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2022 16 Nov

Zum Lohnabstandsgebot

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags:  | 3 Comments

 

Hinsichtlich der Debatte um das neue Bürgergeld habe ich ein Problem. Einig sind sich alle Parteien, dass die Erhöhung des Regelsatzes von fünfzig Euro im Monat okay ist, ist er doch de facto gerade mal ein Inflationsausgleich. Dann aber wird von den konservativen Parteien und Journalisten ständig vom Lohnabstand geredet, der angesichts der Höhe der Sozialleistungen Arbeit unattraktiv mache. Erkennen sie die etwas schräge Melodie, verehrter Leser? Welche Konsequenz hätte denn eine Erweiterung des Lohnabstands? Ganz nüchtern und mathematisch betrachtet bleiben zwei Möglichkeiten: entweder das Existenzminimum zu drücken oder den Mindestlohn zu erhöhen. Diese Grundrechenart scheint aber in die polemische Bierdeckeldenke eines Herrn Merz und seiner geistigen Mitstreiter, in der ich übrigens grosse Schnittmengen zur AfD sehe, nicht hinein zu passen. Wer war denn gegen die Erhöhung des Mindestlohns? Bleibt also noch die Möglichkeit, den Regelsatz noch weiter unter das Existenzminimum zu senken, als er eh schon ist. Ein zweiter Punkt ist das Menschenbild herrschender Klassen, das sich aus meiner Sicht eines limitierten historischen Wissens seit den Feudalgesellschaften über die Industrialisierungs-Epoche bis zur heutigen Digitalgesellschaft treu geblieben ist: den Arbeitsbegriff als Disziplinarmassnahme im Dienste der Ausbeutung, zur Schaffung des Mehrwerts, zum Wohle und Machterhalt des Kapitals zu missbrauchen. Zudem fragt sich ein schlichtes Gemüt wie meines, ob denn das Lohnabstandsgebot auch zwischen einem Arbeiter, und sei es ein Zahnarzt aus der Mittelschicht, und den wirklich Reichen gilt. Ist der Lohn- und Besitzabstand hier angemessen? Blackrock sucks! Ein Top-Manager kann doch über Lohnabstand nur lachen. Der geht hier Hand in Hand mit einem Fussballprofi. Hinzu kommt, dass permanent Scheindebatten geführt werden, die vom wahren Kernproblem ablenken: wie wir angesichts der Klimakrise das Ende des Kapitalismus bewerkstelligen. Da bleibt dann für die Philosophie eines Herrn Merz recht wenig Platz.

 

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3 Comments

  1. Martin:

    !

  2. Ursula Mayr:

    Nicht zu vergessen das Schüren von Ressentiments gegen das sog. Prekariat in den Reality-Soaps von RTL 2 und Sat 1: Hartz und Herzlich, Stempeln oder Arbeiten, Armes Deutschland.

    Mit dem vordergründigen Argument, das Leben der „Unterschicht“ – die es als solche ja gar nicht mehr gibt – abzubilden, machen die Kameraschwenks einen eigenen Film: Ein Familienvater klagt, dass er die 30€ für das Skilager des Sohnes nicht aufbringen kann und die Kamera schwenkt auf den grossen Plasmafernseher, auf die Laptops der Kinder.

    Alle sitzen übergewichtig mit je 1 Smartphone vor vollen Aschenbechern und 2-Liter-Colaflaschen und reden über ihre Arbeitsunfähigkeit wg Rückenproblemen und COPD. Das ist Stimmungsmache vom Feinsten.

  3. Lajla:

    Gut, dass dieses Thema auch hier diskutiert wird. Um den Lohnabstand für die arbeitenden Lohnempfänger zufriedenstellender und motivierender einzurichten, müsste deren Lohn erhöht werden. Friseure müssten mehr verdienen, dann das Handwerk usw. Dass das Bürgergeld nicht durch den Bundesrat kommt, war zu erwarten. Ich sehe keine Kompromissbereitschaft seitens der christlichen Parteien.


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