Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: August 2022

 

 

Es ist nicht nur der Lockruf der Taube, es ist das Lied eines Gestaltwandels, die Taube beherbergt die Seele eines Verstorbenen, der sein Leben lang um die verlorene Geliebte weinte und nun nach seinem Tod im Körper einer Taube weiter das gleiche tut. Das Lied (Cucuruccucú Paloma) spricht von ewiger Trauer und der Wanderung einer Seele, die allein keine Ruhe mehr findet. Das Lied ist emotionaler Focus des Filmes „Hable con ella“ .

Der Film handelt von zwei Paaren: Marco liebt Lydia, eine Stierkämpferin, die um eine verlorene Liebe trauert und beim Stierkampf sich unabsichtlich (oder absichtlich) oder unbewusst absichtlich nicht gut genug geschützt hat, dem tödlichen Stoss nicht ausweicht und nun im Koma liegt.

Der psychisch etwas auffällige Krankenpfleger Benigno liebt die ebenfalls im Koma liegende Alicia, eine Ballettänzerin, die er bereits vor ihrem Unfall heimlich beobachtete und die er nun hingebungsvoll pflegt, wäscht, frisiert und massiert. Und er spricht mit ihr wie mit einer lebendigen Partnerin – bzw nicht mit ihr (das würde ein Gegenüber erfordern) er spricht zu ihr. Und noch mehr – er glaubt ihre Gedanken und ihre momentanen Befindlichkeiten zu kennen, als wären es die eigenen, als spräche Alicia zu ihm und nur er könnte es hören. Er bemächtigt sich nicht nur ihres Körpers, sondern auch ihres Geistes und ihrer Gefühle, projiziert in sie hinein, kann die Grenzen zwischen ihnen nicht mehr wahrnehmen und freut sich wie gut sie sich verstünden, da Alicia mit allem einverstanden sei. Die Kamera bleibt die ganze Zeit nah bei diesem Paar und teilt die Intimität zwischen den beiden, fungiert aber auch als kritisches Auge und bricht als triangulierender Dritter die Zweiersymbiose auf, ist somit auf der Seite des Zuschauers.

Während Benigno in einem grandiosen Phantasma mit Alicia verschmilzt, ist Marco der Trauer fähig, er ist der Mann der weint; bereits zu Anfang im Theater bei der Aufführung einer Tanzperformance mit Pina Bausch, beim Anblick von sich windenden, gefangen wirkenden und schliesslich erstarrenden Frauenkörpern, eine dystopische Vorwegnahme der späteren Handlungsentwicklung. Er weint auch um Lydia, obwohl sie noch lebt, er aber nicht mehr mit ihr kommunizieren kann und ihren Körper nicht mehr berühren kann. Der seelenlose Körper beginnt ihm fremd zu werden. Er spürt, dass sie eine Grenze überschritten hat und er ihr nicht mehr folgen kann, loslassen muss.

Als ihr früherer Liebhaber plötzlich an ihrem Bett auftaucht und ihm gesteht, dass sie in der Nacht vor dem Stierkampf wieder zusammengefunden hätten, schafft es Marco zu gehen, er realisiert Lydia als von ihm letztlich getrenntes Liebesobjekt mit eigenem Willen, den er respektiert während Benigno in einer wahnhaften Verleugnung von Getrenntheit in seiner Symbiose mit Alicia weiterlebt. Zwei starke Bilder von Beziehungsformen, scheinbar wie zufällig gegeneinandergestellt.

Ein Traum von Benigno, in dem ein stark geschrumpfter Mann in die Vagina seiner Geliebten schlüpft und nie mehr herauskommt, illustriert in Almodóvar’scher Performativität seine Regression. Eine beklemmende und vielschichtige Szenerie die der Regisseur hier entfaltet.

Wie geht es den Frauen in dieser Gemengelage?

Von vielen Kritikern wurde der Film als „Narrativ der Liebe und Zärtlichkeit“ u.ä. bezeichnet – ausgehend vom zärtlichen Umgang Benignos mit seiner bewusstlosen Geliebten – trotzdem, denke ich, würde keine Frau gerne mit Alicia tauschen wollen, man schaudert wenn man ihr Ausgeliefertsein spürt.

