Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

You are currently browsing the blog archives for the month Juli 2022.

Archives: Juli 2022

Hieronymus Bosch als Cover-Artwork zu verwenden ist wahrlich dick aufgetragen – ein selbstbewusstes Statement, den „Garten der Lüste“ auszusuchen für Songs wie „Komm (so nah wie du kannst)“, „Tanz mit mir“ oder „Im Fieber“, Songs die klingen, als hätten die Commodores oder Sade Pate gestanden.

Bin ich objektiv? Vor 30 Jahren wurde Blumfelds „Ich-Maschine“ veröffentlicht, seitdem habe ich mir jedes Album der Band und später die beiden Solo Alben ihres Sängers Jochen Distelmeyer gekauft, immer kurz nach der Veröffentlichung. Die Musik hat zu meiner Gehörbildung beigetragen, die Texte besonders der ersten beiden Alben haben mein Bewusstsein und meinen Horizont erweitert. Von den Erinnerungen ganz zu schweigen: Konzerte, zum Beispiel im Haus der Jugend in Bramsche (zusammen mit den damals großartigen Cpt. Kirk &.), auf Festivals (zusammen mit Notwist und Eins Zwo, was für eine Mischung), der Moment als „L‘Etat Et Moi“ auf einmal in einem Ratio Supermarkt in Osnabrück vor mir stand (der in meiner frühen Kindheit ernsthaft auf den Namen EKZ hörte), vor allem aber der sehr verkaterte Morgen nach einer Geburtstagsparty, als ein Freund eine gebrannte CD auflegte und „Tausend Tränen Tief“ und der Rest von „Old Nobody“ durch die WG-Küche klangen, 6 Wochen oder so vor der eigentlichen Veröffentlichung – der Wechsel von an den Wipers oder Sonic Youth geschulten Klängen, die den Hintergrund für die verdichteten Wortkaskaden Distelmeyers bildeten, hin zu Sounds und Texten die an Münchener Freiheit erinnerten, war mindestens gewöhnungsbedürftig. Die Kinnladen brauchten etwas, bis sie sich wieder schlossen – jetzt ist „Old Nobody“ ein Insel Album für mich. Oder doch lieber „L‘Etat Et Moi“ mitnehmen? Egal, jeder geschlossene Raum ist ein Sarg.

Ich könnte noch ein paar Absätze down memory lane verbringen, von dem großartigen Abschiedskonzert in Berlin habe ich noch nicht berichtet, von zahlreichen tollen Musikvideos, prägenden Songs, T-Shirts, von der beeindruckenden Lesung zu dem allerdings nicht ganz so gelungenen Roman, die genau an dem ersten Jahrestag des Todes meines Vaters stattfand, … ich wollte ja nur meinen Mangel an Objektivität verdeutlichen. In meiner Umgebung hat die Begeisterung nicht bis jetzt gehalten, besonders der Song vom Apfelmann hat polarisiert. Mir egal, ich mochte auch den sehr gerne, als der 2006 erschien, waren die Kinder genau in dem richtigen Alter dafür und die Live Version auf diesem Abschiedskonzert, kann man auf YouTube schauen, rockte ziemlich.

Es überrascht jetzt wohl keinen mehr, daß „Gefühlte Wahrheiten“, das erste Album Distelmeyers mit eigenem Material seit 2009, mein Album des Jahres ist. Besser wird es für mich 2022 nicht. Die Menschen, die über mir wohnen, „meine Decke ist ihr Boden“, können das sicher bestätigen.

12 Songs auf 4 Plattenseiten – all killers, no fillers meiner bescheidenen Meinung nach und auf jeder Seite findet sich mindestens ein Lied für die Ewigkeit. Nach den überwiegend schwülen, schwebenden, souligen Songs der ersten Platte finden sich drei Country Songs auf Englisch (ich will mehr davon!), ein langer Talking Blues, Folk, Pop. Ganz zu schweigen von „Nur der Mond“, der erste Pop Song seit Ewigkeiten in dessen Gitarrensolo ich mich verliebt habe.

