Im Sommer des vorigen Jahres vor der Bundestagswahl erschienen mir plötzlich auch konservative Parteien wählbar zu sein, wähnte ich mich doch in einem Zustand gewonnener Reife. Ein gewisser Markus Söder, seines Zeichens Landesfürst der Bayern, erschien in medialer Flatrate als möglicher Bundeskanzler und umarmte sogar öffentlich Bäume. Dies umgarnte wohl auch einen grünen Stammwähler wie mich, neuerdings mit dem Vorsatz, parteiübergreifend sich allein an Sachargumenten zu orientieren. Nun bin ich diesem Herren aber auf die Schliche gekommen und ich werde den Eindruck nicht los, es ginge ihm hauptsächlich um das Einfangen von Wählerstimmen, nicht aber um die Lösung komplexer Sachverhalte im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Ökologie. Generell wird man ja im Laufe des Lebens konservativer, das liegt in der Natur der Sache und ist wohl auch der veränderten Konstitution eines Körpers zuzuschreiben, der auf Wildheiten zunehmend sensitiv reagiert und reflektiver Besonnenheit generell den Vorzug gibt. So weiche ich nicht ab vom Pfad permanenter Weiterbildung und rechne es mir hoch an, Gespräche zwischen Sachkundigen auch mal in einer Dauer von vier Stunden zu verfolgen und sich an einer Aufmerksamkeit zu erfreuen, die tadellos funktioniert, wenn sie denn ins richtige Fahrwasser gerät. Es geht nicht nur um die Inhalte, sondern auch um die Arten von Gesprächskulturen, die abseits etablierter Medien gedeihen. Keine leeren Worthülsen, kein stressiges Dazwischenquatschen, kein abgehalfterter Stammtisch, kein Obrigkeits-höriges Querdenken mit pathologischem Generalverdacht, keine Selbstinszenierung als Opfer: „Was weiss der kleine Mann denn schon, was die da oben im Geheimen treiben?“ Stattdessen mit „denen da Oben“ auf Augenhöhe sein. Hier empfehle ich nochmals Ulrike Herrmanns Buch Das Ende des Kapitalismus, dessen Titel die Autorin als faktische Zustandsbeschreibung verstanden wissen will und nicht als moralischen Imperativ. Sie schreibt ganz wunderbar und ist auch eine gute Geschichtenerzählerin. Und sie räumt auf mit dem Irrglauben, der Kapitalismus habe noch eine Zukunft. Die Zeit ist um, o’zapft is! Markus, sagst es dem verbalen Bruchpiloten Friedrich auch, gell!