „Uncut“ ihren Weg von den Folkclubs in Greenwich Village bis hin zu ihrem Aufstieg als Hohepriesterin des Soul nach. Dies war nur die Eröffnung. Derzeit ist die Märzausgabe in den meisten gut sortierten Bahnhofszeitschriftenläden zu bekommen. A joy to read, and more joy to listen to – afterwards.)  

 

„Ich erinnerte mich auch an die Zeiten, in denen ich Nina Simone im Ronnie Scott’s oder auf der South Bank gesehen hatte und irritiert und sogar wütend war über die Distanz, die sie zwischen sich und ihrem ausschließlich weißen Publikum aufbaute, was sich in Anfällen von Schroffheit und Grobheit äußerte, die man gemeinhin dem Temperament einer Diva zuschreibt. Sie in einem Park in Harlem zu sehen, wie sie sanft das brandneue „To Be Young, Gifted and Black“ zu ihren Leuten singt, so zentriert, so gelassen schön in ihrem afrofuturistischen Haar, ihren Gewändern und ihrem Schmuck, ließ mich diese Reaktionen von vor über 30 Jahren beschämt zurückweisen. Sicher, ich liebte die Musik in Summer of Soul, aber ich kam auch aus dem Kino in eine laue Londoner Nacht, in der ich über vieles nachdenken musste.“

(Richard Williams über „Summer of Soul“)

2023 18 Feb.

Ein Meister der archaischen Töne

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Dass ich die Romane von James Lee Burke sehr schätze, ist bekannt. Bevor ich mich dem jüngsten Streich zuwende, „Angst um Alafair“, habe ich in der Bretagne und daheim einen seiner berüchtigt „dicken Schinken“ verschlungen. „Keine Ruhe in Montana“ aka „Swan Peak“. Analog zur Ambient Music ein Pageturner, der auch langsames Lesen belohnt. Nach den verheerenden Ereignissen des Hurrikans Katrina in New Orleans haben sich der Cajun-Polizeidetektiv Dave Robicheaux und sein unberechenbarer Ex-Partner Clete Purcel zum Fischen in die atemberaubende Landschaft des Bitterroot Valley in Montana zurückgezogen. Doch Burke kann nicht zulassen, dass diese beiden Charaktere in einer friedlichen Welt existieren, und es dauert nicht lange, bis sie in die Ermittlungen zu dem brutalen Mord an zwei jungen Studenten verwickelt werden, der nur einen Steinwurf von ihren Ferienhütten entfernt begangen wurde. Wie immer ist Clete Purcel ein natürlicher Anziehungspunkt für Probleme, und diese kommen in immer stärkeren Wellen. Burke hat es verstanden, einen roten Faden durch die verschiedenen Handlungsstränge zu spinnen, und wenn er beginnt, alles zusammenzuziehen, erhöht sich die Temperatur durch die Verdichtung auf ein fast unerträgliches Niveau. Zusammen mit Burkes Fähigkeit, sich in die eindringlichen Landschaften hineinzuversetzen, die er mit so viel Liebe und Leidenschaft beschreibt, bestätigt dies einmal mehr seine Stellung als einer der besten amerikanischen Schriftsteller. Übrigens ist die Cover-Ästhetik amrikanischer Kriminalliteratur oft grottenschlecht. Pendragon liefert da erfrischende Alternativen. Nicht immer finde ich die deutschen Titelgebungen  gelungen, aber die Cover, wie in diesem Fall, um so öfter.  Privater Soundtrack zum Buch: Daniel Lanois: For The Beauty Of Wynona. Labradford: Fixed:Context. Johnny Cash: American Recordings 4.  Bruce Springsteen: Nebraska. Nima Simone: Nina at the Village Gate. Lambchop: The Bible. John Lee Hooker: Burnin’. Und sowieso die Musik, die im Buch vorkommt.

 

2023 17 Feb.

Essential needs

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reality a turntable of desire

©️FoBo_

 

2023 17 Feb.

„The Banshees of what?“

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Pádraic: How’s the book?
Siobhán: Sad.
Pádraic: Sad? You should read a not sad one, Siobhán, else you might get sad.
Siobhán: Mm.
(pause)
Siobhán: Do you never get lonely, Pádraic?
Pádraic: Never get wha?
Siobhán: Lonely.
Pádraic: (mutter in annoyance) No. “Do I never get lonely?” What’s the matter with everybody?