Zum Schluss: Das großartigste an diesem Album ist für mich der Gesang: jede Silbe, jeder Ton und alles andere auch werden dermassen präzise auskostet, wie ich es von einem Popalbum deutscher Sprache nicht erinnere. Jochen Distelmeyer hat seine Kunst auf einem sehr hohen Niveau weiter verfeinert tiefe Verbeugung.

2022 21 Jul

Speaking of Fire

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

 

 

 

Man schaue sich das Cover der Steve Tibbetts-Trilogy „Hellbound Train“ an. Feuer! Für jemanden, der seit 1982 jedes Album von Steve Tibbetts als „soul food“ erfahren hat, stellen diese „visual impacts“ oft raffinierte „klassische“ Konditionierungen der jeweiligen musikalischen Reiz- und Nahrungskette bereit. Viele seiner Cover sind so langlebig wie die Musik. Für jemanden, für den das Meditative und das Exstatische die berühmten zwei Seiten einer Münze sind, sind Cover Einladungen, freundliche Angebote des Verweilens. Das Ungebändigte, das Feuer, „einzufrieren“ in einem Sekundenbruchteil, weist aber auch darauf hin, das wir nicht an einer gemütlichen, anheimelnden Veranstaltung teilnehmen. Die Wildnis lauert überall. (m.e.)

 

 

 


„I have always admired Steve Tibbetts, as a sort of Lone Ranger in the ECM universe, with his singular process of creating his albums in his home studio. I have read how he works slowly, moving a mic an inch and trying once again to get an elusive sound out of his guitar – then trying again and again until it’s right.

His albums are indeed journeys: as he himself says, he doesn’t write traditional song-forms, with jazz changes and tightly written unison lines – all the kinds of things you hear from most guitarists. This lack of a recognizable short form allows for hearing new things each time around. 

It’s like putting a space in the room, a 3d sound sculpture you can walk around and examine from all angles. The circular quality of the music places me in a kind of trance state. The fact that Tibbett’s music has its edges of darkness is what gives the music its mystery, and makes it a far deeper dive than if it was merely “pretty.”“  

(Brian Whistler on Steve‘s music)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

What’s the origin of your interest in drones?

“Tomorrow Never Knows.” When Revolver was released faithful Beatle students played the album incessantly. None of us knew what that sound was that opened up that song, but we knew it was the right thing. When I worked in Nepal and Bali I got used to living in the daily world of Tibetan ritual drones and the cyclical steady-state world of Balinese Gong Kebyar, which is drone-like in its own way. Drones and gong cycles were something new to settle into when I was far away from my studio and music making. (…) Part of the thing that I  work with drones is, that they are easy. It is easy to tune two strings on the guitar to a constant fifth or fourth, and play over it – you have your own  little accompanyist there, your own little „sarangi“ or „sarod“ droning on behind you, and it makes improvisation and composition easy. It is like making pancakes out of a mix, out of a box. Just add water, and you‘re ready to go. just add drone, and start playing.

 

 

 

 

The fire  never stops. „Right now I’m working on a project with Marc and others. It’s emerging as big, sad, strange, planet-colliding music. Marc is hitting his drums pretty hard, and I’m enjoying the firefight between the Stratocaster and Marshall. The 12-string is happy and resonant. It all sounds good, and the better it sounds, the slower we work. When that project is finished, I’ll move my studio from the building I’ve been in for 36 years to my home. With my children gone I can move a few instruments into the girls’ childhood room and settle into some time with 12-string and piano. I’ll spend time looking out the windows. We live on the edge of a small forest. Visitors include coyotes, turkeys, deer, possums, racoons, and lots of birds.“ 

 

 

2022 20 Jul

Cooldown with Clapton

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags:  | Comments off

 

