2016. Natürlich bereite ich mich auf das Leben auf der Strasse vor, und muss dafür noch ein „survival camp“ abschliessen. Die Rede ist vom nächsten Road Movie durch die North Western Highlands, natürlich im vollklimatisierten Land Rover, aber schliesst das Abenteuer, Schrecken und wilde Romantik aus? Nein. Netterweise hat Brian Eno mich nach Notting Hill eingeladen, in der Zeit nach den Orkney-Inseln. „The Jana Winderen piece is interesting“, heisst es in der Mail weiter, und – man leite daraus besser nichts Konkretes ab – „Everyone is ‚going ambient‘ these days. You’re probably right – it’s time for my hair-metal album …“ Der Kreis schliesst sich sowieso erst (und hier kommt ein verkappter, poetisch verschlüsselter Kalenderspruch), wenn das ganze Territorium erkundet ist, und dazu zählen Abstürze, Wolkenritte und die Allgegenwart von Windmühlen. Windmühlen? Windmühlen! Die einen haben die Bibel zur Hand, in welcher, in langen Passagen, unfassbarer Unsinn enthalten ist, die andern Don Quixote. Situationskomik ist eine Stärke dieses in geglücktem Alleinsein geschaffenen Werkes (die vor Jahren erfolgte Neuübersetzung empfehle ich sehr!), und sicher auch ein Element der kleinen Paketlieferung, die vor ein paar Tagen Stirnrunzeln und Verwunderung auf die Gesichtszüge von Robert Wyatt gezaubert haben dürfte. Ich hatte ja schon vor Monaten Aby Vulliamy gesagt, sie solle ihr allerfeinstes Album „Spin Cycle“ Robert Wyatt senden, und auch Bill Wells ermutigte sie dazu. Gesagt, getan, und aus der Antwort Robert Wyatts (ein Mann des zwanzigsten Jahrhunderts schickt noch Postkarten) ging klar hervor, wie sehr er dieses Album aus dem Hause Karaoke Kalk schätzt. Nun schickte ich, sagen wir, als Weihnachtsgeschenk, Robert Wyatt Julio Cortazars „Rayuela – Himmel und Hölle“ zu. Wollte ich schon lange. Robert wird nicht oft Post von Amazon bekommen, er hat da eine klare kritische Position. Aber was soll’s? Schliesslich fält ihm ein gnadenlos fantasievolles, existenzielles, politisches, musikalisch berauschendes Erzählwerk in die Hände, unter andere, aus einem alten Paris, das er selbst dereinst besungen hat, und unter Einbeziehung all meiner verfügbaren Empathiewerte wird er das Buch wohl zu den unvergesslichen Leseerlebnissen seines Lebens zählen, wenn er die Musse und Ruhe dafür hat, und nicht andere Dinge des Lebens ihn in Beschlag nehmen. Ich sehe es geradezu vor mir (aller Ahnung ist eine Spur Halluzination beigemischt), wie er die erste Seite liest, dabei schon in einen sanften Sog gerät, und abends eine alte Blue Note-Platte von Sidney Bechet auflegt. (Alles weitere, und garantiert zeitlos, nebenan, in der allmonatlichen Kolumne „Erzählwerk“.)