Vielmehr wirken beide Frauen von Anfang an zerbrechlich und gefährdet. A. versteht es eine Vorahnung kommenden Unheils zu vermitteln, als Alicia unachtsam zwischen Verkehrsgetöse über die Strasse läuft und Lydia sich tiefernst und feierlich für den bevorstehenden Kampf ankleidet. Wir spüren die Todesnähe. Auch in der Klinik wirken sie bedroht, wir teilen die Besorgnis des Vaters von Alicia, der Benigno zusieht wie er der Tochter andächtig den Oberschenkel massiert. Benigno belügt ihn mit der Versicherung, er sei homosexuell und zerstreut dadurch erst einmal seine Bedenken. Danach wird er Alicia schwängern.

Lydia hat den Ansturm unheilbringender männlicher Kraft, den Stoss des Stiers, bereits hinter sich; sie wird später daran versterben.

Alicia erleidet eine Totgeburt und erwacht dabei aus dem Koma, der kontaminierte Körper stösst ab, was gegen seinen Willen in ihn hineintransferiert wurde.

„Sprich mit ihr“ ist der erste Film, den Almodovar nach dem Tod seiner Mutter (1999) drehte und es ist ein Film über Trauer – über einen Mann, der trauern und sich lösen kann und einer der es nicht schafft: eine Aufgabe, die sich ihm selbst in dieser Zeit stellte.

Benigno sitzt im Gefängnis, man hat ihm verschwiegen, dass Alicia erwacht ist und er nimmt eine Überdosis Schlafmittel, um im Koma mit ihr vereint zu sein und verstirbt daran.

Alicia nimmt ihr altes Leben wieder auf und lernt Marco kennen. Ein Neuanfang zeichnet sich ab.

Weiter ist es ein Film über vieles, über Verschmelzung und Einsamkeit, über das Eindringen in den Körper und in ein anderes Leben, aber vor allem über individuell gestaltete Trauerprozesse und ihre Entgleisungen. Almodóvar bedeutete seine Mutter sehr viel. Durch die berufsbedingte Abwesenheit des Vaters entstand eine enge Bindung, über weite Zeitspannen hinweg musste er sie mit niemandem teilen, bis der Vater wieder für kurze Zeit zurückkam und sich der Mutter wieder bemächtigte, so wie sich Benigno des Körpers von Alicia bemächtigt. Und der Sohn vorübergehend seinen Alleinvertretungsanspruch auf die Mutter aufgeben musste (bzw die kindliche Illusion desselben).

Oder der Stier sich Lydias bemächtigte und ihr, die sich nicht wehrte, den tödlichen Stoss versetzte. Dass Alicia diese Übergriffe teilnahmslos über sich ergehen lässt und letztlich nach Abstossen des gezeugten Kindes, also eines unerwünschten Geschwisters, wieder zum Leben erwacht könnte man als ödipale Wunschphantasie und Geschwistereifersucht deuten. Die Mutter empfindet keine Lust beim Sex mit dem Vater und das Kind verschwindet wieder – dafür darf sie weiterleben, so will der Sohn es haben. Lydia, die sich dem Stier freiwillig hingegeben hat muss sterben – kindliche Rache für einen Betrug. Wäre eine Lesart.

Wobei man sieht wie schnell man im System mitagiert, gerade eben bin ich selbst übergriffig in das Seelenleben des Regisseurs eingedrungen.

A.s sechs Jahre jüngerer Bruder Agustin hat in seinem realen Leben jedenfalls überlebt.

Wir begegnen hier also 2 Mutterfiguren: Die Mutter, die den sexuellen Kontakt sucht – und als Strafe dadurch zu Tode kommt und die Mutter, die den Kontakt teilnahmslos über sich ergehen lässt, das Kind abstösst und zur Belohnung weiterleben darf. Natürlich nur eine Semiotik dieses vielschichtigen Filmes. Wem das ganze zu vulgärfreudianisch vorkommt, möge einfach kleinen Kindern beim Spielen zusehen, insbesondere Jungs, wenn sie um die Vormachtstellung bei der Mutter kämpfen, diese eine Weile geniessen und dann vom heimkommenden Vater oder einem hinzukommenden Geschwister wieder vom Ross gekippt werden.

