Wenn ich mit Ingo oder anderen aus der grossen Runde das Spiel unserer 12 Lieblingsfilme des 21. Jahrhunderts spielen würde – es wäre spannend, die Differenzen der Wahrnehmung zu erkennen. Obwohl „First Man“, „Parallel Mothers“, „1917“, „Locke“, „Lovers Rock“, „In the Mood for Love“, „It Follows“ ihre Plätze bei mir sicher hätten, „The Duke of Burgundy“ wäre die unzweifelhafte Nummer 1.
Cat’s Eyes – „Duke of Burgundy – Opening Credits“ (Official Video)
Als ich Peter Stricklands Film vor Wochen zum ungefähr siebten Mal erlebte, stellte ich etwa sehr Seltsames fest: etliche Szenen kamen mir wie noch nie gesehen, wie neu, vor, und wie kann das sein, bei einem Film, in dem ich jede Sekunde hellwach oder in Trance bin, gefesselt, bei vollen Sinnen, im perfekten flow, hin und weg und voll da!?
Ich überlegte ein wenig, und fand diese Erklärung: der Film ist, was Story, Dialog, Musik, Kamera und das Zusammenspiel dieser Elemente angeht, so reich an „Wirkungstreffern“, „Tiefenwirksamkeiten“, dass er sich in der Erinnerung nicht zu einzelnen Schlüsselszenen, „impacts“, verdichten lässt. The spell is unbroken, and cannot be classified. Der Zauber dieses Films wirkt bei mir so allumfassend, dass es keine Hierarchie der erinnerten Bilder gibt – sie bilden allesamt ein ebenmässiges Plateau der Faszination. Und daher, angesichts der Vielgestaltigkeit jeder einzelnen Szene, ist es nicht verwunderlich, dass mir so manches wie noch nie gesehen erscheint. Wenn ein Kunstwerk unaufhörlich neue Seiten, Perspektiven und Momente preisgibt, dann gibt es kaum ein grösseres Lob, oder?
Alles Weitere dann, unter anderem ein gründliches Aufräumen mit den Konnotationen von SM, BDSM, Bondage, und wieso das alles oft genug, und hier sowieso, nichts mit „Lust am Quälen“ oder „Lust am Gequältwerden“, mit irgendwelchen Krankheitswerten, Ausschlägen auf der Neurotizismusskala oder manch landläufigen Assoziationen von „Sadismus“ und „Masochismus“ zu schaffen hat (wenn der „spirit“ stimmt), im dritten und letzten Teil der „Mysterienforschung“! (Den schreibe ich auf jeden Fall noch vor Weihnachten, vielleicht in Grassau, in dem schönen Hotel, das Uschi mir empfohlen hat, mit Blick auf den Chiemsee. I look up to the hills, and, oh, I surrender.)