„River Runs Deep“

 

in meiner mp3-sammlung einzelner songs, die ich gerne mitspiele beziehungsweise spieltechnisch zu ergründen suchte, in guter nachbarschaft zu planxty, joni mitchell, diana krall, djavan und vielen anderen findet sich auch dieser cale-coole viertakter (akkorde a-moll und d 7/9), der sich auch bei erhöhten temperaturen – das termometer misst gerade 36° um neunzehn uhr („ja, wo gibt’s denn sowas?“) – gut mitzählen lässt und den ich mit auf eine einsame insel nehmen würde, überhaupt dieser clapton, gefällt mit immer besser, so does the blues in general  …

 

 

 

Für mich eines der zehn, zwölf aufregendsten Alben aus dem Hause Hubro, und das will was heissen. Wie der Norweger den Raum miteinbezieht, ist schlicht beeindruckend. Wir kennen berühmte Aufnahmen an ungewöhnlichen Orten, von Paul Horn, Paul Giger, Pink Floyd. Beispielsweise. Pyramide. Chartres. Pompeji. Erlend Apneseth vertreibt die Stille nicht im immensen Dunkel. Er setzt auf call & response. Und vermeidet es, das Unheimliche heimelig zu gestalten. Nothing cozy, no horror sound show either. NOVA erscheint am 20. August. Hardangerfiedel solo par excellence.

Erlend Apneseth does not dispel silence. He relies on call & response. Avoids making the uncanny seem homely. Nothing on the cozy side, no pretending to play it dark either.

Zunächst einmal – Tati’s Komik spaltet offenbar: während meine Mitgucker oft von Gähnkrämpfen befallen werden, kann ich mich bei MON ONCLE oder den FERIEN DES MONSIEUR HULOT (ein Feuerwerk an amüsanten Szenen) ununterbrochen kringeln. Wenn ich nur diesen beschwingt-lakonischen Soundtrack aus den FERIEN höre, hab ich schon gute Laune. Tati’sche Filme sind eine Pralinenschachtel: Jede Szene ist ein bisschen anders in ihrer speziellen Belustigungsart, aber jede schmeckt und zergeht auf der Zunge.

Nur: Was macht das Spezielle seiner Komik aus?

Während die Komik von Billy Wilder dialogisch aufgebaut ist und bei Chaplin oder Buster Keaton situativ, es bei Tati eine Komik der Körperlichkeit (hier sieht man das Vorbild Chaplin), die anrührend wirkt: eine Komik der Dinge und ihres vom Menschen unabhängigen Eigenlebens, sowie zum Dritten eine Komik der Peinlichkeiten, die NICHT geschehen. Das macht seine Besonderheit aus.

Komik des Körpers: Buster Keaton äusserte sich dazu, dass Tati es geschafft habe, eine Figur zu entwickeln, die in jeder Situation, in die das Leben oder der Regisseur sie hineinstellt, komisch wirke. Wenn man bedenkt, dass J. Tati durchaus athletisch und ein erfolgreicher Rugbyspieler war, ist seine Figur Hulot ein wahres Meisterwerk der Schauspielkunst in seiner unbeholfenen Körperlichkeit: steif in den Knien geht er ständig wippend auf den Ballen wie ein übermütiges Kind, die Arme gestreckt, die Hände geballt oder unruhig umherfingernd. Und wenn der Mund durch die Pfeife abgeriegelt scheint, wirkt er wie ein Bündel intensiver, aber widersprüchlicher Gefühle, die der Körper „containt“, die jedoch nicht nach aussen dringen dürfen. Er scheint stets zur Unzeit zu kommen, meint oft, sich verstecken zu müssen, und lässt seine Aktionen oft ins Leere laufen. Er wirkt anrührend, aber nie mitleiderregend, scheint mit sich im Reinen.

 
 

 
 

Chaplin war hier sein grosses Vorbild, aber er kopiert ihn nicht. Chaplins Kunstfigur irrlichtert zwischen Klassen und Gruppen, zwischen Anpassung und Rebellion in den Zeiten des Frühkapitalismus, von deren Räderwerk er aber durch seine Gewitztheit nicht zermalmt wird.