 

 

„Da im Schloss wohnt eine Prinzessin und ein Prinz, denen gehts ganz gut. Aber da kommt jetzt der schwarze Ritter!“

„Oh weia, Seppi, ist das was Schlimmes?“

„Das ist ganz schlimm, der hat eine laaaange Lanze ( sic! ) und der will die Prinzessin holen!“

„Ja, kann da der Prinz was machen?“

„Der muss jetzt eine Geheimwaffe bauen damit er den Ritter töten kann!“

„Und wenn aber die Prinzessin vielleicht geholt werden will?“ ( Therapeutin als advocatus diaboli )..

„Will die gar nicht, beim Ritter ists ganz schlimm!“

„Und beim Prinzen gehts ihr viel besser?“

„Ja, viiieeell besser!“

„Dann bin ich gespannt welche Geheimwaffe der Prinz jetzt baut.“

 

 

Die Geheimwaffe kannte ich aber bereits: Der Vater von Seppi kommt am Wochenende vom Aussendienst zurück und die Geheimwaffe besteht in Bauchschmerzen und Tränen, die die Mutter aus dem Bett des Ritters an das Lager des Prinzen treibt. Schlacht fürs erste gewonnen. Trotz der grösseren Lanze. Bauchweh als apotropäisches Symbol …

Und nachdem das Unbewusste zeitlos ist, leben diese ödipalen Figurinen fröhlich in uns weiter und sickern in unsere kreativen Produktionen ein.

Wenn nicht A. hier augenzwinkernd den Freudianern ein Häppchen hinwirft damit wir was zu deuteln haben und freudestrahlend hinten herausholen was er vorne hineingesteckt hat. Trau ich dem Pfiffikus durchaus zu. Was man auf gar keinen Fall darf: Den Film auf diese Lesart reduzieren – es ist lediglich eine Unterströmung unter vielen – eines von den Altwassern das sich mit anderen zu einem Fluss vereinigt. Die Kameraarbeit, das Ausbalancieren der Emotionen, der Facettenreichtum, der Gebrauch der subjektiven Kamera, die den Zuschauer in das Geschehen hineinzieht (sekundenlang wird man sogar zum Stier) wären noch etliche Kapitelchen wert. Aber das haben andere schon besser gemacht.

In „Alles über meine Mutter“ (1999) gibt es eine Szene in der eine Mutter einem Mann hinterherläuft, in dessen Körper das hineinverpflanzte Herz ihres verstorbenen Sohnes schlägt. Die Szene verwandelt sich in einen Zoom der in den Körper und zum Herzen dieses Mannes vordringt und der den Wunsch der Mutter versinnbildlicht, mit dem Körper zu verschmelzen, der vom Herzen des geliebten Wesens am Leben gehalten wird. Die Kraft von Almodóvars Kino besteht in der Verbildlichung innerer Vorgänge und derartiger soghafter Momente die seine Figuren – in fast nonchalanter Weise dargeboten – bis ins Innerste durchschaubar machen. Impacts!

Mehr dazu:

 

 

 

 

 

 

Unser neues Rätsel ist nicht mal ein Zuckerschlecken für unsere mittlerweile legendären Ratefüchse aus Leinfelden und Saarbrücken. Oder doch?  Es geht kurz und schmerzlos um zwei Fragen, deren Antworten bei den „Comments“ unterzubringen sind. Jeder hat nur einen Schuss. Erstens: welchem grossartigen Musiker, Sänger, Visionär und Komponisten gehörte obige Musikkassette? Und wer ist jene Frau, deren Foto in meinem zweiten Text über die „Farbenfrau“ abgebildet ist. Da will ich den realen Namen. Wer „Farbenfrau“ schreibt, hat den Schuss nicht gehört:)  Der Preis ist diesmal die neue Cd von Brian Eno (oder Lambchop, oder Bill Callahan). Freie Auswahl. Siehe meinen Text „The Conviviality Of Solitary Games“. Good Luck, lads and ladies! (Und nebenbei, ich antworte nur, wenn jemand bei beiden Fragen richtig liegt. Denken Sie gar nicht daran, ich würde einmal antworten: „eine richtige Antwort reicht nicht!“)  

