Manafonistas

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Ich weiss noch, das Raunen, 1977, das durch den Melody Maker ging, als „Marquee Moon“ erschien. Die Jungs auf dem Cover sahen alle ausgemergelt aus und blass, und die Songs landeten schliesslich in dem kleinen Würzburger Plattenladen, wo ich auch David Bowies „Low“ gekauft hatte. Ich nahm das Teil sofort mit, zog die Vorhänge zu, machte mir einen Tee (damals bestellten wir die Oolongs und Darjeelings bei einem Teeversand aus Bremen, warum auch immer), und die Musik verrichtete ihre Arbeit. Ein kleiner Studioraum in NYC, eine kleine Studentenbude im Frankenland. Jeder Song filettiert, rohes Material, das ins Singen kommt. Die Zeit der alten Erhabenheiten ist vorbei, und später sagt der Mann mit der schneidenden Stimme, er habe in jener Zeit viel Coltrane gehört.

 

 

 


Zeitsprung 1977 – 2022. ich sitze bei „Mr. 45rpm Audiophile“ aka Michael Ludwigs  im Musikzimmer (eine wirklich spannende Begegnung, auch mit den Hunden Karl und Friedrich), und  höre die gelegentlich für rund 1000 Euro auf Discogs erhältliche Ausgabe von John Coltranes „My Favourite Things“, von der Londoner Electric Record Company. Wenn die einen Klassiker rausbringen, in einem extrem aufwändigen, nur Röhren und analog ablaufenden Prozess, ist das Objekt der Begierde (roundabout 400 Euro) meist in Minuten ausverkauft. 300 Exemplare sind das Limit. Der Vinylhimmel hat zuweilen seinen Preis. 

„Acoustic Sounds“ hat unlängst eine herausragende (und weitaus preisgünstigere) Ausgabe dieser kommerziell erfolgreichsten Platte Coltranes rausgebracht, mit einer Stereo- und einer Monofassung. Letztere kommt schon nah mal ganz nah an den Himmel heran. Und die Musik läuft an diesem draussen so grauen Machmittag bei mir (s. Foto) – Joes Garage, Neils Toast, das Quartett des Jazzmeisters, und eben Marquee Moon.

Nackter ekstatischer Rock, die Parallele zum modalen Coltrane liegt in den singenden Gitarrenlinien, die beiden Gitarreros scheinen nicht die Notenblätter, sondern Telepathie zu proben. Nichts lässt einen vom Haken. Nicht nur das lange Titelstück von Marquee Moon vergeht im Rausch.

 

The title track of Television’s 1977 debut LP has everything: the grandeur of the finest freewheeling 70s rock, the needling intensity of punk and the eerie tension of an Edgar Allen Poe short story, marked by strange encounters and elemental surges (“the lightning struck itself”). Despite the efforts of generations of critics to unpick it, Marquee Moon remains brilliantly inscrutable – a mystery inside an enigma wrapped in a stinging guitar solo.

(Sam Richards). 

 

Ein Meilenstein, eine der Platten, bei denen sich viele daran erinnern, wann genau sie sie das erste Mal gehört haben. Und warum fühlte und fühlt man sich hinterher (wenn der letzte Ton verklungen ist) so verdammt lebendig – „good vibrations“ gehen doch eher anders! Oder!? Liebe Leser, besorgen sie sich „Marquee Moon“ als nächste kleine Nachtmusik. Es ist wie beim Inszenieren von „joyful surrender activities“, wie beim Hören von Neil Youngs „Toast“, oder beim Versinken in „24 Frames“: das Licht muss man selber anzünden! In Joes Garage übrigens auch. Der letzte macht das dann auch wieder aus.

This entry was posted on Montag, 11. Juli 2022 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

11 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    https://electricrecordingco.com/about/uk

  2. Susanne und Bernd L.:

    Micha, du bist ein Master of joyful surrender activities!!!😇 Eine Koryphäe des Geschichtenerzählens:) Erinnerungen an Sylt, Uwe Düne, Morgendämmerung. Beste Performance. Marquee Moon ist natürlich eine Schau, und bald hast du uns soweit, dass wir uns Herrn Zappa zulegen!

  3. Michael Engelbrecht:

    Joe‘s Garage ist tatsächlich ein Kracher, mein meistgespieltes Vinyl der letzten Wochen. Ich übergebe gern an Zeremonienmeister Zappa!