Hulots Welt – 30 Jahre später – bietet wieder Platz für sorglose Flaneure und soignierte Herren an Badeorten, aber auch für eine Arbeitswelt mit hochtechnisierten Arbeitsabläufen und Angestellten, die man von ihren Apparaturen kaum mehr unterscheiden kann (MON ONCLE).

Hulot rebelliert nicht dagegen, aber sein ungeschickter Körper verweigert sich offenbar allem, was verlangt wird, und leider auch dem, was er selbst zu bekommen wünscht. Eine tragische Situation, aber schauspielerisch so gekonnt ausbalanciert, dass wir schmunzeln müssen, weil wir den kleinen Rebellen in uns entdecken, der sich auch manchmal psychosomatischer Mittel bedient, wenn wir die Tretmühle nicht verlassen wollen, obwohl es dem Körper schon reicht.

Von der Komik der Körperlichkeit zur Komik der Dinge: das moderne Haus im ONCLE bekommt plötzlich Micky-Maus-Augen, als es draussen knallt, die beiden runden Fenster im Oberstübchen sich erleuchten, die Köpfe der Besitzer darin erscheinen und sich synchron bewegen. Das Haus äugt besorgt nach einer drohenden Gefahr.

Ein Bootsbesitzer will mit Farbe und Pinsel sein Boot benamsen, eine schelmische Welle entreisst es ihm, und neben dem halben Namen entsteht nur noch ein waagrechter Strich.

Eine geheimnisvolle Welt voll von Kräften, die die Dinge beleben und dem Menschen entgegenarbeiten oder ihm zuarbeiten, wie die freundliche Brandung, die Hulot (der etwas in seinem Boot anstreicht) den Farbtopf immer genau wieder in die richtige Position zurückspült, wenn er den Pinsel eintauchen will. Die Welt bekommt eine animistisch-märchenhafte Prägung, die uns in Kinderzeiten zurückführt, als wir überall Gesichter sahen und Geheimnisse erspürten, uns von  (hoffentlich) freundlichen Wesen umgeben fühlten. Paranoia linksrum.

Hulots abmontierter Autoreifen (an dem etwas Laub klebt) wird irrtümlicherweise als Kranz an einen Grabstein gelehnt, und während der Bestattungsfeierlichkeiten geht ihm sicht- und hörbar die Luft aus.

Die Tür zum Speisesaal, die ständig auf- und zuklappt wie ein schwanzwedelnder Hund und dabei einen Ton von sich gibt, der alle in die Nervenkrise treibt. Der wasserspeiende Delphin im durchgestylten Neureichen-Vorgarten, der nur eingeschaltet wird, wenn es an der Tür klingelt, und der brav signalisiert, dass die Besitzer es zu etwas gebracht haben.

Die Komik der Abwesenheit von Katastrophen: eine weitere Spezialität sind Szenen, in welchen der Zuschauer die kommende Katastrophe nur imaginiert, diese aber nicht stattfindet – wie die beiden Eistüten des kleinen Jungen, die trotz seines beschwerlichen Weges ihr angestammtes Ziel erreichen, ohne auf dem Boden zu landen.

 
 

 
 

Der zähnefletschende tote Fisch, der aus der Einkaufstasche einer Marktbesucherin guckt und von einem Hund wütend angebellt wird, über dessen Gedanken sich der Zuschauer Gedanken machen kann. Das Haus, das der ONCLE bewohnt, und in dem man ihn in der Aussenansicht durch verschiedene Fenster mal treppauf, mal treppab, mal von links nach rechts und mal umgekehrt gehen sieht, bis er sein Dachstübchen erreicht hat – das Haus so individuell und verwinkelt wie der ganze Mann.

(Und manchmal entdeckt man Szenerien, die Loriot schlicht bei Tati geklaut haben dürfte, beispielsweise die Verwüstung eines Zimmers in dem Hulot ursprünglich nur ein Bild geraderücken wollte.)