 

 

 

Ein kleiner Tipp von der Sorte grenzwertig: den Musiker habe ich geliebt (na, das ist mal ein Fall von Redundanz) – und der Frau auf dem Foto hätte ich damals, als sie in dem Alter des Bildes war, den Hof gemacht,  wie Timothy Leary einst der einst atemraubenden Annette Peacock. Trapped by beauty…😉 Auflösung ist kommenden Samstag um 15.30 Uhr, es sei denn,  einer/eine räumt den Preis vorher ab. Dieses Musikquiz wurde unter dem Einfluss eines Viertelliters „Podecalta Maremma Toscana 2017“ (siehe Foto, alles Kracherweine unter 40 Euro, lieferbar vom Weinladen meines Vertrauens in der Kleinmarschierstrasse in Aachen!! Und, ähem, grosse Ausnahme am Nachmittag, bin ja kein Suchtl!) – und dem Hören von „The World Is A Ghetto“ von War verfasst. Scharfe Scheibe!

 

Gestern war ein großes Interview mit dem ehemaligen Bandmitglied, Kurt Bartos, in der Rheinischen Post. Aus unmittelbarer Nachbarschaft konnte ich die Zerstrittenheit dieser Band seit Jahren beobachten. Leider scheint sich daran auch nichts mehr zu ändern. Bartos erzählt zunächst von den “glorious days”, von den Begegnungen und Verhandlungen mit Elton John oder Michael Jackson. Nach ihrer Welttournee 1981 hätten sie das Album “Techno Pop” geplant, kamen aber nur sehr langsam voran. Gründe hierfür waren das Schauen auf die Anderen und das vom Fahrradfahren müde Gehirn von Ralf. “Unsere Musik war eingefroren. Unsere Musik klang wie der Eiffelturm aussieht. Es ging um die Ästhetisierung der Technologie. Auch wir wollten das Wesen der Technik erkennbar werden lassen … Die Digitalisierung war dann der Todeskuss. Der Mensch blieb weg, es blieb die Maschine.“

Das Buch von Kurt Bartos erscheint jetzt auch auf Englisch: The Sound of the Machine. My Life in Kraftwerk and Beyond (Omnibus Press).

 

KRAFTWERK spielen am 28.8.22 in Bonn.

 

 

Here we have the new album from my beloved Mountain Goats. Remember, the last one, „Dark In Here“, was an absolute gem, a highlight in lyrical and musical terms, even for the band‘s high standards. Bleed Out is more straight forwward, inspired by action movies from the 1960s, ’70s, and ’80s, in which Mountain Goats frontman John Darnielle found comfort toward the end of 2020. Cozied up in his North Carolina home, Darnielle watched French thrillers like 2008’s Mesrine, vintage Italian Poliziotteschi, and 1974’s The Freakmaker starring Donald Pleasence. Here‘s the song „Make You Suffer“. I highly recommend, after listening to the album two times in a row, to go to one of your favourite action movies from the days of old. In my case, 1968‘s neo-noir action thriller „Bullitt“ with Steve McQueen never fails. „It’s an interesting question, though: can you get emotional depth from things created solely to thrill?“ this is what Michael Hamm writes in his three star review, and I kindly answer: „Yes, you can.

