Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2022 19 Aug.

Better watch twice

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 

 

In die neue Serienwelt stieg ich relativ spät ein, dank der ersten Staffel von Mad Men, die Micha mir damals schickte und die ich zunächst verwarf. Ich hatte mir extra einen DVD-Player dafür gekauft, schob die erste Scheibe ein und dachte: „Kettenrauchende, tagsüber schon Whiskey trinkende Typen in sterilen Büros der Hochhäuser von Manhattan, umgeben von Nierentischen und Tussies mit hochgesteckten Frisuren in Fünziger-Jahre-Röcken? So einen Sch… schaue ich mir nicht an!“ Wie man sich doch täuschen kann. Als ich dann in die Serie Breaking Bad einstieg, war das schon eine alte Kamelle, längst allbekannt, nur mir mal wieder nicht. Gestern beendete ich die letzte Staffel von Better Call Saul und eine wenig Wemut kam auf. Als dieser unmögliche Anwalt, dieses labernde Windei in schlechten Anzügen das erste Mal bei Breaking Bad auftauchte, dachte ich: „Nein, bitte nicht, der Typ verdirbt alles.“ Zwei Jahre, nachdem Breaking Bad zu Ende gegangen war, bekam genau der seine eigene Serie, als Prequel. Wie bitte soll das gehen? Nun, es funktionierte, und viele meinen: sogar besser als der Vorläufer. Denn die Zeit bleibt nicht stehen und auch bildtechnisch wurde vieles noch verfeinert. Geblieben ist der unglaubliche Witz, diese Mischung aus Drama, Crime, Komödie und, ja: grosser Kunst. Es werden teilweise banale Alltagstätigkeiten so raffiniert aufgenommen, dass man schon ein Erleuchtungserlebnis dabei hat, wenn jemand eine Zahnpastatube ausdrückt. „Verrückt“ – genau das wäre auch mein Prädikat dieser epischen Gesamterzählung, mit ihrem Kern in Albuquerque und den wüsten Geschichten drumrum, in der Wüste. Und mit einer Spannweite von dreizehn Jahren: Walter Whites Irrsinn begann 2009 hierzulande auszustrahlen, nun gerade endete der nachfolgende Vorläufer. Da kann man schon ein bisschen melancholisch werden. Für keine andere Serie gilt sosehr wie hier: the venue was the star. Das verzaubernde Licht von New Mexico. Und Schauspieler Bob Odenkirk ist ein Grosser, in einem grossen Gesamtensemble. Eines vorweg, ohne zuviel zu verraten: Zeitreisen spielen eine Rolle in der allerletzten Episode. What you loved – and what you regret.

 

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4 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Mad Men, das war schon auch eine besondere Zeitreise. Einzelne Szenen sind mir unvergessen. Allein schon der Vorspann mit der scheinbar aus schwindelnden Höhen stürzenden Gestalt – die Fallhöhe der Protagonisten war sowieso beträchtlich. Unser „Held“: wie er sich ins Greenwich Village mischte, in die neue Welt der Hippies, wo er mal eine langhaarige Geliebte hatte, aber keinen inneren Zugang. Viele Figuren gingen einem nah, auch heute in der Rückschau. Eine grossartige Serie, die nachwirkte. Voller Impacts :) wie bei der ersten Staffel von WIRE, war auch der Trip in die Madison Avenue anfangs ein slow burner, aber irgendwann war man „dabei“.

  2. ijb:

    Wir haben jüngst die letzten zwei Episoden der vorletzten Staffel von „Better Call Saul“ nochmal geschaut, zum Wieder-Reinkommen, und dann die ersten drei der letzten Staffel. So unfassbar gut. Ich denke langsam, das muss schlicht die am besten geschriebene und inszenierte Serie ever sein.

    Ich find’s zwar immer wieder etwas schade, dass Saul/Jimmy und Kim oft so wenig Bildschirmzeit gegönnt wird, denn deren Storylines finde ich wirklich immer am Spannendsten und Interessantesten; die vielen Stories um Lalo, die Salamancas, Nacho und Frings (und z.T auch die um Mike, die doch manchmal more of the same sind) finde ich in dem Ausmaß gar nicht so wahnsinnig spannend – aber brillant geschrieben und erzählt sind die ohne Frage.

    Schon grandios, wie einige der Figuren über die Staffeln hinweg entwickelt wurden. Und wie einige dieser spannenden „Nebenstränge“ mit inszenatorischer Sicherheit erzählt sind, und wie überhaupt der Erzählrhythmus fast immer souverän und eigenwillig und dicht bleibt. In dieser Hinsicht – und den beeindruckenden erzählerischen Freiheiten, die sich die Macher im Serienmainstream herausnehmen, nach den durch den „Breaking Bad“-Erfolg gewonnenen kreativen Freiheiten – ist „Better Call Saul“ wirklich stilbildend und der Einfluss der Serie kaum zu überschätzen. So wenig erklärt wird in Serien sonst echt nie… Ich glaube, ich habe keine andere Serie gesehen, die so präzise und ohne eine Dialog-Erklärung zu viel erzählt.

    Ein schöner Beweis, dass auch Mainstream-Erfolge ausgesprochen klug und mit Vertrauen auf die Intelligenz und Aufmerksamkeit der Zuschauer erzählt wird.

  3. Jochen:

    Better Call Saul spielt in seiner eigenen Klasse. Hatte mich zuweilen gefragt, wie du das wohl siehst als Filmemacher. Auch diese delikate Beziehung zwischen den Brüdern James und Charles MacGill, der sich in eine paranoide „Elektro-Sensibilität“ flüchtete, die ihm ja die Aufmerksamkeit seines „missratenen“ Bruder sicherte.

  4. ijb:

    Ich liege gerade mit Corona zu Hause herum, und dabei ist mir dieser ziemlich feine Videoessay über den Weg gelaufen, der total kompakt zusammenfasst, was ich oben meinte …


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