Ein Spiel mit der Imagination des Zuschauers, der die Komik selbst finden oder konstruieren darf – diese passiert hinter dem Rücken der Akteure. Bitte kringeln!

Tati verfolgt also zu Anfang seines Werkes die Figur des „komischen Subjektes“ wie seine künstlerischen Vorbilder – das komische Subjekt verschwindet aber zusehends aus seinen späteren Filmen, in TRAFFIC und PLAYTIME taucht Hulot nur mehr rudimentär oder als Silhouette auf (in der Filmtheorie spricht man von Hulot-surrogates) und verschwindet schliesslich ganz zugunsten der Komik, die den Zerrbildern der Welt innewohnt, wenn man sie aus einer anderen Perspektive betrachtet, z. B. den zeitgleich anfahrenden und anhaltenden Autos auf einer Ampelkreuzung, dem durchgetakteten Verkehr einer Grosstadt aus der Vogelperspektive.

Und damit hört es auf komisch zu sein: diese Taktung bekommt einen bedrohlichen Charakter, ein Eigenleben der Dinge, die vom Menschen irgendwann nicht mehr gesteuert werden können, sie plagen nicht mehr einzelne Menschen, sondern bestimmen den Rhythmus einer Welt, in der Menschen kaum mehr stattfinden, ausser als Bediener ihrer Fahrzeuge und anderweitiger Mechanik.

Damit spannt sich der Bogen von der Anfangsszene der FERIEN: auf dem Bahnhof des Ferienortes rasen aufgrund unverständlicher Durchsagen die Menschen von einem Bahnsteig zum anderen wie aufgescheuchte Hühner (am Münchner Hauptbahnhof jederzeit zu erleben, wenn man aufgrund unverständlich geröhrter oder widersprüchlicher Durchsagen von Gleis zu Gleis hastet wie ein panisches Huhn mit Koffer, um dann vom ersehnten Zug nur noch den Hintern zu sehen). Hier kann sich der Zuschauer noch wiederfinden, und im Nachhinein grinsen. Jetzt wird es menschenleer, jetzt erstirbt uns das Lachen.

Diesen Gedanken zu Ende gedacht zu haben und bei der Konstruktion von Komik nicht dort stehenzubleiben bzw. damit in Serie zu gehen, sondern deren Dekonstruktion folgen zu lassen bzw zu einem bitteren Ende zu führen: das ist einer der grossen Verdienste dieses Regisseurs. I love him!

 

2022 18 Jul

Die Form der Freiheit

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 3 Comments

Wer heutzutage wirklich gute Kunst ansehen möchte, fährt entweder nach Amsterdam ins Stedelijk oder ins Museum Barberini in Potsdam – aber nicht auf die Documenta. Wer sich näher mit der Geschichte der Documenta beschäftigen will, empfehle ich das Buch: Der Kunstkrieg von Heiner Müllmann. Darin wird geschildert, wie die CIA-MoMA Connection die Kunst als Waffe im Kalten Krieg einsetzte. Die amerikanischen Maler, Rothko oder Pollock, wurden besonders von der CIA gefördert. Jetzt sind sie zusammen mit anderen Künstlern in der großartigen Ausstellung über internationale Abstraktion nach 1945 im Barberini in Potsdam zu sehen.

Es ist eine außergewöhnliche Schau. Die Hängung der riesigen Tableaux ist fantastisch gelungen. Sie vermittelt dem Besucher die Weite der amerikanischen Landschaft. Selten hängen mehrere Kunstwerke an einer Wand. Mit Raum wird großzügig umgegangen.  Jedes Gemälde ist anders und doch ist ihnen eins gemeinsam: sie bilden nicht die Wirklichkeit der 1940er Jahre ab. Die künstlerische Avantgarde drückte mit Farbklecksen, Feldschlieren, großen Farbflächen oder nur “Schwarz auf Schwarz“ (Ad Reinhardt) ihre Gefühle aus.  Sie verstanden ihren Malstil als Ausdruck ihrer künstlerischen Freiheit. Neben den bekannten Künstlern wie Jackson Pollock, Mark Rothko, Barnett Newman oder Willem de Kooning als Vertreter des amerikanischen Expressionismus, gab es einige Neuentdeckungen für mich, die dazu führten, dass ich mehrmals das Barberini besuchte.