 


 

 

 

avenidas

avenidas
avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador

 

„You win a while and then it’s doneYour little winning streakAnd summoned now to dealWith your invincible defeatYou live your life as if it’s realA thousand kisses deep“ 
Sss
–  L. Cohen
Hjkl
klä

Leonard Cohens Roman „Das Lieblingsspiel“ hat mich lange nicht so berührt wie seine Songalben, aber es gab eine Passage, da sinnierte er über die Transformation der Frau im Orgasmus, und wie jede einzelne Liebes- oder Bettgefährtin sich in der Exstase in ein anderes Wesen verwandelte. Ein Hang zur dezenten  Übertreibung, aber mit wahrem Kern allemal. Joni Mitchell beklagte sich mal, rückblickend und mit einem Lächeln, dass Leonard kaum ihr Schlaflager verlassen wollte und unersättlich war, liebestrunken, zumindest sextrunken. Ich konnte das mit den „Verwandlungen“ im Laufe der Jahre bestätigen (war ja auch ein so hoffnungsvoller wie hoffnungsloser Romantiker), und nur zu gerne begab ich mich auf die Erforschung dieser anderen Seite. Seltsamerweise kann ich mich an den Orgasmus einer meiner ganz grossen Lieben nur sehr fragmentiert erinnern, obwohl wir oft über Stunden das Kopfkissen teilten und es in einer Badewanne, unter Linden, einmal sogar auf einem Ameisenhügel trieben. Unser Sex war allerdings anders als der mit Erika keine Forschungsstätte rarer Stellungen und Praktiken, sondern ein kreatürlicher Akt ohne Design, Rollenspiel, und kleine Gerätschaften, es war auf elementare Weise natürlich, sie war keine „Göttin“, keine stilisierte Figur, aber so unfassbar „alles“ (in meinen sehenden, blinden Augen), dass ich in jede Falle ihrer Schönheit zu tappen bereit war, bis sie mich am Ende eines Jahres noch dreimal hintereinander hart vögelte und aus dem Paradies warf. Um wieder zu Sinnen zu kommen, um wieder „vernünftig“ zu werden. Sie war gewiss mein „Urtyp“ –  und damit ohne weitere Vorrede auf zur Transkription von Erikas Trancearbeit, meine „Farbenfrau“ betreffend, meinen „Urtyp aller Urtypen“. Die aufgezeichneten Details der Tranceinduktion (obwohl an Erickson geschult, machte sie es mit einem Pendel) lasse ich aussen vor.

 

 

 

 

 

Blue-eyed woman is a healer to me(Blue-eyed woman)If I lose that woman I’m history(Blue-eyed woman)


Neil Young

 

