Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2022 3 Okt

Arkaoda Agora Mana

von: ijb Filed under: Blog | TB | 3 Comments

 

 

 

(Christian) Fennesz war für ein recht kleines „Clubkonzert“ zu Gast in Neukölln, und ich nutzte die Gelegenheit, ein paar Fotos zu machen und ein paar Worte zu wechseln. Fenneszs Soloalben sind eh allesamt hervorragend und empfehlenswert, daher so als Hörempfehlungen ein paar meiner Favoriten, die Christian in Kollaboration mit anderen gemacht hat und die sicher nicht jeder auf dem Schirm hat:

Einen ganz großartigen Remix lieferte er 2004 für das Duo Junior Boys [nicht zu verwechseln mit den Pet Shop Boys, wenngleich eine gewisse musikalische Verwandtschaft z.T. nicht von der Hand zu weisen ist] für ihren ohnehin schönen Song Last Exit – ich liebe diese radikal umgewandelte Version sehr. Einen kaum weniger tollen, aber nicht ganz so kraftvollen Remix  durfte er drei Jahre später für das „Year Zero Remixed“-Album Y34RZ3R0R3M1X3D von Nine Inch Nails beisteuern: In This Twilight. Außerdem hier noch der Link zu X-Ray Heartland (Fenneszs Remix), aus der Zeit von Soap&Skins erstem Album Lovetune for Vacuum (2009), bei dem Fennesz beim Song The Sun mitwirkt.

Einen starken Gastauftritt hat Fennesz auf David Sylvians ansonsten extrem radikal-minimalistischen, spröden Album Blemish (2003), bei dem, wenn ich mich recht erinnere, neben Sylvians Stimme nur Gitarre (Derek Bailey) zu hören ist. Den im Verhältnis zum übrigen Album geradezu warmen Abschluss bildet A Fire in the Forest im Duo mit Christian Fennesz. Ein Jahr später gastierte Sylvian im Gegenzug auf Fenneszs Soloalbum Venice (ohnehin ein 5-Sterne-Album, für mich vielleicht sein bestes, ggf. neben Bécs – nicht zufällig haben die beiden Alben wohl den gleichen Titel, nur in unterschiedlichen Sprachen) auf dem Song Transit. Apropos Sylvian, natürlich soll auf diesem Blog nicht außer acht gelassen werden, dass Christian Fennesz auch auf dem Album Manafon, nach wie vor ein einzigartiges Album (gerade auch in Kombination mit Died in the Wool – Manafon Variations), einer der wichtigen (durchgehenden) Mitwirkenden ist.

Drei Mal war Christian Fennesz bislang bei ECM vertreten, auf den drei letzten Alben von Food (mittlerweile im Wesentlichen ein Duo mit Gästen, Thomas Strønen und Iain Ballamy luden zuletzt EIvind Aarset, Nils Petter Molvær, Prakash Sontakke und eben Fennesz ein). Beim gestrigen Wiederhören merkte ich, dass mich die ersten beiden der drei – Quiet Inlet (2010) und Mercurial Balm (2012) – überraschend distanziert ließen. Das bislang letzte Food-Album This is not a Miracle (2015) erscheint mir hingegen mittlerweile als das stärkste und überzeugendste, vielleicht auch weil es als Quasi-Trio-Album am ehesten eine durchgehende Linie hat und Christian Fennesz präsenter ist. Vor allem in der zweiten Hälfte sind doch einige sehr bestechende Stücke.

Und noch eine albumlange Zusammenarbeit, die hier vermutlich kaum eine/r auf dem Schirm hat: Edition 1, ein einstündiges Album von King Midas Sound & Fennesz. King Midas Sound ist eines von zahlreichen dub-inspirierten Projekten des ebenfalls von mir sehr geschätzten Kevin Martin (sonst auch bekannt als „The Bug“, mit vielen sehr, sehr guten CDs), mit den beiden Stimmen von Roger Robinson und Kiki Hitomi. Edition 1 erschien 2015 als Doppel-CD, auf der ersten mit Gesang, auf der zweiten als Instrumental-Album, weitgehend sehr Ambient. Beide CDs sind auch für sich genommen hörenswert, wobei anzumerken ist, dass auf der ersten Scheibe ohnehin ein sehr langes Instrumentalstück ist. Als Anspieltipp hier We walk together.

Fenneszs letztes Soloalbum Agora erschien 2019; viele auf diesem Blog schätzen es. Es bleibt spannend zu sehen bzw. hören, welche Wege er zukünftig einschlägt. Im Februar wirkte er in Paris bei einem Jazz-Ensembleprojekt von Sylvie Courvoisier mit; ich wäre fast dabei gewesen. Eigentlich hatte Wadada Leo Smith dabei sein sollen, doch der musste kurzfristig die Reise nach Paris absagen und wurde von Nate Wooley vertreten. Im November soll das Werk dann – nach einem Konzert in Brooklyn – mit beiden Trompetern, Fennesz und Sylvies Trio im Studio eingespielt werden. Diese Woche wird Fennesz in Mailand an zwei Abenden mit Enrico Rava(!!) und jeweils einem anderen Perkussionisten auftreten. Ich hoffe, dass wir davon auch irgendwann etwas zu Gehör bekommen werden.

Ich nutzte die gestrige Gelegenheit auch, endlich mal zu fragen, ob es jemals Pläne für ein Fennesz-Album bei ECM gab. ich bin sicher nicht der einzige, der ein solches gerne hören würde. Und tatsächlich, ja, es gab vor Jahren Gespräche mit Manfred Eicher, aber dann wurde nicht mehr draus. Es blieb bei der Interessenserklärung. Christian meinte, er wisse zwar nicht, ob er überhaupt so gern mit einem Produzenten arbeiten wolle, und er sei mit seinem Label (Touch) ohnehin sehr zufrieden, aber natürlich würde er ein ECM-Album nicht grundsätzlich ausschließen.

 

 

 

This entry was posted on Montag, 3. Oktober 2022 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Rava – Fennesz – Singh

    Das Trio will ich in Lugano im Studio erleben😉

  2. ijb:

    Ich auch. Dann treffen wir uns dort.
    Ich hoffe, M.E. weiß davon…

  3. alex:

    Mir fehlt hier „Endless Summer“. Ich kenne nicht sehr viel von Fennesz aber was ich außerhalb dieses Albums gehört habe, hat mich nicht überzeugt. „Endless Summer“ hingegen ist innovativ wie dort elektronische Störgeräusche und Melodien vereinigt werden und miteinander verschmelzen. Vergleichbar innovativ waren My Bloody Valentine mit Loveless, immer noch eins meiner 10 Alben für die Insel. Auf Loveless sind die Melodien hinter diesem verzerrten, jaulenden Gitarrenlärm verborgen.


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