 

 

 

 

 

Komik an der Oberfläche. Anfangs. Gar Dorfbewohnertrotteligkeit. Eine abgelegene Insel, westlich vom irischen Festland, wo der Krieg eingezogen ist. Was die Schrulligkeit, den kauzigen Humor angeht, auch die Musik, fühle ich mich an Local Hero erinnert.  Auch da gab es eine tiefe melancholische Textur. Und die wird immer möchtiger im Laufe der Zeit. Ein grosser kleiner Film.  Die Kamerafahrten  tragen dazu bei, den tieferen Sinn von McDonaghs Fabel zu enthüllen. Oft sehen wir Pádraic von außen, wie er durch das Fenster in Colms Haus oder in den Pub späht und nach Colm sucht. Der arme Pádraic ist nun ein unerwünschter Außenseiter, zurückgewiesen und isoliert, eine Reminiszenz an ähnliche Einstellungen in Bressons Tagebuch eines Landpfarrers. Oder die Metapher der Banshee, des Omen des Todes, verkörpert durch Mrs. McCormick, deren unheimliche Erscheinung die allgegenwärtige Bedrohung durch die Sterblichkeit veranschaulicht, genau wie der Sensenmann in Ingmar Bergmans Das siebte Siegel. Und ein Spur von rumhängen umd warten auf Godot sowieso. All diesen subtilen Anspielungen zum Trotz, ein wunderbarer, verstörend-eigensinniger Film. Thumbs up. War für etliche Oscars nominiert, ging leer aus. Oscars werden sowieso überschätzt. Der Soundtrack bekommt von mir einen Artur. Watch the animals!

(disney plus)  

(mrs.ripple & m.e.)

2023 16 Feb.

Schwarz und Schwarzer

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Die Vorstellung der Autorinnen und Autoren, man könne Frieden herstellen, indem man „Frieden!“ ruft, ist mir zuwider.

(Herfried Münkler, Hannoversche Allgemeine Zeitung)

 

Vor Zeiten las ich mal, Faschismus sei ein Kurzschluss von Philosophie und Politik, aus dem heraus der Weisungsauftrag einer imperialistischen Landnahme und die Unterwerfung fremder Völker aufgrund einer philosophisch oder idealistisch konstruierten „nationalen Identität“ entsteht. Ein Vergleich mit Nazi-Deutschland mag hinken, aber genau dies ist der Fall: Putin und seine Schergen führen einen Angriffskrieg aus der von ihnen selbst ernannten Legitimation einer „russischen Identität“ heraus. Und ebenso wie im Dritten Reich spielen auch Ressentiments mit, als ein Volk von anderen ungerecht behandelt worden zu sein und nun beleidigt Rache zu nehmen. „Wir feiern hier ’ne Party und du bist nicht dabei!“ sang Herbert Grönemeier. Als die Menschen auf dem Maidan für Freiheit und Demokratie tanzten, da konnte das den reaktionären und verklemmten Humpelbeinen um Putin, gestützt natürlich durch die katholisch orthodoxe Kirche, nicht recht sein: „Wo schwarze Pädagogik war, soll schwarze Politik sein, immerdar!“ Mir scheint, bei den Publicity-Profis Wagenknecht und Schwarzer ist der Groschen hier noch nicht gefallen, besser: sie haben den Schuss nicht gehört! Es geht nicht um verhandelbare Ausbalancierungen von Blöcken zum Zwecke der Friedenssicherung wie einst zu Breschnevs und Brandts Zeiten, sondern schlichtweg um russischen Faschismus. Wer hätte denn mit Hitler verhandelt?

 

2023 15 Feb.

Two kinds of blue

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This is fascinating. One album that grows more and more with time (first encounter lingering), the other one catches immediately (old love never dies – bringing back memories of tropical London, 1990, meeting Jon in South Kensington). The former is Lucrecia Dalt‘s take on South American traditions, „!Ay!“ (2022, The Wire‘s album of the year), songs, bass, electronics, and all, the latter Jon Hassell‘s double vinyl, called „Psychogeography“ (just released), Jon‘s reworking of studio and home recordings of materials and improvs from the days of 1990’s „City: Works of Fiction“. The sound is ace. Sketches, the gift of special moments, some shots in the dark. Two records, two kinds of blue, very fine. Excellent pressing in the case of the Jon’s Ndeya edition with inspiring liner notes by Hassell himself (track by track notes, and damn good ones!), Adam Rudolph and Jeff Rona. 

