Cynthia und Evelyn hatten natürlich eine Vorgeschichte. Das ist ja kein Märchen, das uns Peter Strickland da erzählt in seinem erotischen Meisterwerk „The Duke of Burgundy“, egal, wie unwirklich uns diese reine Frauen- und Lesbenwelt irgendwo im europäischen Hinterland erscheint. Was niemand im Film gesehen hat: es gibt auch ein Caféhaus nahe dem Seminargebäude der Schmetterlingsforscherinnen, und dort lernten sich die Zwei kennen, beim Katalogisieren einer neuen Schmetterlingslieferung aus Uruguay. Anfangs hatten die Zwei den natürlichen, elementaren, heissen Sex, den wir hoffentlich alle, homo oder hetero oder beides, aus unserem Leben kennen, oder auch aus dem grossartigen Film „Blau ist eine warme Farbe“. Gäbe es also das Prequel zu Stricklands Film, würden wir wunderbaren Gesprächen lauschen, die von ferne an unsere Zeit in den Siebzigern erinnerten, als wir Milan Kundera verschlangen, von „erotischer Freundschaft“ träumten, und noch immer latent dem Ende der Beatles nachtrauerten. Und rauschhaft viele ECM-Platten hörten. Zurück zum angedachten Prequel: wir würden ausschweifenden Erotikszenen beiwohnen, mit einer Präferenz von Stellung 69 und ein wenig Kamasutra für die westliche Welt. Cynthia und Evelyn würden zum Glück auch nicht in Pastell abgefilmt, sondern am Fluss frühmorgens, im Bett bei Kerzenlicht, einmal (klassisch) auf einem langen Beistelltisch im Audimax – es war schon in ihrer Frühzeit eine seltsam dunkle Freude spürbar, wenn sie, ausser in präorgiastischen Liebesanrufungen („ich liebe dich, Evelyn“), ihre Sprache entromantisierten, und bei einer Tasse Milchkaffee den nächsten „Fick“ terminierten. Der Soundtrack wäre allein von den zwei Duoplatten von Ralph Towner und John Abercrombie gekommen, und „Saragasso Sea“ wäre der Titel des Films gewesen. Peter Strickland tat dennoch ein Gutes daran, von diesem Prequel die Finger zu lassen – die Story hätte nicht annähernd den Thrill des Hauptfilms erreicht, ausser in der Schlussszene, als das Liebespaar den Zugewinn an Lust entdeckte, wenn eine sich auslieferte, und die andere den Ton angab, unter anderem mit einer sehr ungewöhnlichen Bondage-Technik. Peter bat mich, diese hier nicht näher zu beschreiben, weil er diese Fesselung in einen bald anstehenden, postmodernen lesbischen Vampirfilm einbauen möchte. Es wäre letztlich, trotz toller Momente und guter Musik, ein relativ blasser Nachklapp gewesen, der eher in Bahnhofskinos gelandet wäre, oder im ZDF als „Erotisches Sommerkino“ gepriesen worden wäre, Goodfeel-Kino mit viel zu wenig Irritationen. Was also macht die Magie von „The Duke Of Burgundy“ aus – die Auflösung bald hier, und bis dahin empfehle ich jedem, sich den Film auf Amazon prime auszuleihen, oder als Bluray oder Dvd zu erleben. Und, am besten DANACH, noch mal Uschis Text lesen! Der dem Film auf etwas andere Weise als ich auf die Spur und Schliche kommt. P.S. Es schadet auch nicht, mal wieder die Platten „Saragasso Sea“ und „Five Years Later“ von Ralph und John aufzulegen. Welcome in the Seventies and early Eighties! Welcome, you dark joys of surrender! „Cynthia, this is all I ever dreamed about!“
2022 11 Aug
Das Geheimnis von „The Duke of Burgundy“ (1/3)
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags: Peter Strickland, The Duke of Burgundy | 2 Comments
2 Comments
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Ursula Mayr:
Dann lass uns wissen wann der Peter den Vampirfilm macht.
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Michael Engelbrecht:
Klar. Wir werden bestens vorbereitet sein.
Ich bekomme auch zwei Karten für die Premiere, welches Filmfestival, ist aber noch offen.