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2022 29 Nov.

Die Magie der Dinge

von: Ursula Mayr Filed under: Blog | TB | 26 Comments

 

 

Das Alter spricht eine Sprache, auch alte Dinge sprechen ihre Sprache – Binsenweisheit, klar, aber immer wieder schön. Lajlas Bilder haben mich inspiriert.

Es war 1951, ich war drei Jahre alt und mit Mama auf dem Oktoberfest, stand traurig vor einer Schiessbude mit ihren herrlichen glitzernden roten Krepppapierrosen, die mich auch heute noch unwiderstehlich anziehen. Mamas konnten damals im Gegensatz zu den Papas, die es allzu gut verstanden hatten, leider nicht schiessen; ich selbst habe es später gelernt, ausschliesslich wegen der Schiessbuden und ihrer Rosen; meine jeweiligen Begleiter bekamen dann immer eine Rose geschossen. Man wollte ja emanzipiert sein. Leider gabs dann später nur noch nichtglitzernde Plastikrosen, aber es reichte um Begleiter zu beeindrucken.

An die wunderbaren Stofftiere und Püppchen in der oberen Reihe wagte ich damals gar nicht zu denken. Plötzlich wuchs neben mir etwas in Violett empor, fast genauso gross wie ich, darüber schwebte ein dunkles Gesicht mit strahlend weissen Zähnen, dazu gutturale Laute in einer fremden Sprache. Ein farbiger Besatzungssoldat hatte mein Sehnen beobachtet und mir rasch einen lila Teddy geschossen. Und hatte keineswegs vor mit meiner Mutter anzubändeln – dergleichen kannte ich zu gut, berechnende Männerfreundlichkeit – sondern verschwand gleich wieder. Seither liebte ich Besatzungssoldaten, vor allem farbige.

Mein Brummi erzählt eine Geschichte von Versagung, Wünschen, Vaterlosigkeit, Soldaten, Kinderglück und Krieg. Und dass Schiessen nicht immer Töten bedeutet. Und neulich habe ich ihn restaurieren lassen und einen neuen Arm im alten Stil anpassen – im konservativen Salzburg, in dem es sogar noch sowas wie eine Puppenklinik gibt, eine aussterbende Spezies.

Und jetzt nehme ich endlich das Buch „Die Macht der Dinge“ zur Hand (Verfasser ist mir grad entfallen), steht schon lange auf der Agenda. Das Richtige für die Rauhnächte …

 

This entry was posted on Dienstag, 29. November 2022 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

26 Comments

  1. Ursula Mayr:

    Karl Heinz Kohl: Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte

  2. Lajla:

    Das ist ein schlauer Teddy. Er guckt zum Riss hin und brummt: there is a crack in everything, that‘s how the light is coming in.

  3. Ursula Mayr:

    Hihi – genau!

    Er hat übrigens noch seine zwei Originalaugen, eins ist aber zugewachsen.

  4. Jörg R.:

    Nett! Und dann warst Du hinter den Soldaten her?

  5. Ursula Mayr:

    Aber hallo! In der Hoffnung auf eine Teddydame für Brummi.
    Meistens gabs Schokolade ( Cadbury oder den deutschen Waldbaur), Kaugummi ( Wrigleys Spearmint oder Dubble Bubble), PEZ ( gabs auch am Automaten ) Maoam oder die sauren Drops in den orangenen oder gelben Rollen. Vielleicht ist noch ein Dinosaurier hier der weiss wie die hiessen?

  6. Littlejack:

    Weiss auch nicht mehr. Aber Ahoi – Brausewürfel gabs noch!

  7. Michael Engelbrecht:

    Saure Drops von VIVIL? Kam mir aus der Ferne in den Sinn…

  8. Ursula Mayr:

    Vivil ist Pfefferminz und Du bist kein Dinosaurier!!

  9. Martina Weber:

    Eine bewegende Geschichte vom lila Teddy, Uschi. Ist der Schießbudenteddy der auf dem Bild? Er schimmert leicht lila, scheint mir aber für einen Schießbudenteddy qualitativ sehr gut zu sein. Wie dem auch sei, man sieht ihm an, dass er einiges erlebt und zu sagen hat.

  10. Ursula Mayr:

    Ja, das ist der Brummi – war anfangs quietschlila, dann stark abgeblasst. Jetzt sitzt er auf der Bank vom Kachelofen und bewacht den Riss.

  11. Martina Weber:

    Sein rechtes Auge hat die Statik im Blick.

  12. fritz:

    super (Teddy).

    Und grad auf die Macht geklickt

  13. Ursula Mayr:

    Dann möge die Macht mit Dir sein!

  14. Ursula Mayr:

    Die Besatzer waren übrigens gefürchtet bei den Schiessbudenbesitzern wegen ihrer Zielgenauigkeit. Die ballerten im Nullkommanix die ganze Bude leer. Machten allerdings meist keinen Gebrauch davon – wenn das deutsche „Fraulein“ ein paar Rosen und ein Stofftier hatten räumten sie die Walstatt.