Wenn ich mal hier für die Listenliebhaber eine Aufstellung meiner five faves machen darf:
 
 

1. Winfried Gaul

2. Maria Helena Viera da Silva

3. Hans Hartung

4. Jean Degottex

5. Iaroslav Serpan

 
 

An meiner Liste lässt sich leicht erkennen, dass die amerikanischen Expressionisten nicht zu meinen ganz großen Lieblingen gehören. Tatsächlich interessierten mich stets mehr die Maler des Informel. Ihre Formen waren auch sehr frei, der Umgang mit Farbe manchmal über den Bildraum hinaus. Wirklich schade ist, dass meine Fotos der großen Color Field Paintings nur einen schwachen Ein /Abdruck geben können. In Helen Frankenthaler’s BLAUE BLASE versinkt man vollkommen, ebenso bei Lee Krasner: DURCH BLAU.

 
 

 

 

 


 
 

Für mich ein Rätsel- oder Geheimnisbild ist in dieser Ausstellung das Werk N.Y.#7 von Hedda Sterne. In diesem Kunstwerk habe ich mich vollkommen verloren. Ein Gefühl wie es Neil Young besingt: in the desert you don’t remember your name.

 
 

2022 18 Jul

Force Majeure – Leafar Legov / Giegling 21 [2017]

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

This is a small (7’18“ time) piece of music which youtube recommended to me after listening to Pan American’s East Coast Bugs. It meets my easy listening requirements: adventurous, relaxed mood, inner tension and several surprises. I love it!

 

2022 18 Jul

A day in the life of Ashley Paul

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off

Pushing sounds and songs towards an area of the ungraspable, that may be one of the working ideals of  Ashley Paul. No nostalgia, no common sense, no simple formula. But a deep sense for the elemental, the heartfelt, the now. More about  this in my upcoming JazzFacts edition at the Deutschlandfunk, on August 4, 9.05 p.m.

 

I wasn’t wrong assuming she got, at one point in her life, obsessed with Julee Cruise and Twin Peaks. Amongst other things, I kindly asked her to tell about a „normal day“ in London town. Starring: a tortoise named Zoe, Richard Brautigan, and a tropicalia compilation from Soul Jazz Records. And why not add her ten records for the famous desert island …

 

 

 

 

„I come from a very musical household. My sister, who is 8 years older than me, was always practicing piano and voice, my dad plays jazz guitar, and my grandfather was a saxophonist and clarinetist. So there was pretty much always music around. I remember that when I became aware of Paul Desmond (sometime around age 5 or 6), I began to tell EVERYONE that I would grow up to be a saxophonist. This near-obsession with Paul Desmond lasted into my twenties. I started transcribing his playing when I was ten. First song was “Skylark.” Other favorites are “Hi-Lili-Hi-Lo” and “Taste of Honey.” I think he instilled a strong sense of the importance of melody and the power of understatement in me. His work is perfectly distilled and crafted with absolutely no excess.“ (from foxydigitalis)

 

 

  1. Father John Misty: Pure Comedy (2017)
  2. The Mountain Goats: Goths
  3. Gas: Narkopop
  4. Ryuichi Sakamoto: async
  5. Darren Hayman: Thankful Villages, Vol. 2

 

  1. Steve Tibbetts: Life of (2018)
  2. Brian Eno: Music for Installations
  3. Marianne Faithfull: Negative Capability
  4. Jon Hopkins: Singularity
  5. Nils Frahm: All Melody

 

  1. Underworld: Drift Series (Box Set) (2019)
  2. Arve Henriksen: The Timeless Nowhere (Vinyl Box)
  3. Joe Lovano: Trio Tapestry
  4. Oren Ambarchi: Simian Angel
  5. Lankum: The Lifelong Day

