Weil wir gerade so schön dabei sind: hier noch ein guter schlechter Film von 1960. Melodie und Rhythmus – scheinbare Gegensätze, und doch bilden sie zusammen ein harmonisches Ganzes.
Der Komponist Alberti (Fred Kraus, im Film und im Leben der Vater von Peter Kraus, der heute noch mit 85 die Bühne rockt) befindet sich in einer Probe mit seinem Orchester „Die Zaubergeigen“. Danach singt Lolita (eine bodenständige Österreicherin mit Oma-Dauerwelle – diese Zeit hatte keinen Sinn für Stil und Passung, und ihren Nabokov nicht gelesen) etwas von Südseeträumen. Im Orchester sitzt muffelig sein Sohn Tommy und spielt auf seiner Gitarre Rockrhythmen ein. Der Göttervater ist erzürnt und schleudert Blitze, es kommt zum Streit, und Tommy stürmt aus dem Konzertsaal. Eine kleine Revolution inmitten einer Gesellschaft, die sich an ihren Träumen vom Glück besoff.
Tommy kommt aber dem Vater auch ins erotische Gehege, er umschwärmt dessen Freundin Linda, eine mondäne elegante Grossstadtdame, ein Archetyp dieser Zeit und immer kontrapunktisch angelegt zum lieben blonden Mädel (in diesem Film unerträglich doof), das den Helden schliesslich bekommt, wenn er vernünftig geworden ist und gelernt hat, was ihm gemäss ist. Man könnte auch sagen, muss es aber nicht – Tommy befände sich in einer protrahierten ödipalen Phase, in der es weniger um die Frau, sondern um Platzhirschgerangel mit dem sicher positionierten Vater geht. Falls man mit den kriegsversehrten und traumatisierten Vätern überhaupt kämpfen konnte, und nicht unbewusst für ihre Stabilisierung und ihr Wohlbefinden sorgte – auch so eine Crux dieser Zeit. Oder ganz schlicht von ihnen verängstigt wurde. Vielleicht wurde deshalb damals auf den Schulhöfen so viel gerauft. Männliches Kräftemessen, das mit Papa nicht ging.
Das blonde Mädel lässt sich in allerhand Verwicklungen von Tommy und Linda demütigen und des Diebstahls bezichtigen, bleibt aber weiter auf der Jagd nach dem Objekt der Begierde, und versucht letztlich, ihm ihre Liebe zu beweisen, indem sie sich bei einer Zirkusaufführung als Zielscheibe für einen Messerwerfer ausliefert. Die deutsche Frau opfert viel für den Mann … jaajaa, wir habens verstanden (kreisch!).
Tommy macht mittlerweile Karriere mit seiner Band, versöhnt sich mit dem Vater, leistet den Verzicht auf Linda und es wird eine grosse Musikgala von Vater und Sohn aufgeführt, mit Zaubergeigen, Lolita samt Südsee und Tommys Band – eine überbordende Aufführung einer harmonischen Generationensymbiose.
Tommy tritt im Cowboykostüm auf und singt das Lied von „Cowboy Billy“ in der Pose des kleinen Gernegrosses, zu dem er scheinbar in der Nähe des Vaters mutiert. Der Text sei Euch erspart, jeder kann ihn googeln wenn er möchte, die Quintessenz davon ist etwa: „Wenn ich gross bin erschiess ich Euch alle!“ Der aufmüpfige Sohn ist also kastriert und in der Kleinkindposition fixiert, ohne am Sockel des Vaters zu kratzen. Zur Belohnung für Rollentreue gibt’s dann das treue Mädel.
So erweist sich das Schmonzettchen als Rad in einer gewaltigen ideologischen Einordnungs – und Einnordungsmaschinerie, die man durchaus als brutal empfinden kann, wenn man den Zuckerguss entfernt.
Unterhaltung ist entlarvend, weil sie geheime Wünsche offenbart, hier die der Kriegsgeneration nach Erhalt und Verteidigung ihrer konservativ-patriarchalischen Strukturen gegenüber einer Jugend, die Selbstreflexion und Grenzüberschreitung einforderte. Das Ganze hingeschludert vom Regisseur John Olden, besser bekannt als Ehemann von Inge Meysel, die danach beschloss lieber bisexuell zu sein.
Guter schlechter Film, und eine geniale Zusammenfassung des Zeitgeistes von einem Regisseur, der sicher nicht wusste, was er geschaffen hatte. Bei Interesse fürs Thema empfehlenswert: WENN DIE CONNY MIT DEM PETER (1958), über die musikalisch ausgetragene und schliesslich ebenfalls in Harmonie ertränkte Revolte einer Schulklasse.