  4. Manfred Lang:

    Lieber Michael Engelbrecht! Seit sie nach so vielen Jahren nicht mehr die Klanghorizonte machen, ist es interessant hier auf diesem Blog so viele interessante Themen ausfindig zu machen.

    Sie sind hier gut wiederzuerkennen, an den Texten, auch wenn einiges über Musik weit hinausgeht. Film und Musik sind meins, und erst vor drei Jahren habe ich mir, unabhängig von ihrer Anlage, aufgrund eines Freundes, auch einen VPI PRIME zugelegt. Die Kombiantion mit dem Machiavelli Tonabnehmer ist ja nicht selten und wirklich super.

    Also meine Frage. Der spannende Text über diese spezielle Londoner Firma stammt von einem David Sheppard. Ist das derselbe, der die Biographie zu Brian Eno geschrieben hat, wissen sie das? Der Engländer war ja öfter in Zitaten zu hören in der Nacht.

    Und der Youtube Kanal von dem anderen Michael ist schon eine Fundgrube für Vinylisten. Neil Young haben sie ja fast so oft gespielt wie Brian Eno, und Toast finde ich sensationell. Die Coltraneplatte (auf dem Foto gut zu sehen) habe ich bestellt. Nah am Vinylhimmel klingt schon mal gut.

    Allerbeste Grüsse aus Essen.

  5. Michael Engelbrecht:

    Hallo!

    Keine Ahnung, weil ich das Buch zwar gut, aber Mr. Sheppard nicht persönlich oder privat kenne. Wäre schon ein Zufall, weil es David Sheppards in riesiger Zahl gibt.

    Das hilft zwar auch nicht weiter, aber hier, das hat doch auch was – keine Ahnung was da Laufwerk- und Tonabnehmertechnisch verbaut ist – der von Brian Eno designte Plattenspieler:

    https://www.youtube.com/watch?v=j5dpRX3b0lA

  6. Volker Rath:

    Das ist ja spannend, was da alles auf dem Foto zu sehen ist. Und auch sonst: eine Musikstory mit Hochgenuss. Wie ist das denn, wenn so zwei High End-Leute sich treffen? Kommt da ein Beitrag im Radio? Bei 45rpm ausiophil war ich zuletzt öfter unterwegs, und habe mir die Vinylbox von Neil Young mit Hawks & Doves, Eldorado u.a. besorgt. Television: da habe ich noch ne uralte Schallplatte – phänomenale Musik aus den Siebzigern. Ob die mal bei dieser sehr speziellen Londoner Company rauskommt, die Versuchung wär gross, zuzugreifen.

  7. Michael Engelbrecht:

    Das Treffen mit Michael L war vollkommen frei von den Überkandideltheiten, die man oft in der sog High End Szene erlebt. Only two people who love music, und sich was zu erzählen haben. Wir sind so im Hören und Reden aufgegangen, dass ich vergessen habe, ein paar Fotos zu machen, grhhh…

    Fürs Radio ist nichts geplant, wo auch? Aber vielleicht hecken wir was anderes aus, mal schauen… und einen Text schreibe ich sicher über das Treffen, hier, demnächst mal…

  8. Olaf Westfeld:

    Marquee Moon – großartig!
    Ausführliche Berichterstattung – sehr gerne ;-) was habt ihr denn gehört?

  9. Michael Engelbrecht:

    Ein bisschen was:)

    Aber zum Beispiel diesen Coltrane.

    Dies und das.

    Und Midnight Blue.

    Und und und 😉

  10. Olaf Westfeld:

    Hört sich auf der Anlage wahrscheinlich alles ganz okay an…
    Marquee Moon habe ich das erste Mal 2008 oder so mitten in der Nacht im Deutschlandfunk gehört – war glaube ich ein Television Special – hab‘ mich schon mal gefragt, ob das vielleicht die Klanghorizonte waren.

  11. Michael Engelbrecht:

    Ja, ganz okay 😂😂😂😂

    Bei Michael (Ludwigs) Ella und Louis persönlich zu begegnen, das hatte was. Da machte der Ausdruck „sie standen im Raum“ wahrlich Sinn. Und das war bitteschön eine Monaufnahme von 1956.

    Andere Welt: Marquee Moon war der Höhepunkt von Television. Das war nicht zu toppen. Allerfeinst allerdings dann noch zwei Soloalben von Tom Verlaine ein paar Jahre später… nie ne Reissue erlebt davon.


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