ERIKA: Woran merktest du, dass die Sache mit der Farbenfrau etwas Besonderes  war in deinen Träumen?  MICHAEL:  Sie kam immer wieder, oft mehrmals in der Woche. ERIKA: Wie alt bist du da? MICHAEL: Fünf, sechs, sieben Jahre alt. Ich liege in meinem Bett im Weissdornweg Nummer 9 in Hombruch, und sie kommt immer in frühen Morgenstunden. ERIKA: Wieso weisst du, dass es früh am Morgen isr? MICHAEL: Wenn sie wieder fort ist, öffne ich die Augen und blinzele ins  Licht. ERIKA: Ist der Ort, zu dem die Farbenfrau kam, immer der gleiche, und wenn ja, beschreibe ihn. MICHAEL:  Ein warmer Ort. Tropisch. Ich sitze am Rand eines Swimminpools. Meine Füsse spüren die Wärme des Wassers. Das Wasser hat die Farbe von Kakao. Es duftet sehr angenehm. ERIKA: Kannst du sehen, was hinter der Schwimmhalle ist? MICHAEL: Ein grosses Fenster, ein Blick auf eine Wiese,  einen Wald. ERIKA: Wieviele Menschen siehst du in der Halle, und draussen? MICHAEL: Da ist niemand, nur ich. Bis die Farbenfrau kommt. ERIKA: Beschreibe noch einmal deine genaue Position im Raum! MICHAEL: Ich sitze  in der Mitte der langen Seite des Swimmingpools. Manchmal berühren die Füsse das Wasser. Ich bin glücklich. ERIKA: Glücklich? MICHAEL: Geborgen. ERIKA: Woran merkst du, dass die Farbenfrau den Raum betritt?  MICHAEL: ich höre eine Geräusch von hinten, wie eine Schwingtür, ich höre ihre Fussschritte, als würde sie über kleine Wasserpfützen gehen. ERIKA: Und dann? MICHAEL: Sie setzt sich hinter mich, manchmal hockt sie sich hinter mich. Wenn sie ihre Beine neben meinen baumeln lösst, sehe ich, wie lang und schlank sie sind, tiefes Braun. Die Haut glänzt. Die Augen blau. Unendliches Blau. ERIKA:  Wie gross, glaubst du, ist sie?  MICHAEL: Sie überragt mich mit ihrem Kopf und ihren dunkelbraunen, nein, schwarzen… glänzenden… Haaren, ich habe sie nie stehen gesehen…nur schemenhaft aus dem Rückraum auftauchend… ERIKA: Rate ihre Grösse! Michael: 1 Meter 90? ERIKA: Was macht sie, wenn sie hinter dich hockt, oder sich auf dem Boden niederlässt? MICHAEL: Umschlingen…sie umschlingt mich…mit ihren Händen…und Armen…ihre Hände fahren über meine Brust…langsam…meine Oberschenkel…ich bin berauscht. ERIKA: Woran spürst du, dass du berauscht bist? MICHAEL: Da ist dieses Lustgefühl.. Lust strömt durch mich hindurch…überallhin…sie berührt mich…jede Berührung schickt Schauer… ERIKA: Streichelt sie deinen Schwanz, masturbiert sie ihn? MICHAEL: Nein. ERIKA: Hast du im Laufe ihrer Berührungen einen Orgasmus? MICHAEL: Nein…sie berührt mich aber dort, legt ihre Hand auf…himmlische Lust…ich spüre, ihre Nacktheit, wenn sie ihren Oberkörper gegen meinen presst… ERIKA: Wie lange berührt sie dich? MICHAEL: Sehr lange…dann steht sie auf und geht…ich bin nicht traurig…ich weiss, die Farbenfrau kommt wieder. ERIKA: Und du nennst sie im Traum Farbenfrau? MICHAEL: Nein, nie. Hinterher, wenn ich mich erinnere. Sie spricht nicht…ich spreche nicht…gebe nur Laute von mir. Und ich liebe dem Duft und das Geräusch ihres Atems…ERIKA: Später, als die Zeit dieses Serientraums vorüber war, hast du sie dann auch immer noch Farbenfrau genannt? MICHAEL: Ja, oder Amazone. Oder Indianerin. ERIKA: Hat sie je vor Lust gestöhnt? MICHAEL: Nein, ich erinnere ihr warmes Lächeln, wenn ich meinen Kopf nach hinten drehe, ihre grossen Augen… ich gehörte ihr.

Singing in her very own language (free of semantics and any oldfashioned business of message) she is the greatest female shaman of the northern atmosphere, and  the experimental guitarist at her side knows how to paint a landscape for a voice. A wild, wild world. („Quick shot review“ of a Rune Granmofon highlight by m.e.; drawing by H.B.)

 

 

 
 

(May 2015, Deutschlandfunk). Timing is part of every radio production, even in live broadcasts. And that’s where it got interesting last night: I realised half an hour before the start that I had far too much text, and it was important to me to play the final track of the night show from start to end, one of those stunning pieces from „Didimoy Dreams“ by Sidsel Endresen and Stian Westerhuis. Not giving it a fucking fast fade-out. So I proceeded like a berserker, throwing out sentence after sentence, a lively deletion of whole passages, adding a new short thought or sentence here and there to re-establish lost context. My favourite technician behind the glass and I had a lot of fun, and in the end, after a longer piece from the ECM album  „Dream Logic“ (with those other Punkt Festival pioneers Jan and Eivnd), and before „Didimoy Dreams“, the seconds merciless proceeding, I improvised freely into the microphone because I couldn’t read my own scrawl. And, interesting, I even surprised myself with what I said on Sidsel‘s singing. It was much more personal than intended, but, then again, no reasons for „academics“ when you follow a voice you love, in dimmed studio lights. (m.e.)

