Manafonistas

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2022 11 Jun.

„Impressionen mit verrücktem Pferd“

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Comments off

Wir sind früh da und hocken lange draussen in der Sonne. Die Bob Dylan- und Neil Young-Bootleg-Experten reden sich die Köpfe noch etwas  heisser. Man kanns auch übertreiben, Jungs! Dafür finden wir weit vorne Platz in der Laxness-Arena. Es tut sich was. Die verrückten Professoren hadern noch miteinander, beim Fabrizieren bzw. Errichten der überlebensgrossen Pille, die letztendlich wie ein Mikrofon ausschaut, dieweil einer der grössten Songs des 20. Jahrhunderts, „A Day In The Life“ ertönt, und das leitet die Zeitreise ein, die schon begann, als ich während der Hinfahrt, nichtahnend, „Sgt. Pepper in Mono“ spielte, und dann betritt die Combo der vier alten Männer die Bühne, und das „verrückte Pferd“ feuert aus allen Zylindern.

Wie Neil Young sich ans verwitterte Saloon-Piano setzt, und anmutig von einer verlorenen Seele singt, und, mitten in all den erfolgreichen Raubzügen in der Ursuppe der Rockmusik, auch mal für eine Weile in alten „Harvest“-Zeiten andockt.

Wie Neil auch nach diesem akustischen Mittelteil in aller Ruhe am Klavier den rechten Schuh zubindet, über die Bühne schlendert, und dann mit drei harten Akkorden das nächste, elektrische Songgewitter einleitet.

Roll another number  – dieser schleichende Rocker erlaubt sich ein paar sentimentale Zeilen und rockt das Pferd. „Tomorrow is a long time when you’re a memory“ singt er an anderer Stelle, und die Hörer, die Neils Musik gut kennen, wissen, dass sich hier alle auf einem Trip befinden, dessen Quellcode in den dunklen Mittsiebzigern liegt, als Neil Young mit einigen Illusionen der Ära aufräumte und all jene Fans vergraulte, die nur zu gerne altem Sanftmut, alter Nostalgie erliegen. No way. Aber mit Traumstoffen spielen – gerne.

Das nächste Soundgewitter folgt und legt das Finale des Liedes über verlorene Illusionen, „Walk Like A Giant“, in Geräusch und Asche; auf einmal hören wir virtuellen Platzregen niedergehen, und wie einst erschallt überall „more rain, more rain“.  Die „Alchemy“-Tour ist in ihrem Element. Diese Musik ist, zum Glück, nicht ungefährlich.

Crazy Horse hauchen jedem „fuckin‘ old song“ neues Leben ein, und wenn „Heart Of Gold“ ohne jede Brechung, akustisch und sanft ertönt, ist klar, dass hier ein alter Traum nichts als eine Seifenblase ist, die am Ende genau das macht, was Seifenblasen machen.

Das Gesicht von Neil Young ist eine „schöne Ruine“, sein famoses Spiel auf der E-Gitarre lässt immer neue Winkel einstürzen.

„Hey hey, my my, Rock’n Roll will never die“ – Die Beschwörung. Es wird geschrien und geflüstert. Die gereckten Hände der ersten fünfzehn Reihen im Innenraum vollführen einen organischen Tanz, das „verrückte Pferd“ erzittert! Jede Improvisation geht Risiko.

Ja, überlebensgross, die Marshall-Amps,  aber die ganze Performance ist das Gegenteil eines gigantischen Spektakels: vier Männer, einer mit Hendrix auf dem T’Shirt, sind sich der Brüchigkeit von Allem bewusst, manövrieren wie Zeitgeister zurück in die Zukunft. Das Wilde ist keine Geste. Jeder falsche Ton genau der richtige!

Das Feuer brennt noch. Papierfetzen fliegen über die Bühne. „Everybody knows this is nowhere.“

Und wie wohltuend, viele Jahre später, im Sommer 2022 in einer in Aufruhr empfindlichen Welt, zu erfahren, dass Gudrun und Hansjörg auch da waren, im Juli 2013, irgendwo hinter uns im weiten Rund. Hätte ich davon gewusst, hätte ich dreimal laut ihre beiden Namen gerufen: Risiko – ein paar „falsche“ Gudruns und Hansjörgs hätten sich wohl auch gemeldet. Da waren Tausende. Bald sind wir wieder in der Arena, mit Nick Cave & The Bad Seeds – und Masken!

Wer wissen will, wie das Pferd damals schnaubte: ich empfehle die Vinyl-Ausgabe von „Psychdelic Pill“.

 

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