 

2023 14 Feb.

white wall

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Von der Seuche befallen war ich eine gute Woche ausgeschaltet und bin zu nichts gekommen. Viel Zeit im Bett gelegen, mehr Ibuprofen gefuttert als im gesamten letzten Jahr, tags geschlafen, nachts gewälzt, gefroren. Zwei Krimis von Volker Kutscher gelesen, Marlow und Olympia. Das langsame Tempo hat es mir erlaubt, den Handlungsfäden auch mit matschigem Kopf halbwegs zu folgen, die Tatsache, dass ich einige der vorherigen Romane nicht kannte, hat wenig ausgemacht – wobei ich mich schon gefragt habe, woher Charlie und Gereon auf einmal ein Pflegekind haben. Irgendwann, als ich noch nicht gesund war, es mir aber schon etwas besser ging, habe ich mir noch einen Cormoran Strike Roman auf das Tolino geladen, Lethal White. Auch hier hatte ich den unmittelbaren Vorgänger nicht gelesen, was ich bei der Entscheidung für das Buch nicht auf dem Zettel hatte, aber wieder nicht sehr erheblich war. Die beiden ersten Krimis hatten mir schon gut gefallen, Robert Galbraith / J.K. Rowling kann wirklich gut schreiben, was Sprache, aber auch Charakterzeichnung und Handlung angeht. Lethal White fand ich noch etwas besser – ein sehr guter Krimi.

Musik habe ich komischerweise kaum hören können, wobei das wahrscheinlich immer noch vergleichsweise viel war. Am häufigsten liefen drei Alben von Steve Tibbetts, Yr, Northern Song und Exploded View. Das mittlere Album – Northern Song – gefällt mir am besten. Eine Meditation über die Räume zwischen den Klängen, die Stille zwischen den Tönen, die Verhältnisse zwischen Ruhe, Klang und Musik. Aber auch die anderen beiden Alben sind wunderschön: ineinander verflochtene Melodien, unterschiedliche Schattierungen von Klängen, eine Mischung von elektronischen und akustischen Instrumenten aus verschiedenen Kulturen. Diese Musik ist wie ein sonderbares Rätsel, dessen Lösung man immer wieder neu erfinden muss. (Die Beschreibung der Musik von Herrn Tibbetts hat mir in Teilen ChatGPT geliefert).

 

 

Official Trailer

 
 
Lucy und ich sind nicht die einzigen, welche The White Lotus, Staffel 1, fünf Sterne gegeben haben. Here we go again. Es ist ein Beweis dafür, wie gut die erste Staffel von „The White Lotus“ war – das Drehbuch, die Mischung aus Krimi und bissiger Satire, die Darsteller, die Regie, die großartigen Aufnahmen selbst unter Lockdown-Bedingungen -, dass so viele Szenen unvergesslich sind, und dass man kaum weniger zu entdecken bekommt beim erneuten Sehen. Jetzt ist der Schöpfer der Show, Mike White, mit einer weiteren sorgfältig ausgewählten Gruppe überprivilegierter Gäste zurück. Diesmal werden sie vom Personal – und von Sexarbeiterinnen – des White Lotus Hotels auf Sizilien statt auf Hawaii betreut, und Whites wachsames moralisches Auge gilt eher der Sexual- als der Rassenpolitik. Der Schreibstil ist so dicht und vielschichtig wie immer, die Handlung ist tadellos und die Sympathien – oder Abneigungen – des Zuschauers dürfen nie zu lange an einem Ort verweilen. Die Figuren mögen dazu da sein, sich zu entspannen, aber White ist keiner, der sein Publikum entspannen lässt. Auch hier fünf Sterne. Ich glaube, Jochen ist ebenso Teil des Fanclubs. Jetzt muss mir nur noch jemand verraten, wie man an der Amalfiküste gut unterkommen kann, dann buche ich sofort. Ich kann ja nicht immer nur in der Bretagne Solitaire spielen.

LM / ME (Amazon Prime)


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