 

In 2015, I did catch the „remix crew“ of Jan Bang and Erik Honoré with the eminence of Norwegian vocalist, Sidsel Endresen. It is hard to say what is the difference between experiencing Sidsel Endresen for the first, the fifth or tenth time. You will never be (really) prepared for what is coming. The performance again proved how abstraction can get utterly concrete and cut deep. 

Generically speaking she is not just producing plosives and stuttering guttural sounds, playing around, nor is she imitating instruments. Her expression moves with basic vocalizations combined in a non-arbitrary way, to syllables freed of conventional meaning placed and articulated with great urge, driven by a deep musical intuition. She digs deep into the essence of the human voice and creates a strong visceral coherence. Melody is always in the air (or triggered vaguely in listeners‘ minds), sometimes touched upon or even fully articulated. She is one of the most extraordinary post-bop vocalists and the source for younger Norwegian jazz and improv singers.

 
 

 


Fellow musicians have to listen carefully and take quick and effective action to achieve this coherence and strength of expression. Bang and Honoré know exactly how to and they know each other so well they can go into any direction with each other. Armed with her voice and just a microphone flanked by two electronic wizards, she cut her way through the electronic shades, the spume, threw it into abysses and led the music to a higher plane. It was breathtaking and relieving. You could almost forget about the O-performance that was recognizable still. Thus the remix lead even deeper into the forest.

 

– Henning Bolte (text, drawing)

2022 19 Aug.

Better watch twice

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In die neue Serienwelt stieg ich relativ spät ein, dank der ersten Staffel von Mad Men, die Micha mir damals schickte und die ich zunächst verwarf. Ich hatte mir extra einen DVD-Player dafür gekauft, schob die erste Scheibe ein und dachte: „Kettenrauchende, tagsüber schon Whiskey trinkende Typen in sterilen Büros der Hochhäuser von Manhattan, umgeben von Nierentischen und Tussies mit hochgesteckten Frisuren in Fünziger-Jahre-Röcken? So einen Sch… schaue ich mir nicht an!“ Wie man sich doch täuschen kann. Als ich dann in die Serie Breaking Bad einstieg, war das schon eine alte Kamelle, längst allbekannt, nur mir mal wieder nicht. Gestern beendete ich die letzte Staffel von Better Call Saul und eine wenig Wemut kam auf. Als dieser unmögliche Anwalt, dieses labernde Windei in schlechten Anzügen das erste Mal bei Breaking Bad auftauchte, dachte ich: „Nein, bitte nicht, der Typ verdirbt alles.“ Zwei Jahre, nachdem Breaking Bad zu Ende gegangen war, bekam genau der seine eigene Serie, als Prequel. Wie bitte soll das gehen? Nun, es funktionierte, und viele meinen: sogar besser als der Vorläufer. Denn die Zeit bleibt nicht stehen und auch bildtechnisch wurde vieles noch verfeinert. Geblieben ist der unglaubliche Witz, diese Mischung aus Drama, Crime, Komödie und, ja: grosser Kunst. Es werden teilweise banale Alltagstätigkeiten so raffiniert aufgenommen, dass man schon ein Erleuchtungserlebnis dabei hat, wenn jemand eine Zahnpastatube ausdrückt. „Verrückt“ – genau das wäre auch mein Prädikat dieser epischen Gesamterzählung, mit ihrem Kern in Albuquerque und den wüsten Geschichten drumrum, in der Wüste. Und mit einer Spannweite von dreizehn Jahren: Walter Whites Irrsinn begann 2009 hierzulande auszustrahlen, nun gerade endete der nachfolgende Vorläufer. Da kann man schon ein bisschen melancholisch werden. Für keine andere Serie gilt sosehr wie hier: the venue was the star. Das verzaubernde Licht von New Mexico. Und Schauspieler Bob Odenkirk ist ein Grosser, in einem grossen Gesamtensemble. Eines vorweg, ohne zuviel zu verraten: Zeitreisen spielen eine Rolle in der allerletzten Episode. What you loved – and what you regret.

 


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