Manchmal wären Psychotherapeuten ein guter Griff für Künstler am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Aber was einst in New York wohl nicht zuletzt wegen diverser Woody Allen-Filme eine Mode wurde, war in good old England Anfang der Achtziger Jahre absolut nicht angesagt. Zumindest nicht in Kreisen avancierter Popmusik.
1982 hatte XTCs ständiges Touren den Leadsänger und Songschreiber Andy Partridge vollkommen fertiggemacht. Ein im Fernsehen übertragener Auftritt wurde abgesagt, weil er es nicht einmal durch den ersten Song der Band schaffte, ohne hinter die Bühne zu rennen und zu kollabieren. Zwischen Anfällen von starkem Lampenfieber, unbehandelter Agoraphobie und Valium-Entzug im Selbstversuch erlitt Andy Partridge, das sogenannte und tatsächliche „mastermind“ der urbritischen XTC einen kompletten psychosomatischen knockout und blieb zu Hause bei seiner damaligen Ehefrau.
Dort in Swindon besuchte ich ihn einmal früh in den Neunziger Jahren (natürlich als Musikjournalist und nicht als kognitiver Verhaltenstherapeut), und er gab mir einige sehr offene Einblicke in sein absolutes Krisenjahr 1982 (war das ein Jahr mit 13 Monden, mein 1982 war auch very, very strange). Andy hörte auf mit den Tourneen, und wurde zum kreativen Arbeitstier im Tonstudio. Das erste Album nach seinem „breakdown“ wurde „Mummer“, ein kolossalter kommerzieller Flop, und ein faszinierendes Opus durch und durch.
Nachdem XTC beschlossen hatten, nur noch als Studioband aufzutreten, blieb Partridge nach Chambers‘ Ausscheiden nur noch der Bassist und Songschreiber Colin Moulding und der Gitarrist und Keyboarder Dave Gregory, um die Mission weiterzuführen. Diese Umwälzung tat der Kreativität keinen Abbruch. Partridge und Moulding schrieben weiter und weiter – auf einmal waren genug Songs für ein Album da, und in der geschätzten Umgebung eines Studios in heimischen Gefilden entstand „Mummer“. Ganz ohne Nerven zu lassen, ging das aber auch nicht, denn der ausgesuchte Produzent Steve Nye (der an Japan’s Sound von „Tin Drum“ wesentlich beteiligt war, und deshalb Andys Kandidat) entpuppte sich als Soundmagier – und, was Teamarbeit anging und zumindest solide Kommunikation, als Vollpfosten. So beschreibte es jedenfalls Andy im Gespräch.
All die im Vorfeld abgesagten Konzerte bedeuteten, dass XTC Virgin Records eine bestimmte Anzahl von Platten schuldeten, um die Verluste wieder auszugleichen. „Mummer“ wurde ein allseits unterschätztes Meisterstück – Ideenfülle, Melodienrausch, Klangfinesse, sowie first class lyrics – versprochen. Highly recommended, the new vinyl reissue!