 

  1. Tunng: …presents Dead Club (2020)
  2. The Flaming Lips: American Head
  3. Jon Hassell: Seeing Through Sound
  4. Einstürzende Neubauten: Alles in allem
  5. Die Wilde Jagd: Haut

 

 

  1. Floating Points w/ Pharoah Sanders: Promises (2021)
  2. Lambchop: Showtunes
  3. Jon Hopkins: Music for Psychedelic Therapy
  4. Portico Quartet: Terrain
  5. Nik Bärtsch: Entendre 
  6. The Mountain Goats: Dark In Here

 

  1. Lambchop: The Bible (2022)
  2. Alabaster dePlume: Gold
  3. Father John Misty: Chloe and the next 20th Century
  4. Avishai Cohen: Naked Truth
  5. Toechter: Zephyr

2022 17 Jul

Universum JSB

| Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 7 Comments

„Nicht alle Musiker glauben an Gott, aber alle glauben an Johann Sebastian Bach.“

(Mauricio Kagel)

 

Die Klanghorizonte und die Jazzfacts werden mit überschaubarer Regelmäßigkeit gesendet. Es wird im Manafonistas-Blog zumindest auf die Jazzfacts zuverlässig hingewiesen und Radiohörer Henry Karl trägt auch dazu bei, wenig zu versäumen wenn man seinen Newsletter abonniert hat. Nun bin ich erst Anfang Juni 2022 bei der 32. Folge auf eine 33 Folgen umfassende Reihe aufmerksam geworden, die schon seit dem Jahr 2015 existiert. Man kann leicht erkennen, dass die Serie des DLF Kultur nicht so dicht wie die Tagesschau gesendet wird und deshalb hier im Blog auch nicht beworben wurde von mir – von wem sonst?

Es gibt gerade einmal 288 handgeschriebene Seiten von Johann Sebastian Bach selbst. Das ist wenig. Vor allem enthalten diese kaum Privates. Wir wissen somit nichts über sein Sexualleben und seine bevorzugten Drogen. Naja, Bach war ein gefragter Orgel-Gutachter. Nach einer solchen Orgelprüfung zu Halle im Jahr 1716 hat er mit den helfenden Kollegen gut gegessen und reichlich gesoffen, so dass er in der Quittung am Ende kaum noch seinen Namen schreiben konnte und dazu einen dicken Tintenklecks produziert hat.

Diese Quittung kann man nicht hören, den Tintenklecks auch nicht. Gesehen habe ich sie in einem Buch, das ich nach Entdeckung der Sendereihe entdeckt habe, ein Buch, das im Jahr 2022 erschienen ist und als Bildbiografie offenbar aus der Hörbiografie hervorgegangen ist, welche jene teure Bildbiografie kostenlos mit umfangreicherem Text und großartigen Musikbeispielen ergänzt. Bach für Augen und Ohren.

 

 

 

 

Nur eines der überlieferten Bilder Bachs ist nach heutigem Wissen unzweifelhaft von der lebenden Person gemalt worden, das Bild des Malers Elias Gottlob Haußmann, eigentlich eine dürre Basis für eine Bach-Ikonografie.

An Büchern über J. S. Bach herrscht kein Mangel. Aber dieses ist das unterhaltsamste Hör- und Lesebuch zu JSB, welches mir begegnet ist. Michael Maul – Bachforscher und Intendant des Leipziger Bachfestes – bedient sich historischer Quellen, die er nicht nur zitiert und kommentiert, sondern daraus kurze verschmitzte Hörszenen komponiert, mit leicht thüringisch-sächsischem Tonfall, den man im gesamten deutschen Sprachraum verstehen sollte. Nicht unterzubringen in den 33 Hörfolgen sind die laut Bach-Werke-Verzeichnis über 1000 Kompositionen Sebastians, selbst dann nicht, wenn auf alle Worte der Hörbilder verzichtet würde.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz