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2023 9 Feb.

Die Inszenierung eines Klassikers

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | Comments off

Es gab schon etliche Projekte, bei denen Künstler klassische Alben – von Sgt. Pepper bis Dark Side Of The Moon, von Kind Of Blue bis OK Computer – originalgetreu gecovert haben, wobei sie die vorhandenen Melodien und Akkorde respektvoll umsetzten. Bitches Brew, das bahnbrechende Doppelalbum von Miles Davis aus dem Jahr 1970, das regelmäßig in Umfragen zu den besten Alben aller Zeiten auftaucht, ist eine kanonische Veröffentlichung, die sich einer solchen Behandlung widersetzt. Bislang. Es ist keine Platte, die man transkribieren und auf Punkte auf einer Seite reduzieren kann. In der Tat wäre es schwierig, irgendetwas davon zu summen. Ihr Wesen liegt in der unorthodoxen Wahl der Klänge – effektbeladene Fender-Rhodes-Pianos, Bennie Maupins grollende Bassklarinette, das schockierende, nicht tonale Heulen von John McLaughlins dissonanter Gitarre. Bitches Brew ist auch das Ergebnis einer ganz besonderen Methodik: Musiker improvisieren frei über einem dichten, dissonanten „Gebräu“. Die Akkorde ändern sich kaum. Melodien oder Riffs werden selten wiederholt. London Brew ist eine „Neuinterpretation“ des Bitches Brew-Albums, die vom Produzenten Martin Terefe zusammengestellt wurde. Der alte Schwede versammelte mehrere britische Spitzenjazzer, um das 50-jährige Bestehen von Bitches Brew zu feiern. Diese Musiker sind zwar mit amerikanischem Jazz aufgewachsen, haben sich aber oft von diesem abgesetzt und Anleihen bei karibischer, westafrikanischer, südafrikanischer und indischer Musik sowie bei der britischen Clubkultur gemacht. Das ist der Grund, warum diese Version von Bitches Brew einen deutlichen Londoner Akzent hat. Interessanterweise fehlen einige der wichtigsten Stimmen des Originalalbums. Zum Beispiel gibt es keine Trompete (eine kluge Entscheidung, keine Frage!). Die Hauptinstrumente sind die beiden Tenorsaxophone von Nubya Garcia und Shabaka Hutchings, während die Tuba von Theon Cross Maupins Bassklarinette ersetzt. In der Rolle von McLaughlin spielt der Gitarrist Dave Okumu schwere, verzerrte Riffs, während wir anstelle von Joe Zawinul, Chick Corea und Larry Young Nick Ramm und Nikolaj Torp Larsen haben, die beide Rhodes und andere Keyboards spielen. So weit, so gut, die spannende Frage ist, wie aussergewöhnlich ist letztlich diese Inszenierung eines Klassikers? Werden neue Räume erschlossen, wird das ganze bloss virtuos und geschmackssicher auf die Bühne gebracht, will man das wieder und wieder hören, oder doch lieber baldmöglichst zum Original zurückkehren? VÖ: 31. März 

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