Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2023 10 Jan.

Radio on!

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

     

    1 – “The feeling that’s projected“ … Das war wieder mal ein netter Mailwechsel mit „Henning, The Bolte“. Es ging um den Thrill der Oberflächen. Dass Oberflächen Portale sein können. Und meine frohe Botschaft war: wenn man Oberflächen spielerisch bedient, kann Tiefe begünstigt werden. Deepness. Was sich etwas kryptisch anhört, wird im Kontext vom „Schreiben oder Reden über Musik“ sonnenklar. Es geht bei meinem Verständnis von „sinnlichem Radio“ darum, manch komplexe Sache mit „Sound & Vision“ und langem historischem „Bart“ (Appendix) bildhaft zum Aufleuchten zu bringen. So kann es noch leichter „einleuchten“. Die akademische Analyse bitte schön kurz und schwunghaft! In einem Jazzmagazin (und ich mag dieses Format) will ich, dass Zuhörer von Klängen überrascht werden. Ich will Geschichten erzählen, selber Stories erzählt bekommen (ruhig und sachlich wie bei Niklas Wandts Begegnung mit dem Pianisten aus Ungarn und den Folklorismen eines Komponisten der Klassischen  Moderne – oder assoziativ, schillernd und fokussiert zugleich, wie es Karl Lippegaus mit Albert Ayler anstellt). Wenn ich mich eine Zeitlang seitwärts treiben lasse, wie es Robert Pirsig einst trefflich ausführte, als „lateraler Drift“, in „Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten“, ergeben sich mit der Zeit automatisch „rote Fäden“, Leitmotive (dieses Ein-Ding-kommt-zum-andern-Phänomen): in der„blue jazz hour“ am kommenden Donnerstag um 21.05 Uhr im Deutschlandfunk sind es, unter anderem, diverse Verbandelungen von Folk und Jazz, von „free play“ und „pure melody“.

     
     

    2 – „… that is sometimes …“ Ganz zu Anfang schwebte mir ein Mittelteil voller „free music“ vor, in dem ich zwei im letzten Herbst rausgekommene „Klassiker ihrer Art“ vorgestellt hätte, das Mammutwerk „Centipede“ au dem Jahre 1971 (mit einem kleinen Erinnerungstext  von Robert Wyatt (zum Schmunzeln)), und die „Schwarzwaldfahrt“ von Brötz und Bennink aus dem Jahre 1977 (neu inszeniert von Trost Records, Wien). Mittendrin hätte ich das aktuelle Soloalbum der Sängerin Maggie Nicols präsentiert (nur Gesang und Piano, betitelt „Are You Ready“, und u.a. mit einer Liebeserklärung an Albert Ayler – Maggie war schon 1971 dabei, bei „Centipede“, und ganz nebenbei, wer hat dieses Doppelalbum der damals jungen wilden Briten produziert? Ein gewisser Bob Fripp!) Aber plötzlich sah ich: mein Plan würde den zeitlichen Rahmen sprengen – was nun? Und genau an diesem Vormittag, als ich erstmal dumm guckte und wild rätselte, lag, unangekündigt, unerwartet, Andrew Cyrilles brandneues Soloalbum aus dem Hause Intakt in meinem Postkasten. SYNCHRONIZITÄT! Ihr hättet mal meinen „inneren Luftsprung“ sehen sollen! Andrew Cyrille – perfekt! (s. das Foto von Ingo, und sein Statement über „Feeling“, ein paar Blogeinträge früher!)

     
     

    3 – „… the most difficult …“ Das ist ein anderer Punkt: nie wie von der Kanzel verkünden (jede Beweihräucherung verliert den klaren Blick), und vor dem Mikrofon die Nüchternheit genauso meiden wie die Ergriffenheit (heiterer Ernst und leise Ironie sind willkommen). The feeling! So nahm alles seine Formen an – Melodiker und Soundschöpfer an den Drums, von Sebastian Rochford bis Jon Fält. Die „japanischen Noten“ bei Uusi Aika und Anders Jormin. Die (en passant) bewegenden Erinnerungen von Sebastian zu seiner „Hausmusik“ (die nach innen gekehrte Langsamkeit seines Sprachflusses!). Wie Manfred Eicher sich in einen Raum einfühlt, in dem er selbst nie anwesend war. Wie Mette  Henriette auf einmal (aus heiterem Himmel) über das Kreisen der Planeten im Sonnensystem spricht (live in Frankfurt am 15. Januar im KVFM). Oder die Begleittexte zu Anders Jormins „Pasado En Claro“ – wenn man das eine oder andere Gedicht auf sich wirken lässt, in der Sendung wird es wohl „The Woman of the Long Ice“ sein. Oder Petrarca. Wir sind alle Fährtenleser. The space under surfaces.

     
     

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