  15. Ursula Mayr:

    Jochen, hattest Du nicht weiter oben noch einen Buchtitel zum Thema reingestellt – warum ist der weg? Hätte mich interessiert.

  16. Jochen:

    Hartmut Böhme: Fetischismus und Kultur – Eine andere Theorie der Moderne

    Ja, könnte für dich interessant sein, Ursula.

    Das Buch enthält auch eine zusammenfassende Darstellung psychoanalytischer Sichtweisen zum Thema – und eine Abstandnahme von ihnen.

  17. Ursula Mayr:

    Thanks – klingt spannend!

  18. Michael Engelbrecht:

    Lyall Watson erforscht in seinem Buch – THE NATURE OF THINGS – THE LIFE OF INANIMATE OBJECTS (nie ins Deutsche übersetzt) – „die subtilen Kräfte der Erinnerungsfelder und legt nahe, dass die Materie die Fähigkeit hat, emotionale „Fingerabdrücke“ zu absorbieren, die mentalen Fossilien, die das Echo der Vergangenheit kanalisieren. Er zeigt die Komplexität des unbelebten Lebens auf und liefert einen möglichen Beweis für unsere Sensibilität gegenüber den winzigen, natürlichen Energiemustern der Materie.“

    Klingt spannend, aber keine Ahnung welche Erklärungsfelder da herangezogen werden. Die beiden Musiker Godley and Creme haben auf ihrer Platte FREEZE FRAME wohl reines, leicht absurdistisches, Mitgefühl für unbelebte, dem Menschen nahe, Objekte weil sie sie als reine Zielscheibe von Projektionen sehen. Tolle Platte, by the way. Den Song mit Phil Manazanera an der Gitarre kann man sich auf youtube anhören: I PITY INANIMATE OBJECTS der Titel.

    Mein Teddy hiess Teddy, er quitschte nett, wenn ich auf sein Sonnengeflecht drückte. Wir gingen in frühe Jahren durch dick und dünn. I lost HIM somewere on the way.

  19. Ursula Mayr:

    Projektionencatcher und memory – trigger sind sie auf jeden Fall. Man könnte aber dazu auch einmal die Theorie der morphogenetischen Felder bemühen. Meine Urgrossmutter war Spiritistin, benötigte dazu einige Gegenstände, z. B. einen Psychographen, hatte einen besonderen Tisch zum Tischerücken und beschwor die Geister. Eine hochsensible Freundin, die darüber nicht Bescheid wusste, half mir beim Wohnungräumen ( wir haben zu fünft darin gewohnt ), sie weigerte sich die Gegenstände im nahen Umfald der Uroma anzufassen, diese wären “ hoch energetisch“ aufgeladen, sie bekomme fast einen Schlag. Riet mir alles wegzuwerfen. Den Psychographen habe ich noch, fest eingepackt in der Garage.

  20. Anonymous:

    Wie schaut sowas aus??

  21. Michael Engelbrecht:

    Ich glaube, ich muss mal vorbeikommen😉

  22. Michael Engelbrecht:

    Das ist mal ein Cover. Und mir komplett unbekannt.

    Übrigens, es geht auch anders rum: Plüschtier- oder Puppenmonster haben schon eine Weile ihren Platz in der Filmgeschichte, was, wenn man es genau betrachtet, auf ernstzunehmend kindliche Traumata der Ideenfinder schließen lässt.

    So durften wir mit Filmen wie „Chucky“ und „Puppet Master“ schon so einiges sehen, was man keinem Kind als gute Nachtgeschichte erzählen sollte. Und auch in „Benny Loves You“ aus dem Jahr 2021 wird ein vermeintlich süßes Kuscheltier zum Slasher, was sich als etwas ungesund für alle Beteiligten herausstellen soll.

  23. Ursula Mayr:

    Micha: Vorbeikommen!! Hihi! Des hör i scho lang!!
    Chucky – ein herrlicher Film! Puppen in Gruselfilmen wären auch mal eine Doktorarbeit wert.
    Anonymous:
    Ein Psychograph sieht aus wie ein Tischchen für die Puppenstube. Meiner ist aus dunklem Holz mit Verzierungen, Intarsien und gedrechselten Beinen, durchaus was für den Antiquitätenhändler, an den Beinen sind kleine Messingrollen, das ganze gerade so gross dass man beide Hände auf die Tischplatte legen kann. An der Unterseite ist ein Bleistift senkrecht befestigt. Das ganze Dingens stellt man auf ein Blatt Papier, das Medium legt die Hände drauf und dann schreiben die Geister. Oder das Unterbewusstsein. Oder sonst irgendein Scherzkeks.

  24. Michael Engelbrecht:

    Ich werde den letzten Taliban vom Chiemsee vertreiben, wie angekündigt, Uschi, da nehme ich es doch mit dem Psychographen in deiner Garage auf 😅

  25. Ursula Mayr:

    Bis dahin ist der Taliban schon im Paradies bei den 70 Jungfrauen und Du kannst Dich um die trauernde Witwe kümmern. Achnee, die muss ja dann den Bruder ehelichen…

  26. Michael Engelbrecht:

    😂🙇🏻‍♂️


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